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Von der Währungs- zur Fiskalunion

03.06.15 10:00 Uhr

Von der Währungs- zur Fiskalunion | finanzen.net

Der Euro ist beliebt, doch die Stabilitätsregeln bleiben umstritten. Eine Fiskalunion könnte helfen, die politischen Spannungen zu beseitigen.

Mit dem Versprechen, die Sparpläne außer Kraft zu setzen, gewann Alexis Tsipras Anfang 2015 die Wahl in Griechenland. Gleichzeitig begann damit der Konflikt der neuen griechischen Regierung mit den Gläubigern. Ohne Sparmaßnahmen kein Euro, lautet die einfache Botschaft für Athens Regierung. Und dies sorgte in der Bevölkerung für einen Meinungswandel. Eine im April 2015 von der Zeitung "To Vima" veröffentlichte Umfrage zeigt, dass die Mehrheit in Griechenland eine Einigung mit den Gläubigern will.1

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Zudem ergab eine im Mai 2015 von der University of Macedonia durchgeführte Umfrage, dass 66,5 Prozent der griechischen Bevölkerung den Euro behalten wollen.2 Nur 27 Prozent fordern demnach die Rückkehr zur Drachme. Auch in der Eurozone insgesamt genießt die gemeinsame Währung breite Zustimmung. Laut einer im November 2014 durchgeführten Umfrage der Europäischen Kommission wollen 67 Prozent der Menschen innerhalb der Eurozone den Euro.3

Paradoxe politische Situation

Die Mischung aus Zustimmung für den Euro und Ablehnung von wirtschaftlichen Anpassungsprozessen führte in vielen Euro-Mitgliedsländern zu einer politisch paradoxen Situation. EU-kritische Parteien gewinnen an Gewicht. Erhalten sie einen Regierungsauftrag, dürfen sie aber den Euro und damit die Sparmaßnahmen nicht in Frage stellen. Zu frisch ist bei vielen Menschen in Italien, Spanien, Portugal und Griechenland noch die Erinnerung an die schwachen nationalen Währungen.

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Die Lohn-Preis-Spirale, gepaart mit einer Finanzierung der Budgetdefizite der öffentlichen Hand über die Notenpresse, führte damals zu hoher Inflation. Die Wirtschaft büßte an Wettbewerbsfähigkeit ein. Zur Wiedererlangung der Konkurrenzfähigkeit mussten die schwächeren Länder ihre Währung häufig abwerten, was wiederum die Inflation kräftig anheizte. Der Preis für eine schmerzlose Anpassung über Abwertung waren Kaufkraftverluste, die zu neuen Lohnforderungen, zu Streiks und zu politischen Protesten führten.

Das Ja zum Euro dürfte die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) freuen. Dass EU-kritische Parteien an Gewicht gewinnen, kann ihnen allerdings nicht recht sein. Es fehlen Ausgleichmechanismen wie in den USA. Dort werden Menschen in einer Region arbeitslos und wandern dann in diejenige, in der es mehr Arbeit gibt. Im Euroraum sorgen Sprachbarrieren dafür, dass die Mobilität zwischen den Mitgliedsländern gering ist. Damit ist die Eurozone kein optimaler Währungsraum. In schwächeren Regionen kommt es deshalb zu einem längerfristigen Anstieg der Arbeitslosigkeit, zu Lohndruck und zu politischer Unzufriedenheit.

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Gleichzeitig sorgt der Wachstums- und Stabilitätspakt dafür, dass die Regierungen der schwachen Euro-Mitgliedsländer sparen müssen. Das erhöht das Tempo des Anpassungsprozesses auf dem Arbeitsmarkt, ist jedoch für die Bevölkerung schmerzhaft. Eine gemeinsame Sozial- und Fiskalpolitik würde die Möglichkeit schaffen, wirtschaftliche Schocks in einem Land durch eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung sozial abzumildern, den Konvergenzprozess über Investitionen aus einem EU-Geldtopf voranzutreiben und damit die Eurozone politisch zu stabilisieren.

Blaupause Wiedervereinigung

Die Wiedervereinigung Deutschlands könnte eine Blaupause für die Eurozone sein. Ab 1991 finanzierte die deutsche Regierung über Steuern, die Sozialkassen und den Länderfinanzausgleich das große Leistungsbilanzdefizit Ostdeutschlands. Die neu entstandene Fiskalunion ermöglichte einen großen Kapitalexport von West nach Ost. Die ostdeutschen Länder konnten damit ihren Kapitalstock aufbauen und gleichzeitig ihre Schuldenlast gering halten.

Das Konjunkturprogramm von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigt in diese Richtung. Mit dem Programm in Höhe von 315 Milliarden Euro sollen bis 2017 private Investitionen gefördert werden. Finanziert wird das Programm durch EU-Mittel in Höhe von 16 Milliarden Euro und durch weitere fünf Milliarden Euro von der Europäischen Investitionsbank. Durch Bürgschaften erhofft sich Brüssel einen 15-fachen Multiplikatoreffekt (ein Euro an Eigenmitteln führt zu einer Investition von 15 Euro). Das Investitionsprogramm in Kombination mit Bürgschaften enthält gemeinsame Haftungselemente für die EU-Länder und weist damit in Richtung Fiskalunion.

Mit Transfermechanismen, beispielsweise einer europäischen Einkommenssteuer und Arbeitslosenversicherung, könnten Konvergenzmaßnahmen und Strukturreformen finanziert und systemische Krisen reduziert werden. Allerdings müssen die Euroländer Eingriffsrechte erhalten, um Moral Hazard, also Missbräuche wie die Finanzierung von nationalen Ausgaben durch die EU, zu verhindern.

Beliebte Einheitswährung

In einer im Herbst 2014 durchgeführten Umfrage erklärte die Mehrheit der Bevölkerung in den Euroländern die Zustimmung zum Euro. Insgesamt lag die Zustimmungsquote bei 67 Prozent. In den Krisenländern ist die Zustimmung tendenziell niedriger, liegt aber immer noch über 50 Prozent.

1 Quelle: Die Welt: Die Mehrheit der Griechen will Einigung mit Gläubigern. 26.04.2015
2 Quelle: FAZ: Umfrage - Mehrheit der Griechen auch bei neuen Sparzielen für den Euro. Hrsg.: dpa-AFX; 05.05.2015
3 Quelle: Standard Eurobarometer 82: Public Opinion in the European Union. Hrsg: Europäische Kommission; Herbst 2014

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Deutsche Asset & Wealth Management

Mit 923 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen (Stand 31. Dezember 2013) ist Deutsche Asset & Wealth Management¹ einer der führenden Vermögensverwalter weltweit. Deutsche Asset & Wealth Management bietet Privatanlegern und Institutionen weltweit eine breite Palette an traditionellen und alternativen Investmentlösungen über alle Anlageklassen. Deutsche Asset & Wealth Management steht zudem für maßgeschneiderte Wealth Management-Lösungen und eine ganzheitliche Betreuung wohlhabender Privatanleger und Family Offices.

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Mit 160 Milliarden Euro betreutem Kundenvermögen ist DWS Investments im Publikumsfondsgeschäft Marktführer in Deutschland*. 1956 gegründet, ist DWS Investments heute integraler Bestandteil der Deutschen Asset & Wealth Management, die weltweit fast eine Billion Euro** treuhänderisch für ihre Kunden verwaltet und eine der vier strategischen Säulen der Deutschen Bank ist.

Als aktiver Vermögensverwalter ermöglicht die DWS Kunden den Zugang zu einer umfassenden Palette an Anlageprodukten. Mehr als 500 Research- und Investment-Experten weltweit identifizieren Markttrends und setzen diese zum Nutzen unserer Anleger um. Führende Positionen in Rankings unabhängiger Ratingagenturen und Auszeichnungen belegen unseren Erfolg, die überdurchschnittliche Performance der DWS-Produkte und den herausragenden Service.
*Quelle: BVI, Stand 31. Mai 2013, inkl. DB-Produkte

**Stand: 30. Juni 2013

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*Quelle: BVI, Stand 31. Mai 2013, inkl. DB-Produkte

**Stand: 30. Juni 2013