Wolfsburg, wir haben ein Problem

Die Renditen von Volkswagen-Anleihen sind im Zuge des Abgase-Skandals kräftig gestiegen. Einen Einstieg sollten sich Anleger zum aktuellen Zeitpunkt dennoch zweimal überlegen.
Der Kurs und die damit einhergehende Rendite klingen vielversprechend - vor allem für einen deutschen Autobauer mit einer vermeintlich guten Kreditqualität; aktuell weist Volkswagen ein S&P-Rating von A auf.
Kräftiger Renditeanstieg
Nachdem bekannt wurde, dass der DAX-Konzern in Diesel-Fahrzeugen mit einer speziellen Software die Abgaswerte manipuliert hat, legten die Anleihekurse des Automobilherstellers den Rückwärtsgang ein. Und zwar so sehr, dass etwa der Kurs der Unternehmensanleihe mit Fälligkeit 16. Januar 2023 (XS1167644407) innerhalb weniger Tage von rund 96 auf knapp 89 schrumpfte. Aktuell liegt die Rendite des Papiers daher bei gut 2,2 Prozent - und somit in etwa 1,9 Prozentpunkte höher als Bundesanleihen mit vergleichbarer Restlaufzeit bieten.Schnäppchenjäger könnten daher nun auf die Idee kommen, Volkswagen-Anleihen in ihr Depot zu legen. Schließlich zeigt ein Blick in die Vergangenheit, dass die Börse in solch turbulenten Phasen wie derzeit häufig zu Übertreibungen neigt. Das ist zwar richtig, vergessen werden sollte jedoch nicht, dass das tatsächliche Ausmaß des Abgase-Skandals zum aktuellen Zeitpunkt noch ungewiss ist. Die scheinbar günstige Einstiegschance könnte sich schon bald als zu teuer herausstellen.
Ungewisse Zukunft
Berichten zufolge könnte sich die Strafe der US-Umweltbehörde EPA, die den Skandal aufdeckte, auf bis zu 18 Milliarden US-Dollar belaufen. Während in den USA rund 482.000 Fahrzeuge mit dem Motorentyp EA 189 ausgestattet sind und demzufolge zu hohe Abgaswerte aufweisen, wurden laut Volkswagen weltweit etwa 11 Millionen Motoren dieses Typs verbaut. Zwar könnte Volkswagen eine Strafe von 18 Milliarden US-Dollar noch verkraften, verfügte das Unternehmen den Halbjahreszahlen zufolge doch "über eine Nettoliquidität im Automobilgeschäft in Höhe von 21,5 Milliarden Euro", schreibt Markus Roß, Analyst der WGZ Bank, in einem aktuellen Bericht. "Allerdings bleibt ungewiss, welche weiteren Folgen durch die Manipulation zu erwarten stehen", fügt der Experte hinzu. Neben möglichen strafrechtlichen Ermittlungen des US-Justizministeriums drohen auch Sammelklagen von Verbrauchern. "Ebenfalls nicht einschätzbar sind mittel- und langfristige Reputationsschäden aus dem Vorfall sowie potenzielle Manipulationen in anderen Märkten", warnt Experte Roß.Erschwerend kommt hinzu, dass es bei Volkswagen schon vor dem Abgase-Skandal nicht richtig rund lief - allen voran in den wichtigen Absatzmärkten der Schwellenstaaten. Sorge bereitet vor allem die Befürchtung, dass Chinas Wirtschaft an Fahrt verlieren könnte. Schließlich verkauft Volkswagen knapp 40 Prozent seiner Automobile im Reich der Mitte.
Ein wenig Geduld könnte sich bezahlt machen Bisher hat Volkswagen im dritten Quartal ergebniswirksame Rückstellungen in Höhe von 6,5 Milliarden Euro angekündigt. Sollten sich jedoch die Zeichen mehren, dass diese Summe möglicherweise nicht ausreichen wird, um den Abgase-Schaden abzudecken oder bei der Veröffentlichung der Zahlen zum dritten Quartal (28. Oktober) weitere Hiobsbotschaften veröffentlicht werden, könnte es mit den Anleihekursen erneut bergab gehen - und Anleger, die bereits nun zugreifen, ihre Entscheidung bereuen.
Franz von den Driesch ist Chefredakteur der Webmagazine AnleihenMonitor, RuhestandsMonitor, FinanzMonitor und econoafrica. Die Portale sind redaktionell unabhängig und werden von Wirtschaftsjournalisten mit langjähriger Berufserfahrung betreut. Für die monatlich kostenlosen Newsletter der Webmagazine können sich Anleger auf www.anleihenmonitor.de, www.ruhestandsmonitor.de, finanzmonitor.de und www.econoafrica.de anmelden.
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