Anlagestratege Mainert: "Zyklen werden umgebracht"
Der Anlagestratege von Allianz Global Investors, Ingo Mainert, spricht im Interview mit €uro am Sonntag über Konjunktur-Sorgen und Grundregeln der Volkswirtschaft.
von Andreas Hohenadl, Euro am Sonntag
Frankfurt, München, Paris und London - an all diesen Standorten hat Allianz Global Investors (AGI) Spezialisten sitzen, die Multi-Asset-Fonds managen. Insgesamt verwaltet dieser Bereich ein Anlagevolumen von 100 Milliarden Euro. Die Richtschnur des Handelns gibt dabei Ingo Mainert vor. Der Diplom-Kaufmann ist bei der AGI Chefanlagestratege Multi Asset Europe. Als solcher analysiert er nicht nur den Konjunkturzyklus aufs Genaueste, sondern hat zugleich Chancen und Risiken bei Anlageklassen und Regionen im Blick.
€uro am Sonntag: Herr Mainert, wir nähern uns der Jahresmitte. Zeit für einen kleinen Ausblick: Wie optimistisch oder pessimistisch blicken Sie derzeit auf die Märkte?
Ingo Mainert: Ich würde uns als konstruktiv vorsichtig bezeichnen. Wir sehen 2018 nach wie vor von einer vernünftig verlaufenden Konjunktur geprägt. Das sollte Aktien unterstützen können und Rentenanlagen im Gegenzug belasten. Denn ausgehend vom Konjunkturverlauf und der damit verbundenen Re-Inflationierung hat die Geldpolitik gedreht, was unmittelbar besonders Zinspapiere zu spüren bekommen.
Ein Konjunktureinbruch steht nicht zu befürchten?
Eher nein, aber gegenüber dem zweiten Halbjahr 2017 werden wir einen Verlust an konjunktureller Dynamik spüren. Derartige Momentumverluste reflektieren sich immer in den Kapitalmärkten. Gleichwohl bleiben wir optimistisch, dass wir noch nicht kurz vor der nächsten Rezession stehen. Zwar sind die Politik in Italien und der sich anbahnende Handelskonflikt Risiken, eine Vollbremsung der Weltkonjunktur steht aber - Stichtag heute - nicht an.
Was macht Sie da so sicher?
Analysen zeigen, dass eine Rezession von einer inversen Zinsstruktur angezeigt werden sollte. Sprich: Von einer Situation, bei der die kurzfristigen Zinssätze höher als die langfristigen sind. Eine Grundregel der Volkswirtschaft besagt, dass Konjunkturzyklen keinen Alterstod sterben. Sie werden umgebracht - von den Zentralbanken. Und das Instrument ist die Zinsstrukturkurve. Solange diese nicht invers ist, denke ich, dass noch konjunktureller Optimismus angebracht ist.
Der synchrone, weltweite Aufschwung ist für Sie weiterhin intakt?
Ja und nein. China läuft nach wie vor stabil positiv, die USA könnten aufgrund der fiskalpolitischen Programme noch einmal an Dynamik aufbauen, Europa aber verliert an Schwung. Insgesamt haben wir somit seit dem Winter eine etwas diffuser verlaufende, aber immer noch breit angelegte konjunkturelle Aufwärtsbewegung.
Gibt es eine Anlageregion, die Sie bevorzugen?
Das stärkste Zutrauen auf der Aktienseite haben wir derzeit in die USA und - immer noch - in Europa: Hier werden die Aktien durch starke Gewinnberichte gestützt. Dividenden und Aktienrückkäufe verstärken dies kurzfristig saisonal.
Wie sieht es für die Emerging Markets aus? Könnte es dort kritisch werden, wenn in den USA die Zinsen weiter steigen und Kapital umgeschichtet wird?
Ja, aber wohl nur dann, wenn gleichzeitig der Dollar zur Stärke neigt. Dies wäre für Schwellenländer problematisch, da sie häufig hohe Dollar- Verbindlichkeiten haben. Da wir aktuell keinen längerfristig starken Dollar erwarten, glaube ich, dass der US-Zinsanstieg Richtung 3,5 Prozent noch keine Dynamik entfaltet, die in der Breite zu einer schockartigen Anpassung in den Schwellenländern führt.
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Bildquellen: Martin Leissl/Allianz Global Investors