Fonds-Experte Leber: "Maschinen werden Menschen ersetzen"
08.06.16 15:00 Uhr
Künstliche Intelligenz statt menschlichem Fondsmanager - wie der Acatis-Gründer Hendrik Leber die Zukunft des Fondsmanagements sieht.
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von Lucas Vogel, Euro am Sonntag
Hendrik Leber ist ein Fondsmanager der alten Schule. Bilanzen analysieren, Geschäftsmodelle bewerten, Management beurteilen und dann mit Wissen, Erfahrung und Intuition den Markt schlagen - so geht der unabhängige Vermögensverwalter seit Jahrzehnten vor. Umso erstaunlicher, dass der überzeugte Anhänger des Value-Stils seit einigen Jahren auf Computer und künstliche Intelligenz setzt.
€uro am Sonntag: Herr Leber, Sie haben eine ganze Konferenz dem Thema Datenanalyse und künstliche Intelligenz gewidmet. Warum?
Hendrik Leber: Ganz einfach: Das sind die Themen der Zukunft in vielen Bereichen der Wirtschaft - und eben auch für die Vermögensverwalter und Fondsmanager. Die Zeiten, in denen große Persönlichkeiten mit einzelnen genialen Entscheidungen die Märkte schlagen, sind vorbei.
Und wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft der Fondsbranche aus?
Die Maschinen werden die Menschen ersetzen. Lernende Computer werden mehr und mehr Arbeit übernehmen, mehr und mehr Entscheidungen treffen, die bisher Fondsmanager getroffen haben.
Arbeiten Sie also mit Ihren Computern daran, sich selbst arbeitslos zu machen?
Das mag so kommen. Aber wenn Computer einfach besser sind als ich, muss ich das akzeptieren und mit der Entwicklung der Zeit gehen. Deswegen investieren wir ja auch viel in diesem Bereich.
Warum sind Computer und künstliche Intelligenz besser?
Weil Fondsmanagement eine Aufgabe ist, die ideal für lernende Computer ist. Sie lernen am besten anhand vieler Daten, ob eine Entscheidung gut war. Das gibt es bei der Auswahl von Wertpapieren - zum Beispiel von Aktien. Es geht darum, große Datenmengen - Geschäftszahlen, makroökonomische Zeitreihen und andere Informationen - zu verarbeiten, Muster zu bilden und dann Entscheidungen zu treffen. Und man bekommt über die Preisentwicklung am Markt sofort die Rückmeldung, ob die Entscheidung richtig war.
Die Computer gehen also genauso vor wie Menschen?
Richtig. Der Computer als Fondsmanager bekommt ein Ziel, beispielsweise mit deutschen Aktien eine möglichst hohe risikoadjustierte Rendite zu erzielen. Er lernt und kommt diesem Ziel mit der Zeit immer näher. Er kann dabei viel mehr Daten berücksichtigen als ein Mensch und vergisst nichts. Das ist so, als wenn ich alles, was ich als Mensch je gelernt habe, immer vor jeder Entscheidung abrufen könnte. Aber es gibt nicht nur diesen Vorteil.
Sondern?
Computer haben keine Gefühle. Die größten Fehler machen Anleger, Profis und Privatanleger, immer noch aus der Emotion heraus. Herdentrieb, Verkaufspanik, überbordende Euphorie - das alles kennt der Computer nicht.
Wo könnten menschliche Fondsmanager trotzdem noch die Nase vorn haben?
Wenn die Computer von Banken eingesetzt werden und die ihre kurzfristigen Zielsetzungen nicht ändern, können Menschen mit einem konsequent langfristigen Ansatz besser abschneiden. Außerdem können ganz große kulturelle, soziologische und technologische Veränderungen nicht mit Daten erfasst werden. Ein Computer mit künstlicher Intelligenz wird es schwer haben, die Folgen von künstlicher Intelligenz zu beurteilen.
Kurzvita
Mensch und Maschine
Hendrik Leber (59) gründete 1994 die Vermögensverwaltung Acatis, die heute über drei Milliarden Euro betreut. Er wählt Aktien nach Value-Kriterien aus. Seit einigen Jahren setzt er auch lernende Computer zur Datenanalyse ein.
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Bildquellen: ACATIS Investment GmbH, Bangkokhappiness / Shutterstock.com