Euro am Sonntag-Ausland

Emerging Markets: Warum der Einstieg noch riskant ist

15.08.18 01:00 Uhr

Emerging Markets: Warum der Einstieg noch riskant ist | finanzen.net

Handelsspannungen und starker Dollar drücken auf die Kurse in den Emerging Markets wie Indien. Noch, denn ein Ende der Baisse rückt näher.

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von Jörg Billina, Euro am Sonntag

Die Straßen in Alt-Delhi rund um den historischen Marktplatz Chandni Chowk sind eng. Menschen drängen sich an herabhängenden Stromkabeln vorbei. Nichts, was es nicht gibt: Gewürze, Perlen, Goldschmuck, Textilien, Bücher, Sonnenbrillen, Lampen, Handys. Die Nachfrage ist groß, Käufer und Händler sind in guter Stimmung. Der Genesis India Consumer Index stieg im Juli auf die neue Rekordmarke von 62,4 Punkten. Jeder Wert über 50 sig­nalisiert, dass die Verbraucher positiv in die Zukunft blicken. Jüngste Wachstums­prognosen geben dazu allen Grund. Der Internationale Währungsfonds traut Indiens Wirtschaft in diesem Jahr ein Plus um 7,3 Prozent zu, im Jahr 2019 kann das Bruttoinlandsprodukt um 7,5 Prozent steigen.



Dynamik und Optimismus zeigen sich auch am Aktienmarkt. In den ersten sechs Monaten des Jahres haben sich 90 Unternehmen neu an der Börse in der Dalal Street in Mumbai listen lassen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ­ ist das ein Plus um 27 Prozent. Über 4.000 Unternehmen sind mittlerweile gelistet. Anfang dieser Woche kletterten zudem die beiden indischen Leitindizes BSE Sensex und NSE Nifty auf neue Allzeithochs. Getrieben werden die Kurse von indischen Privatanlegern und zahlreichen Pensionsfonds. Seit Januar steckten lokale Anleger laut der Investmentbank Goldman Sachs elf Milliarden Dollar in indische Titel.

Trotz der guten Perspektiven des Subkontinents sowie vieler aussichtsreicher und gut gemanagter Unternehmen: Ausländische Investoren nehmen Gewinne mit. Seit Jahresanfang haben sie rund 500 Millionen Dollar deinvestiert. Dass indische Aktien trotzdem stark ­zulegten, beweist die Reife, die der indische Aktienmarkt mittlerweile entwickelt hat. Vor zehn Jahren, zum Höhepunkt der Finanzkrise, drückte der Rückzug ausländischer Investoren den BSE Sensex noch um 27 Prozent nach unten. Die Robustheit reicht ausländischen Investoren aber nicht aus, um engagiert zu bleiben.


Noch skeptischer beurteilen sie die Aussichten in anderen Schwellenländern. Seit April zogen ausländische Investoren acht Milliarden Dollar aus Emerging-Markets-Aktien ab. Zu den Verlierern zählt Südkorea. Der Kospi-­Leitindex liegt seit Jahresanfang acht Prozent zurück. Die Märkte Indonesien und Philippinen verloren jeweils 20 Prozent. Und chinesische Aktien, die in Shanghai notieren, weisen ein Minus von 18 Prozent auf. Am stärksten fielen die Kurse an der Börse in Istanbul. Der türkische Leitindex ISE 100 notiert 37 Prozent tiefer als zu Jahresanfang. Das US-Börsenbarometer S & P 500 legte dagegen um sechs Prozent zu.

Große Abhängigkeiten

Verantwortlich für den heftigen Gegenwind, dem viele Börsen der Schwellenländer bislang ausgesetzt waren, sind vor allem die Handelsspannungen zwischen den USA und China. Sie drohen das Wachstum im Reich der Mitte, das im MSCI Emerging Markets mit 31 Prozent gewichtet ist, zu dämpfen. Seit Juli sind US-Zölle in Höhe von 25 Prozent auf chinesische Waren im Wert von 34 Milliarden Dollar in Kraft.



Noch sind die ökonomischen Folgen nicht zu spüren. Im zweiten Quartal legte die wirtschaftliche Leistung Chinas um 6,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu. US-Präsident Donald Trump droht aber, die Handelssanktionen auf Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar auszuweiten. Sollte Washington die Strafzölle erheben, wird es Chinas Regierung nicht schaffen, das angepeilte Wachstumsziel für 2019 von 6,5 Prozent zu erreichen.

Die jüngsten Zahlen befeuern die Sorgen der Anleger. Das US-Handelsdefizit mit China stieg vorigen Monat auf den Rekordstand von 29 Milliarden Dollar. Selbst Trump dürfte es schwerfallen, seiner bisherigen aggressiven Rhetorik gar keine Taten folgen zu lassen. Zumal ja der Yuan deutlich niedriger gegenüber dem Dollar notiert und Trump dies als Beleg für eine Währungsmanipulation Pekings interpretiert.

Verlangsamt sich jedoch der Aufschwung im Reich der Mitte, hat dies weitreichende Konsequenzen für die Nachbarländer. Diese treiben regen Handel mit Peking. 25 Prozent von Südkoreas Exporten und 14 Prozent der ­indonesischen werden von China abgenommen. Zudem dienen Thailand und die Philippinen chinesischen Unternehmen als verlängerte Werkbank. Werden Produktionsstätten geschlossen, wirkt sich das negativ auf das Wachstum der Länder aus.

Aus einem weiteren Grund kehren ausländische Investoren Schwellenländern den Rücken. In den USA boomt die Wirtschaft, die Zinsen steigen und der Greenback tendiert gegenüber Schwellenländerwährungen deutlich stärker. Das macht Investments in Dollar-Anlagen interessant. Für Unternehmen in Schwellenländern dagegen ist dies keine gute Entwicklung. Sie müssen auf Dollar lautende Kredite bedienen. Höhere Kosten für die Schulden gehen jedoch zulasten des Cashflows und des Gewinns. Insbesondere in der Türkei sind Unternehmen in Dollar verschuldet. Auch in Argentinien, Mexiko und Brasilien haben Firmen Dollar-Verbindlichkeiten angehäuft.

Ein Ende der Zinserhöhungen in den USA ist bislang nicht in Sicht, die Handelsspannungen werden nicht weniger. Hält die Talfahrt der Schwellenländer also an? "Ein großer Teil ist in den Kursen schon eingepreist", sagt Carlos von Hardenberg. Doch der Schwellenländer­experte und Partner der Investment­gesellschaft Mobius Capital Partners warnt davor, sich schon jetzt stark zu engagieren. "Die Bewertungen sind mittlerweile günstig und weisen ­einen deutlichen Abschlag gegenüber Aktien aus den Industriestaaten auf. Weitere Korrekturen von bis zu zehn Prozent sind aber nicht auszuschließen."

Steigendes IT-Gewicht

Erste Positionen könne man jedoch schon aufbauen. Die langfristige Kurs­fantasie für Schwellenländer ist nach seiner Meinung intakt. Viele Emerging Markets erzielten weiter hohe Wachstumsraten und verfügten über eine günstige Demografie. "Zudem stehen Unternehmen in den Schwellenländern heute viel mehr als noch vor 20 Jahren für Innovation." Tatsächlich sind im MSCI Emerging Markets inzwischen IT-Werte mit 40 Prozent gewichtet. Dies diversifiziere nicht nur die Volkswirtschaften dieser Länder, sondern auch die Chancen, die sich für Anleger eröffneten, sagt von Hardenberg. Ein weiterer Punkt kommt hinzu: Dank einer ­modernisierten Infrastruktur falle es den Unternehmen leichter, ambitionierte Wachstumspläne umzusetzen, argumentiert der Experte.

Im Zuge der Modernisierung werden wohl auch die Stromkabel rund um den Markt Chandni Chowk bald der Vergangenheit angehören. Die Stadtverwaltung in Alt-Delhi hatte bereits vor dem ASEAN-Gipfel Anfang des Jahres eine Verschönerungsoffensive angeordnet. So mancher Stromknoten lässt sich jedoch nur schwer entwirren.

Investor-Info

JP Morgan EM Small Cap
Konsum und IT

Amit Metha investiert in Small und Mid Caps. Diese sind in der Regel auf den Binnenmarkt konzentriert und weniger von Nachfragerückgängen aus dem Ausland betroffen als Large Caps. Konsumtitel sind mit 26 Prozent, IT-Werte mit knapp 15 Prozent im Fonds gewichtet. 15 Prozent der Mittel sind in chinesischen Aktien, 14 Prozent in Indien investiert.

Comstage MSCI EM ETF
Breit gestreutes Portfolio

Der Exchange Traded Fund bildet die Wert­entwicklung des MSCI Emerging Markets ab. Der Index enthält über 800 Unternehmen aus 24 Schwellenländern. 67 Prozent der Mittel sind auf Unternehmen aus Asien verteilt, der Rest entfällt auf den Mittleren Osten und ­Afrika sowie auf Lateinamerika. Mutige ­Anleger nutzen weitere Korrekturen zum ­Engagement. Gutes Basisinvestment.




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Bildquellen: fotoscool / Shutterstock.com, Pincasso / Shutterstock.com

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