Euro am Sonntag

Immobilienfonds: Heiß begehrt wie nie

28.03.16 03:00 Uhr

Immobilienfonds: Heiß begehrt wie nie | finanzen.net

Großes Interesse der Anleger, hohe Preise und niedrige ­Zinsen setzen die Anbieter von Immobilienfonds unter Druck. Was das bedeutet.

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von Christoph Platt, Euro am Sonntag

Kaum zu glauben, dass es einmal eine Zeit gab, in der Offene Immobilienfonds in Verruf geraten waren. Heute ist davon nichts mehr zu spüren - die Anleger rennen den Anbietern die Türen ein. Unterm Strich flossen der Produktgattung im vergangenen Jahr fast fünf Milliarden Euro zu. Einen solchen Zuspruch gab es seit vielen Jahren nicht mehr.



Eigentlich könnte die Branche frohlocken. Doch eher ist das Gegenteil der Fall: Die hohen Mittelzuflüsse bereiten Kopfzerbrechen. Denn die Gesellschaften haben Schwierigkeiten, ­geeignete Anlageobjekte zu finden. Jahrelange Kapitalzuflüsse haben den Immobilienmarkt aufgebläht. "Besonders europäische Metropolen mit Top-Lagen sind auf einem sehr hohen Preisniveau", sagt Sonja Knorr von der Ratingagentur Scope. Hohe Preise führen entsprechend zu sinkenden Renditen, was die Chefanalystin für Immobilienfonds über alle Märkte hinweg beobachtet.

Das gilt vor allem für jene Gebäude, für die sich Offene Immobilienfonds im Regelfall interessieren: Core-Immobilien. Diese sind gewissermaßen die Crème de la Crème unter den Gewerbe­immobilien, zu denen Bürohäuser, Einkaufszentren, Hotels und Logistikobjekte zählen. Nur Objekte, die in boomenden Großstädten an belebten Orten stehen, neuwertig sind und gleichzeitig voll vermietet, fallen in diese Kategorie. Das Problem: Jeder will sie haben, denn sie gelten als besonders sicher in schlechten Zeiten und als leicht handelbar. Das treibt die Preise himmelwärts.


Viele Fonds sehen sich deshalb nach anderen Objekten um. Dazu zählen etwa Gebäude aus den Kategorien Core-Plus und Value-Add. Zur erstgenannten Gruppe gehören Häuser, bei denen nicht alle Merkmale einer Core-Immobilie erfüllt sind, zum Beispiel ein Bürohaus in Berlin, das zwar neu ist, aber nicht in einer Spitzenlage steht. Die Kategorie Value-Add bezeichnet Bauten, bei denen angepackt werden muss: Die Vermietung ist mäßig, das Bauwerk in die Jahre gekommen. Hier sind Sanierungen oder neue Konzepte erforderlich, ehe das Objekt wieder lukrativ wird.

Selbst vor spekulativen Projektentwicklungen, bei denen die Gebäude erst noch gebaut werden müssen, schrecken einige Fonds nicht mehr zurück. Die Risiken sind dort aber ungleich höher als beim Kauf einer voll vermieteten Immobilie. Zum einen ist offen, ob die Baukosten und der Fertigstellungszeitpunkt wie geplant eingehalten werden können. Zum anderen bestehen Risiken, da die Vermietung noch bevorsteht. "Die Immobilienfonds hoffen, mit den entwickelten Projekten in einen guten Markt mit hoher Nachfrage zu laufen", sagt Knorr. "Kommt es anders, könnte das Gebäude geringere Einnahmen liefern als ­geplant."

Anbieter im Dilemma

Das Problem, Gebäude mit ­einer attraktiven Rendite zu finden, ist aber nicht das einzige. Eine weitere Schwierigkeit betrifft die Liquidität, die je nach Fonds ungefähr 20 bis 25 Prozent des Vermögens ausmacht. Früher sorgte das Bargeld für Stabilität, heute bringt es keine Zinsen mehr. Schlimmer noch: Es kostet seit Kurzem sogar ­Gebühren. Die verschärfte Zinspolitik der Europäischen Zen­tralbank beinhaltet bei diesen Produkten ein Dilemma: Entweder das bei den Sparern eingesammelte Geld wird in teure oder gar überteuerte Immobilien investiert oder es schmilzt infolge der Strafzinsen dahin.


Mehrere Fondsgesellschaften - allen voran Union Investment und Deka, die beiden größten deutschen Immobilienfonds­anbieter - sind deshalb dazu übergegangen, die Zuflüsse der Anleger zu begrenzen. Eine sinnvolle Sache, um die Fondsperformance nicht zu verwässern und sich bei Immobilienkäufen nicht zu sehr unter Druck setzen zu lassen.

Die Deka, Fondstochter der Sparkassen, arbeitet seit 2008 mit einem Kontingentierungssystem. "Ziel dieser Kontingentierung ist die Steuerung der Mittelzuflüsse in die Fonds, um ­Liquiditätsüberhänge und Anlagedruck zu vermeiden", sagt Torsten Knapmeyer, Geschäftsführer Deka Immobilien. Ist das Kontingent eines Jahres erschöpft, werden keine weiteren Anteile mehr ausgegeben.

Während die Deka-Fonds zurzeit (noch) zugänglich sind, sind bei den drei Produkten von Union Investment die Schotten dicht. Feste Jahreskontingente gibt es dort nicht, vielmehr kommt firmenintern ein Ampelsystem zum Einsatz, das ­anzeigt, ob die Ausgabe neuer Anteile ­gebremst oder vollständig gestoppt werden soll - momentan ist Letzteres der Fall. Wann die Fonds wieder über die Gesellschaft bezogen werden können, ist offen.

Suche nach Anlageobjekten

Bei den grundbesitz-Fonds der Deutschen Bank sind zwei der drei Produkte geöffnet: das globale und das europäische Portfolio. Der grundbesitz Fokus Deutschland nimmt hingegen - mit Ausnahme bereits bestehender Sparpläne - keine Kundengelder an. Der erst 2014 aufgelegte Fonds ist momentan damit beschäftigt, sein Vermögen von immerhin 414 Millionen Euro in Immobilien zu investieren. Bislang steckt erst ein Viertel des Geldes in Gebäuden.

Der hausinvest von Commerz Real musste bislang noch nie neues Kundengeld ablehnen. "Wenn jedoch ein anhaltend ­hoher Nettomittelzufluss bei gleichzeitig eingeschränkten Anlagemöglichkeiten die Performance des Fonds absehbar belasten würde, werden wir die temporäre Aussetzung der Anteilscheinausgabe in Erwägung ziehen", sagt Fondsmanager ­Mario Schüttauf.

Mit sogenannten Cash Calls arbeiten der Wertgrund WohnSelect D und der Leading Cities Invest. Diese Fonds werden nur dann für neue Anleger geöffnet, wenn der Kauf geeigneter Immobilien bevorsteht. Während der Wertgrund-Fonds gerade eine solche Phase hinter sich hat und vorerst keine weiteren Anteile ausgibt, startete am Dienstag ein Cash Call für den Leading Cities Invest.

Fehlende Alternativen

Der Grund für den Ansturm der Anleger auf die Produkte ist klar: Auf dem Sparbuch vermehrt sich das Vermögen nicht mehr und auch viele Anleihen verheißen - wenn überhaupt - nur minimale Renditen. Aktien erscheinen sicherheitsorientierten Anlegern ungeeignet. Was bleibt, sind Immobilien.

Reich wird man mit Offenen Immobilienfonds allerdings nicht. Guten Produkten gelingt eine Rendite von rund 2,5 bis drei Prozent pro Jahr. Dafür schwanken die Anteilswerte der Fonds auch nur minimal. Gleichwohl sind Verluste nicht ausgeschlossen: Abwertungen von Gebäuden können den Anteilswert belasten. Auch kann nicht garantiert werden, dass Offene Immobilienfonds nie wieder aufgrund von Liquiditätsengpässen dichtmachen müssen -so wie zwischen 2008 und 2010 bereits geschehen.

Erhöhte Stabilität

Dieses Szenario ist allerdings deutlich unwahrscheinlicher geworden als früher. Seit Juli 2013 gelten für die Produkte neue Regeln. Neu gekaufte Anteile müssen mindestens zwei Jahre gehalten werden. Hinzu kommt eine einjährige Kündigungsfrist. "Damit sind Offene Immobilienfonds das am stärksten liquiditätsregulierte Fonds­produkt", sagt Oliver Weinrich von Drescher & Cie Immo Consult.

Einig sind sich die Experten, dass die strengen Vorgaben zum Verkauf von Anteilen Offener ­ Immobilienfonds von Vorteil sind. "Das neue Gesetz hat die Produkte deutlich stabiler und krisenfester gemacht", sagt Weinrich. Die Anbieter sind nun vor überraschenden Mittelabflüssen geschützt: Selbst im schlimmsten Fall - eine große Zahl von Anlegern entscheidet sich nahezu gleichzeitig für die Rückgabe ihrer Anteile - bleiben einer Fondsgesellschaft zwölf Monate, um das nötige ­Kapital zu beschaffen.

Einzig eine Ausnahmeregelung ist momentan noch ein Unsicherheitsfaktor. Anleger, die bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Regeln Anteile eines Offenen Immobilienfonds besessen haben, dürfen bis zu 30.000 Euro pro Kalenderhalbjahr zurückgeben, ohne an eine Kündigungsfrist gebunden zu sein. Je nach Produkt reicht der Anteil dieser privilegierten Altanleger bis an 90 Prozent heran. Immerhin wird dieser Unsicherheitsfaktor im Lauf der Zeit immer kleiner. "Die zuletzt hohen Mittelzuflüsse tragen dazu bei, dass das Altanlegerrisiko beständig sinkt", sagt Scope-Analystin Knorr.

Unbeeindruckte Investoren

Vor überraschenden Verkaufswünschen gefeit sind bislang nur Produkte, die nach dem Inkrafttreten der neuen Regeln aufgelegt wurden. Dazu zählen der Leading Cities Invest, der grundbesitz Fokus Deutschland und der Fokus Wohnen Deutschland. Sie haben aber den Nachteil, dass sie ihr Portfolio in einer Zeit hoher Immobilienpreise aufbauen müssen.

Die Investoren dürften sich von derartigen Herausforderungen auch 2016 unbeeindruckt zeigen und den Anbietern weiterhin viel Geld zuspielen. Der Januar - der einzige Monat, für den 2016 die Zahlen bereits vorliegen - spricht jedenfalls eine deutliche Sprache: 787 Millionen Euro flossen Offenen Immobilienfonds in diesem Monat zu. Geht das so weiter, werden die fünf Milliarden Euro aus dem Vorjahr bis Dezember spielend übertroffen werden.

Für Privatanleger verfügbare offene Immobilienfonds in Deutschland (pdf)

Investor-Info

Mittelzuflüsse 2015
Enormes Interesse

Insgesamt fast fünf Milliarden Euro sind ­Offenen Immobilienfonds im vergangenen Jahr unterm Strich zugeflossen. Die Tabelle zeigt alle Produkte, die mehr als 100 Millionen Euro hinzugewinnen konnten. Spitzenreiter ist der grundbesitz europa mit einem Nettomittelzufluss von knapp 740 Millionen Euro. Dick im Geschäft ist auch Union Investment: Ihre Immobilienfonds sammelten mehr als zwei Milliarden Euro ein.

Fonds Mittelaufkommen 2015 in Mio. €
Deka-Immobilien Europa 544
Deka-Immobilien Global 307
grundbesitz europa 738
grundbesitz Fokus Deutschland 251
hausInvest 626
UniImmo: Deutschland 716
UniImmo: Europa 719
UniImmo: Global 581
WestInvest InterSelect 314
Quelle: Scope

UniImmo: Deutschland
Fokus auf die Heimat

Von den Ratingagenturen Scope und Feri ­erhält der UniImmo: Deutschland regelmäßig Bestnoten. Vollständig vermietete Gebäude, geringe Verschuldung und ausgewogene ­Verteilung bei den Nutzungsarten der ­Immobilien sind Pluspunkte. Zurzeit werden allerdings keine neuen Anteile ausgegeben, ­Anleger müssen über die Börse einsteigen.

Grundbesitz Europa
Schwerpunkt Büros

Der grundbesitz europa kämpft regelmäßig mit dem UniImmo: Deutschland um den ­Spitzenrang bei den Agenturen. Langfristige Mietverträge, hohe Objekt- und Standortqualität sind positiv. Bürogebäude überwiegen, der Anteil von Handelsimmobilien wächst.

Deka-Immobilien Global
Weltweit unterwegs

Anleger, die sich nicht nur auf Europa be­schränken wollen, finden im Deka-Immobilien ­Global einen guten Fonds. Mehr als die Hälfte der Gebäude befindet sich in Amerika und der Region Asien-Pazifik. Neben der breiten ­regionalen Streuung überzeugt der Fonds mit einer hohen Vermietungsquote und einer im Vergleich zu den anderen Schwergewichten der Branche niedrigen Liquiditätsquote.

Leading Cities Invest
Ambitionierter Newcomer

Noch ist der Leading Cities Invest von KanAm relativ klein. Setzt er seine gute Leistung fort, dürfte sich das aber ändern. Ein weiterer Pluspunkt: In dem jungen Fonds befinden sich keine Altanleger mit privilegierten ­Ausstiegsmöglichkeiten. Im Fokus stehen ­Gewerbeimmobilien in aussichtsreichen ­Städten Europas. Momentan sammelt der Fonds frisches Geld für ein neues Objekt ein.

Fonds in Abwicklung
Hohe Abschläge

Bei den größten Offenen Immobilienfonds in Abwicklung hat sich ein halbwegs reger Börsenhandel entwickelt. Die Kurse liegen ­allerdings etwa 25 Prozent unterhalb des offiziellen Anteilswerts. Mutige Anleger können darauf setzen, dass dieser Abschlag übertrieben ist und steigen ein. Zahlt der Fonds im Lauf der Zeit mehr aus als der Einstiegskurs, ergibt sich ein Gewinn. Das Diagramm zeigt, wie sich die Kurse der drei liquidesten Immobilienfonds zuzüglich etwaiger Ausschüttungen seit Anfang 2015 entwickelt haben.

Bildquellen: Istockphoto, Dusit / Shutterstock.com