Großbritannien in der Krise
Das Inselreich kämpft mit einer schrumpfenden Industrieproduktion.
Während die Anleger gebannt auf das Geschehen in Zypern schauen, spielt sich auf einer anderen Insel ein ebenso großes, wenn nicht sogar größeres Drama ab: die britische Wirtschaft kämpft um ihr Überleben. Die Industrieproduktion war im Januar schon wieder um 1,5 Prozent gefallen. Experten hatten im Durchschnitt noch mit einer Stagnation gerechnet. Dabei haben die Briten in den zurückliegenden Jahren schon viel Geld gedruckt, um die Wirtschaft anzukurbeln. „Die Bank of England war bisher stets die Notenbank, die am aggressivsten darauf setzte, über ein Aufblasen der Geldmenge Inflation und damit eine Abwertung der Währung herbeizuführen“, so Andreas Utermann von Allianz Global Investors. Doch bislang hat all dies nicht viel gebracht, nur das Staatsdefizit ist völlig aus dem Ruder gelaufen und liegt mittlerweile über spanischen und italienischen Verhältnissen. Ein Hauptproblem dürfte die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Inselwirtschaft sein.
Britisches Pfund unter Abwertungsdruck
Die Schwäche der britischen Wirtschaft spiegelt sich auch im Währungspaar Britisches Pfund/US-Dollar (GBP/USD) wider. Dieses ist zuletzt unter die charttechnische Unterstützung bei 1,54 US-Dollar gerutscht. Geht der Kursverfall weiter, könnte als Nächstes ein Test des Tiefs aus dem Jahr 2010 bei 1,42 US-Dollar anstehen. Kommt das Pfund auch hier nicht zur Ruhe, droht gar ein Test des Tiefs bei 1,36 US-Dollar. Dieses Niveau hatte das Pfund im Krisenjahr 2009 gesehen. Noch ein Jahr zuvor musste man für den Kauf eines Pfunds über zwei US-Dollar auf den Tisch legen.
Die Abwertung des Pfunds macht zwar britische Güter im Ausland günstiger, aber nicht besser. Großbritannien hat jahrzehntelang seine Industrie vernachlässigt und nur noch auf den Finanzsektor gesetzt. Eine problematische Entwicklung, wie nun auch in Zypern zu beobachten ist.
Kemal Bagci ist Derivate-Spezialist bei der RBS. In dieser Position entwickelt er strukturierte Produktlösungen, unter anderem auf Aktien- und Rohstoffmärkte. Nach seinem Studium in International Finance in Deutschland und den USA stieg er im Jahr 2005 bei der Deutschen Asset Management in London ein. Seit März 2010 ist er bei der RBS in Frankfurt tätig.
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