America first: Wie US-Dominanz die Weltindizes verzerrt
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US-Unternehmen dominieren viele breite Indizes wie den MSCI World. Statt ein Spiegelbild des globalen Aktienmarkts zu liefern, entsteht so ein Zerrbild. Das erschwert die Diversifikation.
Das Anlagejahr 2023 startete unter schlechten Vorzeichen: Die restriktive Geldpolitik der Zentralbanken stimmte Anlegende pessimistisch, die Zeit der großen Kursgewinne schien vorbei. Doch dann setzte statt eines Bärenmarktes eine Börsenrally ein. Maßgebliche Treiber waren eine gute Handvoll Mega-Cap-Unternehmen, die ihren kombinierten Marktwert in der ersten Jahreshälfte um rund 60 Prozent¹ steigern konnten. Zu den "Magnificent 7" gehören Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Meta, Tesla und der Chiphersteller Nvidia, der besonders stark vom Boom um künstliche Intelligenz profitierte. Gemeinsamkeit der Schwergewichte: Es handelt sich ausschließlich um Tech-Titanen aus den USA.
Mit diesen Unternehmen dominieren die Vereinigten Staaten auch den globalen Aktienmarkt, wie ein Blick auf die Weltaktienindizes zeigt. Der MSCI World zum Beispiel listet zwar mehr als 1.500 Unternehmen aus 28 Industrieländern auf - da diese aber entsprechend ihrem Börsenwert gewichtet werden, machten US-Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von rund 60 Prozent bereits in den vergangenen Jahren den Löwenanteil aus. Inzwischen hat sich dieses Übergewicht auf gut 70 Prozent² ausgeweitet. Solange die sieben US-Giganten mit einem Gewicht von gut 20 Prozent im MSCI World auch im globalen Vergleich stark outperformen, steigt ihre Dominanz immer weiter.
Der breite Weltaktienindex entwickelt sich also immer mehr zum US-Index mit ein wenig globaler Beimischung. Das vermeintliche Spiegelbild der Weltwirtschaft wird so zum Zerrbild. Wenn der MSCI World wie in den vergangenen Monaten steigt, deutet das keineswegs auf eine Hausse am globalen Aktienmarkt hin. Es kann auch lediglich sein, dass ein paar Überflieger mit besonders hoher Marktkapitalisierung Kurssprünge verzeichnen.
Klumpenrisiko statt Streuung
Die US-Dominanz in den Weltindizes stellt vor allem defensive Anlagestrategien vor Herausforderungen. Um die Risiken volatiler Märkte zu reduzieren, setzen Anlegerinnen und Anleger gern auf Diversifikation und streuen ihr Vermögen über unterschiedliche Anlageregionen und Sektoren. Beliebte Instrumente dafür sind ETFs - börsengehandelte Indexfonds, welche die Wertentwicklung breiter Indizes wie dem MSCI World nachbilden.
Je höher die USA dort gewichtet sind, desto geringer fällt die Diversifikation aus. Es entstehen gleich mehrere Klumpenrisiken: Das Risiko verteilt sich nicht gleichmäßig auf Unternehmen aus aller Welt, sondern stützt sich im Wesentlichen auf die USA. Darüber hinaus lastet es mehrheitlich auf den Schultern weniger Unternehmen mit enormer Marktkapitalisierung. Und am Beispiel der "Magnificent 7" sind diese auch noch relativ branchennah konzentriert.
Sollte nun etwa die KI-Sonderkonjunktur, die den US-amerikanischen Technologiesektor zuletzt so beflügelt hat, ein vorläufiges Ende finden, würde das nicht nur in einschlägigen Tech-Börsen, sondern auch in der Wertentwicklung breiter Weltindizes tiefe Spuren hinterlassen.
Fazit
Weltindizes versprechen dem Namen nach, den globalen Aktienmarkt in seiner ganzen Breite abzubilden. Doch davon kann wegen der Übergewichtung weniger US-Tech-Unternehmen keine Rede sein. Als Benchmark für diversifizierte Anlagestrategien eignen sich solche Indizes nicht mehr uneingeschränkt. Defensiv Anlegende sollten das US-Exposure ihres Portfolios genau unter die Lupe nehmen.
Quellen:
1 https://markets.businessinsider.com/news/stocks/magnificent-7-11-trillion-market-value-triple-gdp-germany-tech-2023-7
2 https://www.test.de/MSCI-World-Index-5886867-5886870/
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Carsten Roemheld ist Kapitalmarktstratege bei Fidelity International. Er analysiert seit mehr als 25 Jahren die Finanzmärkte und schafft so die Grundlagen für informierte Anlageentscheidungen. Für seine Marktbeobachtungen kann er eines der größten globalen Research-Teams der Branche nutzen.