Asset-Klasse mit Perspektive
Nach anfänglicher Begeisterung nicht nur der Investoren für das neue Anleihesegment haben sich in den vergangenen Monaten mehr und mehr kritische Stimmen zu Wort gemeldet. Es ist an der Zeit, die Entwicklung Revue passieren zu lassen, einen Ausblick zu wagen und zugleich für notwendige Reformen zu plädieren, meint Gastautor Gerhard Rosenbauer.
von Gerhard Rosenbauer, Gastautor von Euro am Sonntag
Der Markt für deutsche Mittelstandsanleihen entstand unmittelbar aus den Folgen der Finanzmarktkrise. Der mit dieser in den Jahren 2008/2009 einhergehende Anpassungsprozess bei den Banken (Stichwort: Deleveraging) führte unter anderem dazu, dass die Finanzintermediäre nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt dazu bereit waren, Unternehmen mit ausreichend Kapital zu versorgen. Die bestehenden Kreditengagements (Risiken) wurden sogar massiv zurückgeführt. Mit der geplanten Einführung von Basel III wurde das Problem noch weiter zugespitzt, da die Eigenkapitalanforderungen vonseiten der Aufsichtsbehörden deutlich angehoben wurden.
Von dieser Entwicklung wurde insbesondere der deutsche Mittelstand hart getroffen. Die Refinanzierung der Unternehmen war demzufolge erheblich eingeschränkt. Während Großunternehmen zwar einerseits von diesen Veränderungen ebenso betroffen waren, konnten sie andererseits jedoch zumeist den in- und ausländischen Kapitalmarkt "anzapfen" und somit ihre Finanzierung sicherstellen. Diese Möglichkeit ist jedoch vielen mittelständischen und familiengeführten Betrieben zumeist verschlossen. Wie wichtig der Mittelstand für die deutsche Wirtschaft ist, belegt eine Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM): So erwirtschafteten allein 2012 die mittelgroßen Unternehmen rund 30 Prozent der gesamten wirtschaftlichen Leistung des Landes. Darüber hinaus leisteten die mittelständischen Firmen ihren Beitrag zur - vor allem im europaweiten Vergleich - sehr guten Arbeitsmarktlage in Deutschland. Rund ein Drittel von ihnen stellte 2012 zusätzliche Mitarbeiter ein und schuf über 100.000 neue Arbeitsplätze.
Mit der Emission der Windreich AG wurde im Jahr 2010 am deutschen Finanzmarkt ein neues Kapitel aufgeschlagen. Seitdem ist der Markt auf über 100 Anleihen mit einem geschätzten Emissionsvolumen von rund fünf Milliarden Euro gewachsen, also ein durchaus attraktives Marktsegment für viele Investoren. Die Branchenschwerpunkte liegen aktuell bei Emittenten aus dem verarbeitenden Gewerbe, dem Bereich der erneuerbaren Energien und aus der Immobilienwirtschaft. Vor allem aber sind eine Vielzahl bekannter Markennamen aus dem deutschen Mittelstand wie die Spirituosenhersteller Underberg und Berentzen, der Süßwarenproduzent Katjes, die Textilhersteller Eterna und Seidensticker, die Modeunternehmen René Lezard, Laurèl und More & More vertreten.
In der Regel werden die Anleihen mit einem attraktiven Kupon von über sechs Prozent ausgestattet und bieten daher für viele Investoren eine interessante Alternative zu den deutlich niedrigeren Zinsen von Bundesanleihen oder dem traditionellen Anlageklassiker der Deutschen: das Sparbuch.
Auch wenn die Kosten für den Emittenten in der Regel deutlich höher liegen als bei klassischen Unternehmenskrediten, hat diese Refinanzierungsquelle durchaus ihre Vorteile. Denn die Anleihen haben eine feste Laufzeit, sodass für das Unternehmen Planungssicherheit besteht. Weitere Vorteile für Unternehmen sind zudem die relativ geringen und damit kostengünstigen Publizitätspflichten und sonstigen Auflagen bei der Begebung solcher Schuldverschreibungen. Wie sich heute zeigt, ist dies gleichsam ein wesentlicher Faktor für die jüngsten Rückschläge am Mittelstandsmarkt.
Jedes neue Marktsegment
hat seine Kinderkrankheiten
Vor allem private Anleger, die die Risiken an Märkten wie den Aktienbörsen scheuten, waren die Hauptnachfrager der zumeist mit einem geringen Volumen begebenen Bonds. Dass bei einer Investition in Anleihen aus diesem Segment jedoch nicht nur attraktive Renditen winken, sondern auch erhebliche Risiken lauern, mussten Investoren inzwischen schmerzhaft erleben. Nachdem in den Jahren 2011 und 2012 nur wenige Gesellschaften in Schwierigkeiten gerieten, kletterte 2013 die Anzahl notleidender Emissionen auf einen Rekordstand.
Wie geht es mit den Mittelstandsbonds in Zukunft weiter? Unserer Überzeugung nach hat das junge Bondsegment gute Chancen, sich sowohl bei privaten Investoren, aber auch zunehmend bei professionellen Anlegern zu etablieren. Denn jedes neue Marktsegment hat zunächst seine Kinderkrankheiten zu überwinden, um sich zu einer etablierten Asset-Klasse entwickeln zu können. Ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen, sind unserer Erfahrung nach dazu aber folgende Maßnahmen erforderlich:
Bei der Vorbereitung der Emission sind erheblich verbesserte Prüfprozesse der Ratingagenturen und Emissionshäuser essenziell. Wie einige der "Schadensfälle" eindeutig belegen, hätte eine strengere Überprüfung der Kennzahlen der Gesellschaften, deren Jahresabschlüsse und Geschäftsmodelle einschließlich der bereitgestellten Sicherheiten Schlimmeres verhindern können. Seitens der Emissionshäuser ist zudem auf ein Mindestmaß an Liquidität am Sekundärmarkt ("market making") zu achten. Viele der Anleihen sind nach Börsenstart nur in einem sehr geringen Umfang handelbar. Dies schreckt institutionelle Anleger ab und führt in der Folge selbst bei geringen Transaktionsvolumina zu erratischen Kursbewegungen.
Drittens ist aus Anlegersicht eine erhöhte und verbesserte Transparenz bezüglich der Informationspflichten der Emittenten von ausschlaggebender Bedeutung. Hierbei ist eine angemessene Regulierung in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße zwar durchaus wünschenswert, um sozusagen das Kind nicht gleich mit dem Bade auszuschütten. Diese Flexibilität darf aber schlussendlich nicht zulasten der Investoren gehen.
Viertens ist seitens der Emittenten und Investmentbanken bei der Festlegung der Anleihekonditionen zukünftig auf eine ausgewogenere Berücksichtigung der Risiken zu achten. Fünftens wäre aus Sicht institutioneller Investoren durchaus mehr Kreativität bei der Ausgestaltung der Bonds wünschenswert. Die Auflegung von variablen verzinslichen Anleihen oder die Begebung von Wandelanleihen mittelständischer Emittenten könnte durchaus zur Etablierung und Festigung der Asset-Klasse beitragen. Denn trotz der Probleme gibt es viele Unternehmen, die eine stabile Refinanzierung suchen und über erfolgreiche Geschäftsmodelle verfügen. Wir sind der festen Überzeugung, dass dieser Anleihetyp aufgrund der besonderen Bedeutung des deutschen Mittelstands erst am Anfang einer erfolgreichen Entwicklung steht.
zur Person:
Gerhard
Rosenbauer,
Portfoliomanager
bei Johannes Führ Asset Management
Rosenbauer war von 2001 bis 2009 Geschäftsführer der Meag Kapitalanlagegesellschaft sowie ihrer Rechtsvorgänger. Anschließend verantwortete er die Vermögensverwaltung für private und institutionelle Anleger bei Capital-Forum. Seit Oktober 2013 ist er auch Mitglied der Geschäftsführung bei Johannes Führ Asset
Management (JFAM).
JFAM wurde 1998 gegründet. Das Finanzdienstleistungsinstitut verwaltet Aktien-, Renten- und Mischfonds in Form von Publikumsfonds, Spezialfonds und Direktanlagen. JFAM agiert unabhängig von Banken und Versicherungen und hat sich einen erstklassigen Ruf, vor
allem im Bereich des Rentenmanagements mit dem Schwerpunkt Unternehmens- und insbesondere Mittelstandsanleihen geschaffen.