Gegen Demokratieprinzip?

EZB-Kritiker rufen Bundesverfassungsgericht zum Einschreiten auf

16.02.16 14:05 Uhr

EZB-Kritiker rufen Bundesverfassungsgericht zum Einschreiten auf | finanzen.net

Die Kritiker der weitreichenden Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Euro-Schuldenkrise haben das Bundesverfassungsgericht aufgerufen, der Notenbank Einhalt zu gebieten.

"Wir als Bundestag haben die Europäische Zentralbank nicht berechtigt, Erfinder, Durchsetzer und Kontrolleur zugleich zu sein", sagte der Linke-Politiker Gregor Gysi am Dienstag in der mündlichen Verhandlung über das umstrittene Anleihenkaufprogramm der EZB in Karlsruhe. Gysi vertritt seine Bundestagsfraktion in dem Verfahren.

Der Freiburger Staatsrechtsprofessor Dietrich Murswiek, der für den CSU-Politiker Peter Gauweiler spricht, kritisierte, das sogenannte OMT-Programm ("Outright Monetary Transactions") der EZB sei gleich "in mehrfacher Hinsicht mit dem Demokratieprinzip unvereinbar". Für ihre Maßnahmen fehle der Notenbank die demokratische Legitimation.

Die Zentralbank hatte im Sommer 2012 versprochen, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenstaaten zu kaufen. Die Verfassungsrichter müssen entscheiden, ob die EZB mit dem Programm, das bis heute nie zum Einsatz kam, ihr Mandat überschritten hat. Nach einer ersten Verhandlung 2013 hatten sie deutlich gemacht, dass sie den Beschluss für rechtswidrig halten, den Fall aber dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Dieser erklärte die Anleihenkäufe für rechtmäßig.

Die Frage ist nun, wie Karlsruhe mit dem Luxemburger Urteil umgeht. Die Richter prüfen allein nach den Maßstäben des Grundgesetzes. Die Entscheidung könnte im Frühsommer verkündet werden.

Finanzstaatssekretär Jens Spahn (CDU) appellierte an die Richter des Zweiten Senats, dabei "dem Kooperationsverhältnis beider Gerichte Rechnung zu tragen". Es gelte nun, beide Rechtsräume in Einklang zu bringen. Er wünsche sich ein "Freundschaftsspiel", bei dem beide Seiten am Ende als Sieger daständen. (2 BvR 2728/13 u.a.)

Der OMT-Beschluss der EZB gilt als Wendepunkt in der Schuldenkrise - allein die Ankündigung des Programms beruhigte die Märkte. Denn der Kauf von Staatsanleihen drückt die Zinslast eines Krisenstaates: Er muss weniger für Kredite ausgeben und bleibt so zahlungsfähig.

Nach Einschätzung der Verfassungsrichter aus dem Januar 2014 darf die Notenbank laut EU-Vertrag aber keine eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben. Der Beschluss verstoße außerdem gegen das Verbot der Mitfinanzierung von Staatshaushalten.

Die Karlsruher Richter verhandeln über insgesamt fünf Verfassungsklagen. Allein der Verein "Mehr Demokratie" mit der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) vertritt mehr als 11 000 Kläger. Auch EZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann nahmen an der Verhandlung teil.

Gauweiler hatte im Herbst auch gegen die aktuellen Anleihenkäufe der EZB Verfassungsbeschwerde eingereicht. Um die Konjunktur anzukurbeln und die Inflationsrate anzuheizen, kauft die Zentralbank seit März 2015 in großem Stil Wertpapiere ("Quantitative Easing"/QE). Zwischen OMT und QE sehen Experten aber große Unterschiede. Denn bei den QE-Käufen fließt das Geld in Anleihen aus dem gesamten Euroraum./sem/DP/jha

KARLSRUHE (dpa-AFX)

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