"Fallen Angels" könnten Anleihemarkt erschüttern
Die OECD sorgt sich um die wachsende Verschuldung von Unternehmen. Insbesondere im Falle einer Rezession könnte dies den Anleihemarkt erschüttern.
Werte in diesem Artikel
• Unternehmen bringen vermehrt Bonds am internationalen Markt unter
• Kreditqualität leidet
• Sorge um Finanzmarkt
Laut einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nutzen viele Unternehmen das derzeitige Niedrigzinsumfeld und nehmen günstig Fremdkapital auf. Ende 2019 summierte sich das Volumen aller am Weltmarkt befindlichen Unternehmensanleihen (ohne Bankanleihen) auf 13,5 Billionen Dollar, bzw. rund 12,4 Billionen Euro. Das ist etwa dreieinhalbmal so viel wie das deutsche Bruttoinlandsprodukt.
Das ist an sich kein Problem, zumindest so lange die Konjunktur gut läuft. Doch durch die Flut an emittierten Anleihen werden beachtliche Kreditrisiken aufgebaut, die in Zeiten einer Rezession zu einer Gefahr werden könnten.
"Fallen Angels" im Fokus
Die OECD-Studie weist darauf hin, dass viele dieser Anleihen in einem Wirtschaftsabschwung zu Kapital-Vernichtern werden könnten. Denn die Studienautoren sehen eine wachsende Gefahr von Zahlungsausfällen.
Ihre Sorge begründen sie mit der gesunkenen Kreditqualität. So waren im Jahr 2019 etwa 25 Prozent aller neu emittierten Anleihen sogenannte Junk-Bonds (Schrottanleihen). Und selbst bei den Anleihen mit einem Investment-Grade-Status würde mehr als die Hälfte lediglich auf eine Bonitätsnote von BBB (oder bei Moody’s ein Baa-Rating) kommen.
Das bedeutet, sie sind nur eine Stufe davon entfernt, in den Hochzinsmarkt der Junk-Bonds abzurutschen. Erfahrungsgemäß können solche Papiere, die an der Grenze zum Ramschstatus stehen, recht schnell ihren Investment-Grade-Status verlieren und zu sogenannten "Fallen Angels" werden.
Tritt dieser Fall ein, so müssen sich konservativ ausgerichtete Investoren von diesen "Fallen Angels" trennen. Aus diesem Grund ist auch Dr. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank, besorgt, dass bei einem konjunkturellen Abschwung der Hochzinsmarkt wegen Ratingverschlechterungen überflutet werden könnte und damit ein Preissturz ausgelöst wird. Um diese Gefahr zu verdeutlichen verweist er in einem Deutsche-Bank-Newsletter auf das Beispiel des US-Unternehmens Kraft Heinz, dessen Anleihen mit einem Volumen von 21 Milliarden US-Dollar von den Ratingagenturen Fitch und S&P auf nur noch "BB" herabgestuft wurden und damit nicht mehr im "Investment Grade"-Bereich liegen.
Geldpolitik mit entscheidendem Einfluss
Wie die OECD warnt, könnte Unternehmensanleihen vermehrt eine Herabstufungen in den Ramschbereich drohen, wenn die Unterstützung der lockeren Geldpolitik wegfallen oder ein Konjunkturabschwung einsetzen sollte.
Noch im Jahr 2019 konnten Unternehmen Bonds im Volumen von 2,1 Billionen Dollar am Anleihemarkt platzieren, was dem bisherigen Rekordniveau aus dem Jahr 2016 entspricht. Zurückzuführen ist dies auf die ultralockere Geldpolitik der weltweit bedeutenden Notenbanken. Deren Niedrigzinspolitik hat zur Folge, dass die Staatsanleihen großer Industrienationen kaum noch oder sogar eine negative Rendite abwerfen. Deshalb schauen sich Investoren nach besseren Anlagealternativen um und greifen eben auch bei Unternehmensanleihen zu.
Eine Bedrohung für den Finanzmarkt?
Nach Ansicht der OECD könnten Sorgen um die Stabilität des Finanzsystems aufkommen, sollten verstärkte Herabstufungen in den Junk-Bereich eine Verkaufswelle und Turbulenzen am Anleihemarkt auslösen.
Dr. Ulrich Stephan gibt sich hingegen eher gelassen: "Eine Bedrohung für den Finanzmarkt sehe ich wegen der anhaltenden weltweiten Renditejagd nicht. Ein Einstieg in US-Hochzinsanleihen erscheint mir wegen des geringen Performancepotenzials allerdings nicht ratsam", sagte der Anlage-Experte der Deutschen Bank.
Redaktion finanzen.net
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