Sicherer Hafen gesucht

Flucht in Gold und Schweizer Franken

24.08.11 09:59 Uhr

Der Chefökonom Thomas Liebi erklärt, warum die einzigen Währungen, denen viele Anleger zurzeit trauen, nur noch Gold und Schweizer Franken sind.

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Griechenland ist der Brennpunkt der aktuellen Krise im Euroraum – und doch nur die Spitze des Eisbergs. Mit dem Eintritt in die Währungsunion glichen sich die Risikoprämien auf Staatsanleihen der peripheren ­Staaten Europas dem Niveau der ­deutschen Bundesanleihen an. Die Märkte signalisierten noch im Sommer 2008, dass die Bonität des griechischen Staates beinahe derjenigen von Deutschland entspricht.

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Die disziplinierende Wirkung, welche die Anleihemärkte normalerweise auf die Staatsverschuldung ausüben, wurde so vollkommen ausgehebelt. Erst mit der Zuspitzung der globalen Finanzkrise und dem massiven Anstieg der Staats­verschuldung kehrte das Bewusstsein zurück, dass die Euro-Peripherieländer seit Langem über ihren Verhältnissen leben.

Nach Griechenland, Irland, Portugal und Spanien geriet jüngst Italien in den Fokus. Der rasante Anstieg der Risikoprämien auf italienische Staatsanleihen zeigt klar, dass die Investoren eine mögliche Ausweitung der Krise auf Italien, den drittgrößten Schuldner weltweit, befürchten. Um einen Flächenbrand schon im Keim zu ersticken, sah sich die Europäische Zentralbank (EZB) genötigt, nun auch italienische Staatsanleihen zu kaufen, um die Rendite­aufschläge im Zaum zu halten. Diese Unsicherheiten treiben viele Anleger in den sicheren Hafen des Schweizer Frankens. Dieser hat gegenüber der Einheitswährung in nur drei Jahren um mehr als 30 Prozent zugelegt.

Nachhaltige Entschuldung hängt
von mehreren Faktoren ab

Zweifel an der Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen betreffen aber nicht nur die Eurozone. Viele Industrieländer hatten bereits vor der Finanz­krise bedeutende Schuldenberge angehäuft. Bankenrettungen, Stimulierungsprogramme und sinkende Steuererträge führten zu ­einer dramatischen Verschlechterung der Situation. Bei Japan kam noch das katastrophale Erdbeben mit dem nachfolgenden Tsunami im März 2011 dazu. Die Wiederaufbaukosten belasten den bereits angeschlagenen Staatshaushalt.

Ob die Schuldensituation eines Landes nachhaltig ist, hängt nicht nur vom Verhältnis der Staatsschulden zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) ab. Maßgebend sind auch die Höhe des Primärhaushalts (also unter Ausschluss der Schuldzinsen), die Nettoverschuldung (im Gegensatz zur meist betrachteten Bruttoverschuldung) und das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts im Verhältnis zu den Schuldzinsen.


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Wächst die Wirtschaft schneller als die Schulden, reduziert sich die Schuldenquote. Schließlich gibt die durchschnittliche Laufzeit der Staatsanleihen einen Anhaltspunkt über die Dringlichkeit allfälliger Maßnahmen. Je längerfristig ein Staat finanziert ist, desto mehr Zeit hat er, seine Finanzen zu stabi­li­sieren. Unter diesen Aspekten erscheint die Schuldensituation – außer in den PIIGS-Staaten – auch in Großbritannien, den USA und vor allem in Japan nicht nachhaltig.

Tickende Zeitbombe in Japan –
die USA am Scheideweg

Obwohl Japan von allen Industrie­ländern die höchste Schuldenlast im Verhältnis zum BIP zu tragen hat, genießt das Land noch das Vertrauen der Märkte. Mit einem geschätzten Primärdefizit von 4,9 Prozent des BIP, einem Wirtschaftswachstum, das noch unter den niedrigen Renditen liegt, und einer relativ kurzfristigen Finanzierung könnte es hier in den kommenden Jahren ein böses Erwachen geben.

Noch ist Japan für seine Schuldenfinanzierung nicht auf das Ausland angewiesen – über 90 Prozent der japanischen Staatsanleihen werden von inländischen Anlegern gehalten. Eine alternde Gesellschaft und schwaches Wirtschaftswachstum werden aber in den kommenden Jahren dafür sorgen, dass in Japan weniger gespart wird. Wenn sich Japan dereinst im Ausland wird verschulden müssen, werden die Zinskosten deutlich ansteigen – mit möglicherweise verheerenden Folgen für den Staatshaushalt und die Volkswirtschaft.

Zweifel an der Fähigkeit der
Politiker zu schnellen Lösungen

Auch in den USA werden die Staatsausgaben rein aufgrund der demografischen Entwicklung in den kommenden Jahren stark ansteigen. Allein durch ein höheres Wirtschaftswachstum ist die steigende Schuldenlast nicht zu bewältigen. Angesichts eines geschätzten Budgetdefizits für 2010 von über neun Prozent des BIP und eines Schuldenbergs, welcher bis Ende dieses Jahrzehnts auf über 130 Prozent des BIP anzusteigen droht, besteht dringender Handlungsbedarf.

Die Ratingagentur Standard & Poor’s hatte bereits vor dem Schuldenkompromiss angekündigt, dass die USA ihr „AAA“-Rating verlieren würden, falls sie das Staatsdefizit über die kommenden zehn Jahre nicht um mindestens vier Billionen Dollar senken. Der Kongress konnte sich jedoch nur zu einer Defizitsenkung um rund 2,4 Billionen Dollar durchringen. Konsequenterweise erfolgte deshalb die Herabsetzung der Kreditwürdigkeit der USA durch S & P auf die zweitbeste Stufe, „AA+“, bei einem nach wie vor negativen Ausblick.

Noch vertrauen die Marktteilnehmer darauf, dass die USA und andere stark verschuldete Länder ihre Ausgaben in den Griff bekommen und den Staatshaushalt auf ein langfristig solides Fundament stellen können. Die langwierigen Verhandlungen in den USA und die immer noch halbherzigen Schritte in Europa und Japan lassen allerdings Zweifel aufkommen, ob die Politiker fähig und willens sind, dieses Ziel ohne massiven Druck des Marktes in Angriff zu nehmen.

Solange die Verunsicherung der Märkte über die weitere Entwicklung der Schuldensituation in Europa, Japan und den Vereinigten Staaten hoch bleibt und das Vertrauen in die großen Währungen dieser Welt erodiert, nimmt auch der Aufwärtsdruck auf die Schweizer Währung nicht ab.

Auch die Krone bietet Schutz
vor den Verwerfungen am Markt

Angesichts solider Staatsfinanzen böten auch die Schwedische oder die Norwegische Krone Schutz vor den globalen Verwerfungen. Aufgrund der höheren Liquidität der Währung und des größeren Finanzplatzes bevorzugen internatio­nale Anleger aber den Schweizer Franken. Dabei kann gerade die große Bedeutung des Finanzsektors in der Schweiz auch ein Risiko darstellen. Die kumulierte Bilanzsumme der beiden Schweizer Großbanken beträgt immer noch ein Mehrfaches des Bruttoinlandsprodukts. Der Finanzsektor beschäftigte 2010 rund sechs Prozent aller Erwerbstätigen und erwirtschaftete fast elf Prozent des Brutto­inlandsprodukts.

Die direkten Auswirkungen ­einer Zuspitzung der Schuldenkrise in der Eurozone wären für die Schweizer Banken gut verkraftbar. Laut den letzten Zahlen der Bank für internationalen Zahlungsausgleich sind Schweizer Banken nur wenig exponiert gegenüber euro­päischen Peripherieländern. Eine Ausweitung der Krise in Europa oder gar ein Schuldenkollaps in den USA oder in Japan würde aber auch die Schweiz empfindlich treffen.

Die Behörden sind sich des Risi­kos durchaus bewusst. Um die Stabilität des Finanzplatzes zu erhöhen, sollen systemrelevante Banken in der Schweiz noch schärfere Eigenkapitalvorschriften erfüllen, als dies die aktuell geplanten internationalen Standards vorsehen. Damit sollten die Schweizer Banken gut gerüstet sein für kommende Stürme an den Finanzmärkten. Gut genug offenbar, dass die einzigen Währungen, denen viele Anleger zurzeit trauen, nur noch Gold und Schweizer Franken sind.

Gefragte Währung
Gegenüber dem US-Dollar hat der Schweizer Franken binnen drei Jahren um rund 40, gegenüber der Einheitswährung Euro um gut 30 Prozent zugelegt. Zwar ist die eidgenössische Währung zuletzt auf den tiefsten Stand seit Beginn der Börsenturbulenzen Anfang August gefallen, doch das dürfte nur zum Teil auf eine bessere Börsenstimmung zurückzuführen sein: Die Schweizer Nationalbank stemmt sich seit Längerem gegen den starken Franken, insbesondere mit Zinssenkungen und einer Erhöhung der Frankenliquidität.
Preisentwicklung Gold und Schweizer Franken (pdf)

zur Person:

Thomas Liebi, Chefökonom
von Swisscanto

Seit April ist Liebi Chef­ökonom bei Swisscanto und verantwortet die makro­ökonomischen Analysen. Der studierte Jurist und promovierte Volkswirt war unter anderem als Analyst bei einer Privatbank in Zürich tätig sowie Leiter Investment Research und Vize­leiter Asset Management bei einer Pensionskasse.
Swisscanto ist das Gemeinschaftsunternehmen und der Vermögensverwalter der Schweizer Kantonal­banken. Im Fokus stehen Anlage- und Vorsorge­lösungen für private An­leger, Firmen und Institu­tionen. In der Schweiz gehört der Fonds­anbieter zu den Marktführern. Die Swiss­canto Gruppe baute jüngst ihre bestehenden Vertriebsaktivitäten in europäischen Märkten aus.