Planbar und flexibel investieren
Die US-Notenbank treibt die Normalisierung ihrer Geldpolitik voran, während sich die EZB weiter zurückhält. Anleger sollten sich flexibel aufstellen - zum Beispiel mit kurzlaufenden Bankanleihen.
Zehn Jahre nach Ausbruch der globalen Finanzkrise zählt die Normalisierung der Geldpolitik zu den zentralen Themen für die Finanzmärkte. Zwar hat die US-Notenbank (FED) eine geldpolitische Wende eingeleitet, die Europäische Zentralbank (EZB) wird aber eine Normalisierung nur sehr behutsam vorantreiben, sofern es in absehbarer Zeit überhaupt soweit kommt. Jüngsten Aussagen der EZB zufolge wird sie zunächst die Entwicklung der Inflation und auch den Euro-Kurs weiter im Auge behalten, bevor sie über eine vollständige Beendigung der Anleihekäufe nachdenkt. Eine Zinswende für 2018 steht ebenfalls weiter nicht auf der Agenda von EZB-Chef Mario Draghi. Aus ökonomischer Sicht erscheint diese Haltung nachvollziehbar - insbesondere angesichts der weiterhin moderaten Inflationsrate, aber auch mit Blick auf eine mögliche Überreaktion der Devisenmärkte bei Ankündigung geldpolitischer Maßnahmen. Erst wenn die Teuerungsraten tatsächlich nachhaltig anziehen sollten, ist mit einem steigenden Leitzins zu rechnen.
Für Anleger, die die Schwankungen des Aktienmarkts scheuen oder ihrem Portfolio eine planbare und stabilisierende Komponente beimischen wollen, bieten sich Zinsprodukte an. Allerdings sind diese zwangsläufig stark vom Notenbankzins abhängig und werden voraussichtlich auf Jahre kaum Renditen bringen. Die Investition in langlaufende Staatsanleihen, je nach ausgebendem Staat ohnehin nur wenig höher verzinst, birgt dagegen ein nicht unerhebliches Kursrisiko, da Zeitpunkt und Umfang der Zinswende noch nicht feststehen. Eine richtige Positionierung auf der Zinsseite ist für Anleger daher weiterhin schwer.
Es gibt jedoch Wege, akzeptable Erträge zu erzielen, ohne allzu hohe Risiken einzugehen. Im aktuellen Umfeld kann es sinnvoll sein, ausgewählte Bankanleihen in den Blick zu nehmen und sich dabei auf kurze bis mittlere Laufzeiten zu konzentrieren. Diese Papiere bieten eine vergleichsweise attraktive Verzinsung bei überdurchschnittlicher Planungssicherheit. Anleger erhalten neben dem laufenden Kupon zum feststehenden Laufzeitende den Nennbetrag zurück, sofern die ausgebende Bank zahlungsfähig ist. Zudem erlauben gerade kürzere Laufzeiten, bereits in näherer Zukunft auf ein möglicherweise verändertes Marktumfeld zu reagieren, ohne größere Kursverluste in Kauf nehmen zu müssen.
Jörn Schiemann leitet das Privatkundengeschäft der IKB Deutsche Industriebank AG sowie die Vermarktung und Emission von Anleihen für das Retail-Segment. Er verfügt über langjährige Finanzmarkt-Erfahrung und schreibt zu aktuellen Markt-, Investment- und Anleihethemen.
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