Euro am Sonntag-Interview

Amundi-Chefvolkswirt: "Keine globale Rezession"

24.01.16 16:00 Uhr

Amundi-Chefvolkswirt: "Keine globale Rezession" | finanzen.net

Didier Borowski, der Chefvolkswirt des französischen Investmenthauses Amundi, über den niedrigen Ölpreis, China-Sorgen und Chancen für Anleger.

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von Jörg Billina, Euro am Sonntag

€uro am Sonntag: Herr Borowski, der Start ins neue Jahr ist misslungen. Viele Börsen sind stark ins Minus gerutscht. Was hat die Talfahrt ausgelöst?
Didier Borowski:
Den entscheidenden Grund für den Abschwung sehe ich im tiefen Ölpreis. Für die exportierenden Staaten wirken sich die niedrigen Notierungen und gesunkenen Exporteinnahmen extrem schmerzhaft aus. Die Länder, die überwiegend den Emerging Markets zuzuordnen sind, leiden zudem unter der Schwäche ihrer Währungen beziehungsweise dem starken US-Dollar.



Wächst die Gefahr einer Finanzkrise in den Schwellenländern?
Definitiv. Schwellenländerwährungen und Ölpreis sind eng miteinander korreliert. Die aktuelle Lage erinnert an die Entwicklungen von 1998. Seinerzeit brachen Währungen und Banken asiatischer Staaten zusammen, kurz darauf folgte auf den Preisrutsch bei Öl auf zehn Dollar die Russland-Krise und einen Monat später der Zusammenbruch des Hedgefonds LTCM.

In den betroffen Ländern ging das Wachstum deutlich zurück.
Richtig. Doch das löste seinerzeit keine globale Wirtschaftskrise aus. Ich bin relativ optimistisch, dass es auch diesmal nicht zu ökonomischen Verwerfungen auf globaler Ebene kommt. Eine Finanzkrise ist hingegen nicht auszuschließen. Allerdings verfügen die Zentralbanken über den Willen und umfangreiche Maßnahmen, um dieser zu begegnen.


Wird der Ölpreis in den kommenden Monaten weiter fallen?
Notierungen bis zu 25 Dollar pro Barrel und tiefer sind nicht auszuschließen. Doch selbst für Saudi-Arabien, das ja bislang die Förderung nicht zurückgefahren hat, um die Schiefergas­konkurrenz in Nordamerika aus dem Markt zu drängen, wird es mittlerweile problematisch. Ich kann mir vorstellen, dass innerhalb der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) eine Einigung auf niedrigere Produktionsmengen erzielt wird, sobald die US-Produktion fällt.

Und dann?
Der Ölpreis wird nicht sofort nach oben gehen. Eine Stabilisierung oberhalb der 40-Dollar-Marke im Lauf des Jahres halte ich aber für möglich.


Mit Sorge verfolgen Anleger die nachlassende Wirtschaftsdynamik in China. Wie sehr kann das die Industriestaaten belasten?
Die Verlangsamung des Wachstums in China ist keine Überraschung, sondern war nach den langen Jahren des starken Aufschwungs unvermeidbar und ist von der Regierung auch gewollt. Der Rückgang zeigt sich vor allem in der Industrie. Der Dienstleistungssektor und der Konsum sind dagegen nicht betroffen. Die Sektoren legen zu, weil Löhne und Gehälter anziehen. Eine globale Rezession wegen China ist nicht zu befürchten.

Welche Strategie empfehlen Sie Anlegern in diesem Jahr?
In den kommenden Wochen sollte die Volatilität generell hoch bleiben. Ab dem zweiten Quartal ergeben sich jedoch gute Kaufgelegenheiten. Aktien der Eurozone werden in diesem Jahr besser als US-Werte abschneiden. Sie sind günstiger, auch das Gewinnwachstum der Unternehmen wird im Schnitt höher ausfallen. Die Schwellenländerbörsen bleiben dagegen unter Druck. Mutige Investoren können ab der zweiten Jahreshälfte erste Positionen bei Ölunternehmen und in Schwellenländern eingehen.

Ist Gold eine attraktive Anlage?
Gold ist nur für Investoren in­teressant, die eine systemische Krise fürchten und sich dagegen schützen wollen.

Kurzvita

Didier Borowski
Seit 2010 ist Borowski Chef­volkswirt der französischen Investmentgesellschaft Amundi. Zuvor arbeitete er unter anderem für Société Générale Asset Management, im ­französischen ­Finanzministerium und für die Europäische Kommission.

Bildquellen: Amundi, Triff / Shutterstock.com