Interview Exklusiv

Fondsmanager: "Dividende ist ein Zukunftsversprechen"

28.03.14 15:00 Uhr

Jörg de Vries-Hippen, Europa-Aktienchef von Allianz Global Investors, über attraktive Titel, die richtige Dividendenrendite und stolze Europäer.

von Ralf Ferken, Euro am Sonntag

Jörg de Vries-Hippen ist einer der einflussreichsten deutschen Fondsmanager. Seit vier Jahren leitet er das europäische Aktienteam bei Allianz Global Investors, der Fondstochter des Allianz-Konzerns. Zudem managt er einen europäischen Dividendenfonds, in den Anleger über eine Milliarde Euro investiert haben (siehe Investor-Info). €uro am Sonntag traf ihn in München zum Gespräch.

€uro am Sonntag: Herr de Vries-Hippen, die Aktienkurse steigen seit fünf Jahren. Ist der Markt inzwischen teuer?
Jörg de Vries-Hippen:
Qualitätsaktien müssten eigentlich teuer sein. Aber wir finden in Europa weiterhin viele hochwertige Dividendenwerte. Dies signalisiert uns, dass der Markt preiswert ist.

Irritiert Sie der steile Kursanstieg der vergangenen Jahre gar nicht?
Man muss dies richtig einordnen. Der Kursrückschlag im März 2009 war sehr extrem. Jetzt erleben wir eine Rückkehr zur Normalität, das ist selbst nach den jüngsten Kurs­gewinnen noch so. Zudem sind die Unternehmen effizienter geworden und verdienen ihre Kapitalkosten. Daher hat der Markt noch Potenzial. Das gilt besonders für Europa.

Inwiefern?
Europäische Aktien sind attraktiver bewertet als US-Titel.

Was ist mit der Krise in Südeuropa? Ist sie schon beendet?
Beendet noch nicht, aber auf einem guten Weg. Die sogenannten Peripherieländer machen ihre Haus­aufgaben. Wir können als Europäer stolz darauf sein, wie Griechenland, Irland, Portugal oder Spanien die Krise anpacken. Ich habe Hochachtung vor den regierenden Politikern dieser Länder, obwohl ihre Politik unpopulär ist und ihre Umfragewerte leiden.

Ein erneutes Aufflammen der dortigen Krise ist unwahrscheinlich?
Aus meiner Sicht ja. Solange von außen kein wirtschaftlicher Schock kommt.

Wie bewerten Sie die Lage in Italien? Das Land hat in Matteo Renzi einen neuen Regierungschef.
Es wäre bereits fantastisch, wenn Ministerpräsident Renzi nur einen Teil seiner Arbeitsmarkt- und Steuer­pläne umsetzen könnte. Aber die italienische Politik ist - wie überall - schwer einzuschätzen. Wir sind ­besser darin, Unternehmen zu analysieren.

Also gut. Wie attraktiv sind Ihrer Einschätzung nach Aktien aus ­Italien und Spanien?
Italien und Spanien haben keinen so tiefen Aktienmarkt wie Deutschland oder Großbritannien. Deshalb finden wir dort weniger Titel. In beiden Ländern dominieren zudem Banken, deren Restrukturierung inzwischen aber vorankommt.

Mögen Sie Banken? Dort kommen immer mehr Skandale ans Licht.
Mich wundern die laxen Kontrollen, die bei vielen Banken geherrscht haben. Einiges, was sie gemacht haben, war zwar legal, aber heute würden sie anders agieren.

Kaufen Sie Aktien von Banken für Ihren Dividendenfonds?
Ich halte im Portfolio gern einen guten Mix. Darunter sind stabile Unternehmen, aber auch solche, die gestärkt aus einer Krise zurückkommen. Anders gesagt: Wir kaufen nicht nur die offensichtlichen Dividendenzahler, sondern auch solche Unternehmen, die ihre Ausschüttung unerwartet erhöhen können.

Was bedeutet das bei Banktiteln konkret?
Wir beobachten zum Beispiel französische Banken. Falls sie den europäischen Bankentest bestehen, halten sie zu viel Kapital. Dann wäre es gut denkbar, dass sie ihre Dividende erhöhen.

Fallen weitere Werte in diese ­Kategorie "Überraschung"?
Auch einige Ölwerte erhöhen unerwartet ihre Dividenden, da sie weniger als geplant in neue Förderanlagen investieren.

Kaufen Sie eigentlich immer die ­Titel mit den höchsten Ausschüttungsrenditen?
Nein. Wir achten darauf, dass die ­Dividendenrendite um 25 Prozent über dem Marktdurchschnitt liegt.

Was spricht dagegen, die Aktien mit den höchsten Dividendenrenditen zu kaufen?
Diese Unternehmen stagnieren oft nur noch. Dies gilt dann auch für ihren Aktienkurs.

Dividenden-ETFs nutzen feste ­Regeln, um passende Werte zu finden. Was halten Sie davon?
Quantitative Ansätze schauen nur zurück. Die Dividende ist aber ein Versprechen auf die Zukunft. Dies kann ein Modell nicht erfassen.

Sie kennen die Zukunft?
Nein. Aber wir denken weiter nach vorn. Wir fragen uns immer: Welche Unternehmen können aus ihrem Cashflow langfristig die Dividende zahlen? Ich bin überzeugt, dass die Aktien in meinem Portfolio auch noch in zehn Jahren existieren werden.

Warum ist die Ausschüttung eigentlich so wichtig? Viele Anleger investieren sie gleich wieder in die Aktie.
Ich möchte schon, dass die Unternehmen ihre Dividende auszahlen. Sie legen dann jede Entscheidung auf die Goldwaage, damit die Dividende zur Verfügung steht.

Und falls sie die Dividende doch kürzen müssen?
Dann bricht der Aktienkurs massiv ein. Das wollen die Unternehmen vermeiden. Die Dividende ist also ein Signal der Stärke und diszipliniert die Unternehmen, kein Geld für sinnlos teure Projekte oder Übernahmen auszugeben. 

Investor-Info

Allianz European Dividend
Europäische Dividenden (1)

Gemach, gemach. Jörg de Vries-Hippen weiß, dass er einen konservativen Aktienfonds managt. Die täglichen Nachrichten verfolgt er deshalb zwar, doch sie beeinflussen ihn kaum. "Ich will nicht sofort 30 Prozent verdienen, sondern 30 Prozent und mehr nach zehn Jahren", erläutert der Europa-Aktienchef von Allianz Global Investors. Aktuell bieten die 43 Titel in seinem Fondsportfolio eine durchschnittliche Dividendenrendite von 4,4 Prozent. Das Produkt ist ideal für Einsteiger in Aktien.

BGF European Equity Income
Europäische Dividenden (2)

Fast alle Europa-Fonds von BlackRock Global Funds (BGF) überzeugen derzeit. Dazu zählt auch der Dividendenfonds BGF European Equity Income. Die beiden Fondsmanager Alice Gaskell und Andreas Zöllinger mögen unterbewertete Aktien, die stabile Gewinne erzielen und ihre Dividende erhöhen können. Meist halten Gaskell und Zöllinger 40 bis 70 Titel, derzeit sind es 42. Im Schnitt bieten diese eine Dividendenrendite, die mindestens zehn Prozent über dem Niveau des Index MSCI Europe liegt. Dessen ­Dividendenlevel beträgt aktuell rund 3,5 Prozent.