Schlägt Griechenland aus seinen Schulden Gewinn?
Das angeschlagene Griechenland klagt seit Jahren darüber, wie sehr es unter den aufgezwungenen Sparmaßnahmen leide. Tatsächlich könnte es aber so sein, dass der Krisenstaat mit seinen Schulden unter dem Strich sogar Geld verdient.
Auf mehr als 200 Milliarden Euro Schulden beläuft sich der griechische Schuldenberg zwischenzeitlich. Im Gegenzug für ihre Unterstützung fordern die internationalen Geldgeber starke Sparanstrengungen von der Regierung in Athen - für Regierungschef Alexis Tsipras ein Grund zu ständiger Klage.
Geld verdienen mit Schulden
Tsipras wird nicht müde zu beklagen, dass die Schuldenlast für Griechenland zu groß sei - mit Erfolg: Bei vielen Ökonomen und selbst beim Internationalen Währungsfonds (IWF) stößt er mit seinen Forderungen nach weniger strengen Sparauflagen oder Schuldenerleichterungen auf offene Ohren.
Doch nun hat ein spanischer Ökonom eine ganz andere Rechnung aufgemacht. Wie die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" berichtet, hat sich Pablo Triana, ehemals Professor an der renommierten Esade Business School in Barcelona, näher angeschaut, welche Hilfen Griechenland erhält und welche Zinssätze das Land zahlt. Das Ergebnis überrascht: Laut den Berechnungen von Triana hat Griechenland keinen Grund zur Klage, sondern profitiert am Ende sogar von seinen Schulden.
Negativzinsen für Schuldenstaat
Dafür, dass Griechenland hochverschuldet ist, hat es mit seinen Geldgebern außergewöhnlich niedrige Zinsen ausgehandelt. Durch das ständige Klagen über die Schuldenlast hat Athen erreicht, dass die Zinssätze immer wieder abgesenkt und die Laufzeiten verlängert wurden.
Zusätzlich erhielt der Krisenstaat Transferzahlungen - hauptsächlich von der Europäische Zentralbank (EZB) - sowie Mittel aus den Rettungsprogrammen. Letztendlich kommt Pablo Triana so in seinen Berechnungen auf einen Negativzins von 0,28 Prozent. Das bedeutet, dass Griechenland seit Ausbruch der Krise im Jahr 2010 quasi eine Rendite von 0,28 Prozent auf seine Schulden von über 200 Milliarden Euro einstreichen konnte.
"Niemals in der Geschichte souveräner Staaten wurde ein Schuldner besser behandelt als Griechenland", lautet deshalb das Urteil von Triana. "Alles zusammengenommen erhält das Land für seine Schulden einen negativen Zinssatz, verdient damit also unter dem Strich Geld."
Marktmechanismus funktioniert nicht mehr
Normalerweise müssen schlechte Schuldner hohe Zinsen zahlen, wenn sie sich Geld leihen. Stimmt jedoch die Analyse des spanischen Ökonomen, so wurde diese disziplinierende Wirkung des Marktes, mittels derer Schuldner üblicherweise zu vernünftigem Haushalten "erzogen" werden, im Falle von Griechenland außer Kraft gesetzt.
Die griechischen Rufe nach einem Schuldenschnitt erscheinen nach den Berechnungen von Pablo Triana in einem ganz neuen Licht. Laut dem Spanier konnte sich das krisengeschüttelte Land nämlich sogar günstiger refinanzieren als Deutschland, das von den Ratingagenturen nur erstklassige Bonitätsnoten erhalten hat.
Redaktion finanzen.net
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