Fonds-Experte Rodriguez-Alarcon: "Big Data hat unglaubliches Potenzial"
Kann die Analyse riesiger Datenmengen Anlage-Entscheidungen verbessern? Fondsmanager Javier Rodriguez-Alarcon ist überzeugt davon.
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€uro am Sonntag: Um Aktien auszuwählen, nutzen Sie viele Daten. Wie gehen Sie vor?
Javier Rodriguez-Alarcon: Wir lesen beispielsweise Texte mit dem sogenannten "Natural Language Processor" aus. Bilanzen, Millionen von Patenten, aber auch Analysen in allen möglichen Sprachen. Dabei geht es nicht nur darum, die relevanten Daten zu filtern, sondern auch darum, Stimmungsveränderungen erkennen zu können. Unsere Technologie ist lernfähig und begreift die Schreibweise eines Analysten. Irgendwann kann sie sogar erkennen, wenn der Autor etwas zynisch meint. Wir erhalten dadurch wesentlich mehr Informationen, als wenn wir die Analysen selbst
lesen würden.
Und was bringen Ihnen diese Informationen?
Wir müssen uns nicht auf unsere ökonomische Intuition verlassen, sondern können unsere Anlageideen schnell mithilfe der Daten auf ihre Eignung überprüfen. Dabei kommt es natürlich darauf an, die richtige Frage zu stellen. Wer eine riesige Menge an Daten beherrschen möchte, muss sie strukturieren und das System an den richtigen Stellen nach Antworten suchen lassen können. Die Auslesung der Patente in Zusammenhang mit den Chancen in einem regionalen Markt kann uns die Innovationskraft eines Unternehmens zeigen. Das geht weit über eine Prognose von Profitabilität und Gewinnen hinaus.
Ziehen Sie lediglich Informationen aus Texten oder gibt es weitere Methoden?
Wir entwickeln unser System permanent weiter. Wir verfolgen etwa, wie viele Menschen die Seiten eines Onlinehändlers im Internet besuchen. Wir können genau sagen, wie viele Besucher wie lange auf welchen Seiten verweilen. Je länger sich die Menschen dort aufhalten, desto wahrscheinlicher sind Transaktionen. Wir können ziemlich sicher darauf rückschließen, was die Leute kaufen. Das ist ein enormer Erkenntnisgewinn, wir sehen Änderungen, bevor sie sich in den fundamentalen Daten niederschlagen. Steht ein Unternehmen etwa vor einem Gewinnsprung, verdoppelt oder verdreifacht sich häufig der Besucherverkehr auf dessen Homepage.
Das klingt, als sollten alle Vermögensverwalter das machen. Welches Potenzial schreiben Sie Big Data in der Vermögensverwaltung zu?
Ein kaum zu fassendes. Durch immer schnellere Prozessoren und das Internet der Dinge produzieren wir eine immer größere Menge an Daten. Die Informationen darin gehen weit über das menschliche Fassungsvermögen hinaus. Wir werden überhaupt nicht alles nutzen können, sondern nur den Teil, den wir strukturieren können. Das ist nicht nur für die Vermögensverwaltung von Vorteil, sondern ebenso für die Logistik eines Einzelhändlers, für Ingenieure, Mediziner, aber auch die Agrarwirtschaft: In der Schweiz gibt es ein Unternehmen, das anhand eines Chips misst, wie oft sich eine Kuh in der Sonne bewegt, wann sie am produktivsten ist und am besten gemolken werden kann.
Aber Sie können nicht einfach alle Informationen nutzen, da gibt es Grenzen, oder?
Wir nutzen keine Informationen aus sozialen Netzwerken, anders als das etwa die chinesische Regierung macht. Aber wir sprechen mit vielen Menschen, um weitere Quellen nützlicher Daten aufzuspüren. Die Grundvoraussetzung ist, dass die Informationen freiwillig abgegeben werden. Wir sprechen hier nicht über private Kundeninformationen. Aber so etwas wie Patente darf jeder lesen. Die EU wird die Nutzung von Daten ab 2018 zudem regulieren.
Das Interview führte Birgit Haas
Kurzvita
Javier Rodriguez-Alarcon ist Big-Data-Experte und Fondsmanager der sechs CORE- Portfolios von Goldman Sachs Asset Management. CORE steht für computeroptimiert und researchbetont, die Fonds verfolgen quantitative Strategien.
Investor-Info
Fonds im Fokus
GS Global CORE Equity Portf.
Der weltweit anlegende Aktienfonds verbindet fundamentale Kennzahlen mit Big-Data- Analysen. Sein Anlageuniversum sind die im MSCI-World-Index enthaltenen Unternehmen. Ins Portfolio schaffen es Titel, die positive mittel- bis langfristige Kurstrends (Momentum), eine hohe Rentabilität und eine attraktive Bewertung aufweisen. Dafür analysiert das Management-Team täglich mehr als 10.000 Aktien. Mit aktuell rund 250 Titeln ist das Portfolio breit gestreut, zu zwei Dritteln steckt das Kapital in US-Aktien. Über die vergangenen fünf Jahre konnte der Fonds, der in US-Dollar notiert, seinen Vergleichsindex schlagen und erbrachte eine durchschnittliche jährliche Rendite von 13,4 Prozent. Mindestanlage: 5.000 US-Dollar.
Fazit: In den vergangenen Jahren überzeugender globaler Substanzwertefonds. bihWeitere News
Bildquellen: Goldman Sachs Asset Management, iStockphoto