Stratege Marc Chandler: So geht es mit der US-Wirtschaft und den Devisenmärkten weiter
Seit Jahresbeginn geht es an den Börsen eher turbulent zu. Steigende Zinsen und die Aussicht auf eine Abschwächung des globalen Wirtschaftswachstums belasten die Aktienmärkte. Welche Faktoren in den kommenden Wochen prägend sein werden, hat Devisenmarktanalyst Marc Chandler ermittelt.
Werte in diesem Artikel
• Chandler: Aktuell drei übergeordnete Einflussfaktoren
• Aussichten für US-Wirtschaft im zweiten Halbjahr trüben sich ein
• Kaum mehr Spielraum für Dollar-Aufwertung, Euro so stark unterbewertet wie lange nicht mehr
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Plus500: Beachten Sie bitte die Hinweise5 zu dieser Werbung.Wie Mark Chandler, Chef-Marktstratege von Bannockburn Global Forex, in einem Gastbeitrag für "The Market" schreibt, gebe es vor allem drei fundamentale Kräfte, die das Klima in der Weltwirtschaft und an den Finanzmärkten beeinflussen und dies auch in den kommenden Wochen weiterhin tun werden. Das sei zum einen der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Sanktionen gegen Russland, die den Preisauftrieb weiter verstärken und das Wachstum verlangsamen würden. Zum anderen nannte er aber auch die in der Omikron-Welle von China weiterhin verfolgte Null-COVID-Strategie, die das chinesische Binnenwachstum bedrohe und die globalen Lieferketten belaste. Als dritten Faktor zählte Chandler außerdem die "hawkische" Wende der US-Notenbank Federal Reserve auf. Diese hat kürzlich die Zinswende eingeleitet und im Mai den Leitzins zum zweiten Mal seit Beginn der Corona-Pandemie erhöht - und zwar dieses Mal direkt um 50 Basispunkte. Außerdem kündigte die Fed an, zum 1. Juni mit dem Abbau ihrer Bilanz zu beginnen, was laut Chandler einer weiteren Zinsstraffung gleichkomme.
"Die Terminbörsen erwarten, dass der Leitzins in den USA bis Ende Jahr auf 2,85 Prozent steigt", so Chandler. Diese antizipierte Straffung habe die Risikobereitschaft der Investoren verringert. Sie sorge außerdem dafür, dass "der Dollar im Devisenhandel auf breiter Front nach oben" tendiert und laste auf den Aussichten für das US-Wirtschaftswachstum, so der Stratege.
Mehrere Belastungsfaktoren für US-Wirtschaft
Neben der aggressiven Straffung der Geldpolitik - einschließlich des Bilanzabbaus - durch die Fed, dem Ukraine-Krieg und China dürften laut Chandler auch weitere Trends die US-Wirtschaft bremsen. Unter anderem nennt der Experte den drastischen Rückgang der fiskalpolitischen Stimuli, sowie steigende "Lebensmittel- und Energiepreise, die die Kaufkraft der Verbraucher schwächen". Zwar sei die Kontraktion des BIP im ersten Quartal als "statistischer Ausreißer" zu werten, und das Wachstum der amerikanischen Wirtschaft werde - wie auch von vielen anderen Ökonomen erwartet - im laufenden Quartal wahrscheinlich robuster sein als in den ersten drei Monaten des Jahres, aber "[ab] der zweiten Jahreshälfte zeichnet sich dann jedoch eine nachhaltige Verlangsamung ab".
Der IWF prognostiziert für die USA im aktuellen Jahr ein BIP-Wachstum von 3,7 Prozent. Im kommenden Jahr soll die US-Wirtschaft dann noch um 2,3 Prozent wachsen. Obwohl der IWF seine Prognosen kürzlich erst nach unten angepasst hat, seien sie laut Chandler "im Vergleich zu den Prognosen aus dem Privatsektor allzu optimistisch". Dort wird für das aktuelle Jahr laut dem Experten nämlich nur ein Wirtschaftswachstum von 3,2 Prozent erwartet. Insgesamt ist er sich sicher: "Die Aussichten für die Konjunktur trüben sich ein".
Dollar-Aufwertung bald beendet?
Aufgrund des geldpolitischen Strategiewechsels der Fed, während andere Notenbanken noch an der ultralockeren Geldpolitik festhalten, zeigte sich der US-Dollar in der jüngsten Vergangenheit gegenüber anderen Währungen stärker. Die Aufwertung der US-Währung sollte nun jedoch kurz vor ihrem Ende stehen. "Die Stärke des Dollars steht im Einklang mit der restriktiven Geld- und Wirtschaftspolitik in den USA. Zudem haben die Exporte einen Rekordwert erreicht (auch wenn die Importe schneller gestiegen sind). Auf kurze Sicht scheint damit noch etwas mehr Spielraum für eine weitere Aufwertung des Dollars zu bestehen. Der langfristige Aufwärtstrend sollte nun aber fast abgeschlossen sein", schreibt Chandler bei "The Market". Hingegen würden "Korrektur- und Konsolidierungskräfte beim Dollar in den kommenden Wochen erstarken".
Beim Euro sieht der Experte hingegen eine Bodenbildung. "Der Euro fiel Ende April auf ein Fünfjahrestief zum Dollar in der Nähe von 1,047. Das Momentum des Abwärtstrends scheint sich jedoch allmählich zu erschöpfen. Gemessen an der von der OECD ermittelten Kaufkraftparität war der Euro seit dem Jahr 2001 nicht mehr so stark unterbewertet", so der Devisenmarktanalyst.
Bezüglich einer Zinserhöhung durch die EZB, die den Euro stützen würde, zeigt sich Chandler jedoch skeptisch. "Mir fällt auf, dass nur die Falken unter den EZB-Mitgliedern von einer Zinserhöhung im Juli sprechen. Präsidentin Christine Lagarde hingegen hat sich zurückhaltender geäußert", so der Stratege. Der Markt, der momentan offenbar EZB-Zinserhöhungen im Umfang von mehr als 80 Basispunkten in der zweiten Jahreshälfte erwartet, könnte sich daher womöglich zu viele Hoffnungen machen. Chandler bezeichnet diese Prognose jedenfalls als "reichlich ambitioniert".
Redaktion finanzen.net
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