ETFs

Der Boom bei Anleihe-ETFs hat gerade erst begonnen

07.03.13 11:03 Uhr

Börsennotierte Indexfonds auf Anleihen haben ein Rekordjahr hinter sich.

Autor: Peter Scharl, Leiter institutioneller Vertrieb iShares in Deutschland



Börsennotierte Indexfonds auf Anleihen haben ein Rekordjahr hinter sich: 70 Milliarden Dollar frisches Kapital legten Investoren 2012 weltweit in entsprechenden ETFs an – so viel wie nie zuvor innerhalb eines Jahres. Damit entfielen 27 Prozent des gesamten Nettomittelzuflusses der ETF-Branche 2012 auf Anleiheprodukte. Im Zuge dessen ist das verwaltete Vermögen von Anleihe-ETFs von Ende 2011 bis Ende 2012 um 31 Prozent auf 339 Milliarden Dollar gestiegen. Diese Zahlen zeigen: Anleger nutzen ETFs keineswegs mehr ausschließlich für Aktieninvestments – ein Trend, der unabhängig vom Marktumfeld bestehen bleiben dürfte.

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Wachsendes Angebot ermöglicht immer besseren Marktzugang

Das liegt zum einen daran, dass die Anbieter die Palette an Anleihe-ETFs in den vergangenen Jahren erweitert haben. Erst dadurch haben Sie Investoren den einfachen, transparenten und flexiblen Weg, mit ETFs zu investieren, auch in Bezug auf den Anleihemarkt ermöglicht. Beispielsweise waren ETFs auf Unternehmensanleihen 2009 in Europa noch eine Seltenheit. Inzwischen können Investoren dort aus mehr als 30 entsprechenden Fonds wählen. Und gerade diese häufig noch recht neuen Produkte haben 2012 einen Großteil der Zuflüsse verbucht. Das zeigt, dass die Anbieter den Bedarf der Investoren erkannt haben.

Weltweit können Investoren mittlerweile zwischen mehr als 700 Anleihe-ETFs wählen, in Europa sind es etwa 300. Dabei decken die Fonds inzwischen ein breites Spektrum des Marktes ab – von klassischen Staatsanleihen über Unternehmenspapiere bis hin zu Emerging-Market-Bonds, vom globalen Markt bis hin zu einzelnen Regionen oder Bonitätssegmenten, auf Wunsch beschränkt auf bestimmte Branchen oder mit Absicherung gegen das Zinsrisiko.

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Trotz dieses breit gefächerten Angebotes gelingt es den ETF-Gesellschaften nach wie vor, Lücken zu schließen und die Produktvielfalt somit sinnvoll zu erweitern. Beispielsweise steht Investoren erst seit wenigen Wochen ein börsennotierter Indexfonds zur Verfügung, der in einem einzigen Produkt Zugang zum weltweiten Markt für Hochzins-Unternehmensanleihen bietet.

Zum anderen waren die enormen Zuflüsse in Anleihe-ETFs 2012 sicherlich getrieben von der außergewöhnlich guten Wertentwicklung des Anleihemarktes: Wer sich bei der Zusammenstellung seines globalen Portfolios aus Staats- und Unternehmensanleihen an gängigen Marktindizes orientiert hat, hat es im Schnitt auf rund vier Prozent Rendite gebracht. Diese Rallye wurde zu einem Großteil von Investoren getrieben, die auf der Suche nach Alternativen zu niedrig verzinsten Staatsanleihen waren, aber nicht in Aktien investieren wollten.

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Wer angesichts der sehr guten Performance des Anleihemarktes 2012 für dieses Jahr auf ähnliche Renditen hofft, könnte enttäuscht werden. Denn die Renditen dürften deutlich niedriger ausfallen. Wir erwarten, dass die gängigen Marktindizes ein bis zwei Prozent Ertrag bringen werden.

Potenzial von Staatsanleihen weitgehend ausgereizt

Ein wichtiger Grund für diese Prognose ist, dass die Rally von Staatsanleihen aus Kerneuropa und den USA, die als sicherer Hafen gelten, vorbei sein dürfte. Denn angesichts besserer globaler Konjunkturdaten steigt die Bereitschaft der Investoren, höhere Risiken einzugehen, um vermehrt Chancen wahrzunehmen.

Es erscheint uns auch wenig aussichtsreich, die Zinsrisiken dieser Papiere zu nutzen. Denn dass die Zinsen weiter fallen werden, ist unwahrscheinlich, weil sie bereits historisch tief liegen. Mit einem Zinsanstieg ist auf absehbare Zeit aber auch nicht zu rechnen: Die US-Notenbank Fed hat angekündigt, die Raten voraussichtlich bis 2015 niedrig zu halten – obwohl sich die Lage am US-Immobilienmarkt und das wirtschaftliche Umfeld entspannen.

Zum Stil der EZB gehört es nicht, Zeithorizonte für ihre Politik bekanntzugeben. Vergleicht man aber die Probleme der beiden Volkswirtschaften, ist die USA dem Ende der Krise näher als Europa. Daher könnte Europa die sehr expansive Geldpolitik als Gegengewicht zur restriktiveren Fiskalpolitik eher länger beibehalten.

Die weiterhin nötige Konsolidierung europäischer Staaten, Banken und Haushalte macht ein dauerhaftes Wachstum von über zwei Prozent in Europa in den nächsten Jahren unwahrscheinlich. Die EZB dürfte sich nicht durch das eine oder andere stärkere Quartal beirren lassen und vorschnell die Zinsen erhöhen. Wir gehen von einer mehrjährigen Niedrigzinsphase aus.

Die verhaltenen Renditeerwartungen in Bezug auf klassische Staatsanleihen haben sich in den vergangenen Wochen auch in den Geldströmen am globalen ETF-und ETP-Markt widergespiegelt. So haben Investoren aus entsprechenden Produkten auf US-Staatsanleihen 2012 zum ersten Mal seit 2005 unter dem Strich mehr Geld abgezogen als neu investiert.

Aber was können Investoren tun, um angesichts des schwierigeren Umfeldes auch 2013 attraktive Renditen am Anleihemarkt zu erzielen? Unserer Meinung nach sollten sie verstärkt Chancen wahrnehmen, die sich aus Kreditrisiken ergeben. Üblicherweise machen Zinsrisiken zwei Drittel eines Anleiheportfolios aus, auf Kreditrisiken entfällt ein Drittel. Wir denken, es ist an der Zeit, das Verhältnis zugunsten der Kreditrisiken umzukehren. Im Zuge dessen sollten Investoren vermehrt Alternativen zu klassischen Staatsanleihen suchen. Dabei sollten sie Unternehmensanleihen und Schwellenländerpapiere in Betracht ziehen.

Euro-Unternehmensanleihen bieten noch viele Chancen

Nehmen wir als Beispiel Euro-Unternehmensanleihen. Diese haben ein starkes Börsenjahr 2012 hinter sich. Investoren konnten mit dieser Anlageklasse teilweise Wertzuwächse im zweistelligen Prozentbereich erwirtschaften. Angesichts dieser Kursrally bei Corporate Bonds in den vergangenen Monaten fragen sich viele Anleger: Wie viel Luft bleibt nach oben?

Nach den starken Kurszuwächsen im vergangenen Jahr wächst die Rückschlaggefahr. Insbesondere denken wir, dass die Kursrally zu schnell und zu uniform verlaufen ist. Der Markt hat zu wenig zwischen Qualitätstiteln und schwächeren Namen unterschieden. Daher ist die aktuelle Kursstärke eine Gelegenheit, Portfolios systematisch nach schwächeren Namen zu screenen und sich von diesen zu trennen.

Aus fundamentaler Sicht ist die Anlageklasse unserer Meinung nach aber nach wie vor attraktiv. Denn obwohl die Gewinne der Unternehmen seit Sommer allmählich sinken, ist der Anteil der Nettoverschuldungen an den Gewinnen in etwa konstant geblieben. Das liegt daran, dass die durchschnittliche Nettoverschuldung ebenfalls abgenommen hat. Angesichts dessen sollte es Investoren nicht beunruhigen, wenn Unternehmen vermehrt Anleihen begeben und somit ihre Fremdkapitalhebel erhöhen. Denn insgesamt betrachtet, verfügen sie nach wie vor über solide Cash-Polster und gesunde Bilanzen.

Zudem ist das Umfeld für risikoreichere Anlageklassen wie Unternehmensanleihen insgesamt günstig. Denn die Entscheidung der Europäischen Zentralbank, unter strengen Bedingungen unbegrenzt europäische Staatsanleihen mit einem bis drei Jahren Laufzeit zu kaufen, hat das Risiko eines Zusammenbruchs der Eurozone deutlich reduziert. Somit dürfte der Risikoappetit der Investoren eher hoch bleiben. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass als sicher geltende Staatsanleihen nach wie vor sehr niedrige Erträge – oftmals unterhalb der Inflationsraten – bieten. All diese Faktoren führen dazu, dass Euro-Unternehmensanleihen unter dem Strich attraktiv bleiben.

Schwellenländer-Papiere sollten nicht im Portfolio fehlen

Zudem sollten Investoren Anleihen aus Schwellenländern vermehrt in Betracht ziehen. Dafür sprechen die gesunden Staatsfinanzen der Emerging Markets und das konjunkturelle Umfeld: Das Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern dürfte 2013 wieder zulegen. Vor allem China dürfte sich erholen. Auch Brasilien und Indien sollten wachsen, wenn auch nicht ganz so stark. Hinzu kommt, dass Emerging-Market-Bonds unserer Ansicht nach im historischen Vergleich momentan nicht teuer sind.

Börsennotierte Indexfonds auf Schwellenländeranleihen in Lokalwährung sind noch vergleichsweise selten. Denn die entsprechenden Produkte erfordern globale Fixed-Income- und Währungs-Expertise, lokale Präsenz in den jeweiligen Märkten sowie ein dichtes Netzwerk an Handelspartnern und ein ausgezeichnetes Risikomanagement, um die erforderliche Handels- und Preisqualität zu gewährleisten.

Egal ob Unternehmensanleihen mit Investmentgrade, Hochzinspapiere oder Schwellenländerpapiere: Investitionen in diese Marktsegmente über ETFs sind häufig schneller und effizienter möglich als über einzelne Werte. Beispielsweise wird rund ein Viertel der weltweiten Hochzinsanleihen durchschnittlich höchstens an fünf Tagen im Monat börslich gehandelt. Im Gegensatz dazu ist der Börsenhandel mit entsprechenden ETFs täglich rund um die Uhr möglich.

Dass Anleiheinvestoren die Vorteile von ETFs immer mehr zu schätzen wissen, zeigen nicht nur die eingangs erwähnten Zuflüsse. Auch die Börsenstatistiken unterstreichen diesen Trend: Seit 2010 hat sich das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen mit ETFs auf Investmentgrade-Unternehmensanleihen auf mehr als 500 Millionen Dollar verdoppelt, im Hochzins-Segment hat es sich auf gut 500 Millionen Dollar fast verdreifacht. Diese Entwicklung trägt dazu bei, die Handels- und Preisqualität bei Anleihe-ETFs weiter zu verbessern.

Das Interesse an Anleihe-ETFs ist keine Eintagsfliege

Wir gehen davon aus, dass Anleihe-ETFs auch künftig verstärkt im Blickfeld der Investoren stehen werden. Das dürfte unsicherer Ansicht nach unabhängig vom Marktumfeld gelten, also beispielsweise auch in Zeiten steigender Zinsen. Denn die Vergangenheit zeigt: In der Regel schlagen Zuflüsse in Anleihe-ETFs nicht ins Gegenteil um, wenn die Zinsen wieder anziehen.

Zudem ist der Anteil von ETFs am gesamten Anleihemarkt trotz des zuletzt starken Wachstums noch vergleichsweise gering. Beispielsweise entfallen nur drei Prozent des globalen Marktes für Hochzins-Anleihen auf ETFs, während in klassische Investmentfonds 35 Prozent des entsprechenden Vermögens investiert sind und in einzelne Papiere oder sonstige Finanzprodukte 63 Prozent. Im Segment der Investmentgrade-Anleihen entfällt sogar nur ein Prozent des Marktes auf ETFs.

Das zeigt: Trotz der starken Zuflüsse steht der Markt für Anleihe-ETFs erst am Anfang seines Wachstums. Und je stärker er wächst, umso stärker werden Anleger dank des breiteren Angebotes und der höheren Liquidität profitieren.

Über den Autor

Peter Scharl, CFA, leitet seit 2007 den institutionellen Vertrieb bei iShares, der ETF-Sparte von BlackRock, in Deutschland. Das vierköpfige Team betreut institutionelle Kunden wie Asset Manager, Pensionsfonds, Banken und Non-Profit Organisationen. Zuvor war Peter Scharl für den Vertrieb von Aktien und Derivaten bei einer großen deutschen Bank zuständig und war als Strategieberater im Asset Management tätig. Herr Scharl ist Diplom-Wirtschaftsinformatiker und hält einen MBA der ESADE Business School sowie der Thunderbird School of Global Management. Er ist CFA Charterholder und Mitglied in der German CFA Society.