Derivate-Spezial

Schwellenländer-Devisen mit Verlust: Was Anleger tun sollten

06.10.11 11:05 Uhr

Die Währungen der boomenden Schwellenländer waren lange auf der Gewinnerseite. Nun stehen sie trotz guter Aussichten heftig unter Druck.

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Devisen

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von Peter Gewalt, €uro am Sonntag

Was hat Devisenhändler in den vergangenen Wochen magisch angezogen? Die Währung eines Landes mit einer boomenden Wirtschaft, sin­kenden Arbeitslosenzahlen, wenig Schul­den und einer extrem positiven Handelsbilanz? Oder die Währung eines anderen Staates, dessen Kreditwürdigkeit kürzlich heruntergestuft wurde, der eine schwere Wirtschaftskrise durchläuft und viel mehr Waren importiert als exportiert? Letztere, ist die überraschende Antwort. Denn während der US-Dollar steigt, flüchten Anleger massenhaft aus dem brasilianischen Real, der deutlich in die Knie gegangen ist.

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Und Brasilien steht nicht allein da. Quer durch die Bank wurden die Aufsteigerstaaten, die seit Jahren Erfolge bei ihrer wirtschaftlichen Aufholjagd feiern konnten, in den vergangenen Wochen abgestraft. Ob Indische Rupie, Türkische Lira, Koreanischer Won oder Polnischer Zloty, Schwellenländerwährungen sind die gefallenen Engel des Devisenmark­tes nicht nur gegenüber dem Dollar, sondern auch gegenüber dem Euro. Dies ist umso erstaunlicher, als diese Staaten noch vor Kurzem als Every­bodys Darling galten. Ob Anleihen, Aktien oder Währungen – die Emer­ging Markets konnten Milliardenzuflüsse aus dem Ausland verbuchen. Nun flüchtet das Geld noch schneller als es gekommen ist.

Vieles erinnert an 2008. Wie vor drei Jahren nach der Lehman-Pleite herrscht zeitweilig nackte Panik an den Märkten. Investoren wie Hedgefonds lösen ihre Anlagen auf, um Forderungen von Banken und Anlegern zu bedienen, andere transferieren ihr Kapital aus purer Angst zurück in ihren Heimatmarkt. Auslöser der Massenflucht war die Eskalation der Schuldenkrise in Europa. Das Bedürfnis nach Sicherheit stieg in den vergangenen Wochen in dem Maße wie der globale Risikoappetit sinkt.

Und dieses Herdenverhalten hängt in Zeiten der Unsicherheit sehr eng mit den Erfahrungen der Lehman-Pleite zusammen. 2008 und 2009 verloren Schwellenländerwährungen und Aktienmärkte bis zu 70 Prozent an Wert. Die damals populäre Decoupling-Theorie, die besagt, dass sich Schwellenländer unabhängig von den wirtschaftlichen Trends in den Industriestaaten entwickeln könn­ten, wurde infolge des Abstur­zes rasch zu den Akten gelegt.

Und auch diesmal hat es die Währungen und Börsen „derjenigen Volkswirtschaften am härtesten getroffen, die am engsten mit den Industriestaaten verbunden sind“, erklärt Bob Arends, Chef-Währungsstratege bei der Fondsgesellschaft Henderson Global Investors. Denn bricht die Konjunktur in der Eurozone und den USA ein, werden exportstarke und rohstoffreiche Länder wie Brasilien, Korea, Mexiko und Südafrika am schwersten darunter leiden. Zugleich hat die Talfahrt der Preise für Gold, Kupfer und Öl in den vergangenen Wochen die Flucht aus den Rohstoffwährungen noch beschleunigt.

Einige fundamentale Faktoren verstärken den Abwärtstrend. Die in Aussicht gestellten Zinssenkungen in den Emerging Markets verringern zudem das Renditeplus von Schwellenländer-Staatsanleihen gegenüber Investments etwa in US-Treasuries. Die Währungen osteuropäischer Länder haben mit dem zusätzlichen Makel zu kämpfen, dass viele Staaten, aber auch Bürger sich ihre Schulden von westeuropäischen Banken haben finanzieren lassen. Und deren Zustand wurde in den vergangenen Wochen äußerst kritisch beäugt.

Nun sind Abwehrmaßnahmen ergriffen worden. So überraschte die koreanische Zentralbank vergan­ge­­ne Woche mit dem Verkauf von vier Milliarden US-Dollar zur Stärkung des Won. Interventionen führ­ten auch die brasilianische, russi­sche, indonesische, thailändische, peruanische und türkische Notenbank aus. Mit bescheidenem Erfolg. Erst die Rally an den Aktien- und Rohstoffmärkten Mitte vergangener Woche führte zu einer spürbaren Stabilisierung der Kurse.

An sich sind viele Schwellenländer nicht unglücklich über die Abwertung ihrer Währungen. Noch im Sommer dieses Jahres klagten etwa brasilianische Politiker und Wirtschaftsbosse über den zu starken Real, der die Ausfuhren des Landes zu sehr verteure.

In den vergangenen zwölf Monaten wurde daher ein Bündel an Maßnahmen geschnürt, um die Aufwertung der Landeswährung zu stoppen. So senkte die brasilianische Notenbank im August die Leitzinsen. Hinzu kam die Entscheidung der Regierung in Brasilia, die mit einer restriktiveren Steuergesetzgebung den Aufwärtstrend ihrer Heimatwährung stoppen wollte. Eine daraufhin folgende rasante Flucht ausländischen Kapitals, welche etwa die Refinanzierung einheimischer Unternehmen trifft, ist aber nicht im Sinne des Regierenden.


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Eine nachhaltige Beruhigung der Lage erwarten Experten erst, wenn die verfahrene Situation in Europa gelöst ist. Dies gilt auch für den brasilianischen Real. „Starkes Wachs­tumspotenzial und eine ausgeprägte Zinsdifferenz dürften Kapitalzuflüsse wie einen Magneten anziehen, sobald sich die Wogen geglättet haben“, meint Bernhard Esser, Devi­senexperte bei HSBC Trinkaus. Doch das kann dauern. So ist Bob Arends mit seinem Henderson Horizon Global Currency Fund angesichts der Turbulenzen fast ganz aus dem De­visenmarkt ausgestiegen und wartet nun erst einmal ab.

Im Gegensatz zu Brasilien, Korea und China werden ohnehin nicht mehr alle aufstrebenden Volkswirtschaften als Wachstums-, sondern eher als Risikostaaten eingestuft. Im Fokus der Kritik steht Russland. Die Ankündigung von Premier Wladimir Putin, die Nachfolge Dmitri Medwedew anzutreten und erneut als Präsident zu kandidieren, wird von Investoren noch als Stabilitätsfaktor für die politische Zukunft Moskaus interpretiert.

Dagegen schockte die Entlassung des russischen Finanzminis­ters vergangene Woche die Märkte. Gilt doch Alexej Kudrin seit seinem Amtsantritt vor elf Jahren als ausgewiesener Befürworter eines ausgeglichenen russischen Staatshaushalts. Sein Rausschmiss signalisiert, dass sowohl der Umbau der zu rohstofflastigen Volkswirtschaft als auch notwendige Sparmaßnahmen in Russland erneut auf die lange Bank geschoben werden. Und das zu Zeiten, in denen sinkende Ölpreise den Zustrom dringend benötigter ­Petrodollars verringern. Nur bei einem Preis von etwa 120 US-Dollar pro Barrel Öl muss Russland keine Schulden aufnehmen. Derzeit notiert das schwarze Gold aber bei rund 103 US-Dollar. Angesichts dieser Weichenstellungen rechnet BNP Paribas damit, dass ausländische Investoren in diesem Jahr Rubel im Wert von rund 45 Milliarden US-Dollar abziehen werden. Ob das frische Kapital dann in den Brasilianischen Real oder in die Vereinigten Staaten fließen wird, hängt dabei letztlich von der Entwicklung des europäischen Schuldendramas ab.

Investor-Info

Währung als Renditebringer
Goldene Jahre

Mit Investments in Schwellenländerwährungen konnten Investoren zwischen 2003 und 2011 mehr verdienen als mit anderen Anlagen. Und dies trotz der starken Verluste in den Jahren 2008 und 2009.

Zertifikate
Auf die Rubelschwäche setzen

Für Anleger, die auf einen weiter steigenden Euro gegenüber dem Rubel setzen wollen, hat die Royal Bank of Scotland (RBS) drei unterschiedlich ausgestaltete Knock-out-Calls im Angebot. Die Hebel variieren zwischen 5,5 (ISIN: NL 000 948 942 6), 4,2 (ISIN: NL 000 071 403 8) und 2,7 (ISIN: NL 000 071 404 6) bezüglich der Veränderungen des Devisenkurses, die Knock-out-Schwellen sind 13,8, 19,6 und 33 Prozent vom aktuellen Euro-Rubel-Kurs entfernt. Vorsicht: Die Derivate eignen sich nur für sehr spekulative Naturen, da beim Berühren der K.-o.-Schwelle Totalverlust droht.

Fünf asiatische Währungen
In der Vergangenheit sehr gut entwickelt hat sich das Asian-Currencies-Basket-Zertifikat der Royal Bank of Scotland (ISIN: NL 000 030 898 9). Wie der Name schon sagt, bildet das Produkt die Wertentwicklung verschiedener asiatischer Währungen gegenüber dem Euro ab. Konkret sind in dem Basket enthalten: Singapur Dollar, Chinesischer Renminbi, Südkoreanischer Won, Taiwan-Dollar und der Thailändische Baht. In der Vergangenheit hat sich das Produkt sehr gut entwickelt, seit Anfang des Jahres zeigt der Trend unter größeren Schwankungen leicht nach unten. Die Verluste seit Jahresbeginn belaufen sich auf moderate sechs Prozent. Dennoch: Anleger warten ab, bis der Trend wieder nach oben zeigt.

Investmentfonds
Amundi Absolut Forex Asia Pacific

Der Amundi Absolut Forex Asia Pacific erzielte in den ­vergangenen fünf Jahren ein Plus von 32 Prozent (ISIN: LU 023 650 088 9). Der Fonds setzt anhand fundamentaler Bewertungen mit Geldmarktinstrumenten, aber auch mit Zertifikaten auf asiatische Währungen wie den Thailändischen Baht und den Australischen Dollar.

Julius Bär Local Emerging Bond
Schwellenländeranleihen in Landeswährung waren lange dank kräftiger Kurs- und Währungsgewinne auf der Erfolgsspur. Derzeit fallen aber vor allem Verluste an. Dies gilt auch für den ­bewährten Fonds Julius Bär Local Emerging Bond. Anleger sollten angesichts der Turbulenzen erst einmal ­abwarten.