Euro am Sonntag-Ausland

Brasilien: Attraktiv, aber gefährlich

28.07.18 12:00 Uhr

Brasilien: Attraktiv, aber gefährlich | finanzen.net

Eine Real-Anleihe der Europäischen Bank für Wiederaufbau lockt mit hohen Zinsen. Das Risiko ist allerdings erheblich.

von Jörg Billina, Euro am Sonntag

Für Brasiliens Fernfahrer hat sich der im Juni be­endete Streik gelohnt. Staats­präsident Michel Temer akzeptierte ihre Forderungen nach geringeren Spritpreisen und niedrigeren Steuern. Der sich bereits abkühlenden Wirtschaft haben die Zugeständnisse jedoch geschadet. Konsumenten- und Unternehmervertrauen sind gesunken.

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Wirtschaft lahmgelegt

In weiten Teilen des Landes war es wegen unterbrochener Lieferketten zu Engpässen in der Lebensmittelversorgung und zu Produktionsverzögerungen gekommen. Fast überall fehlten Benzin, Ethanol und Diesel, nachdem nach den Lkw-Fahrern auch Angestellte in Ölkonzernen die Arbeit niederlegten. Wegen des Streiks müssen die Wachstumsprognosen nach unten korrigiert werden. Statt um zwei Prozent wird laut Bank Itau das Bruttoinlandsprodukt 2018 nur um 1,7 Prozent zulegen. Anfang des Jahres waren die Analysten noch von drei Prozent ausgegangen.

Auch die Anleiheinvestoren finden wenig Gefallen an dem Entgegenkommen der Regierung. Das Haushaltsdefizit von aktuell über acht Prozent dürfte sich ausweiten, die Staatsverschuldung droht auf 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigen. Eine Kehrtwende ist nicht in Sicht. Für die dringend notwendige Rentenreform, die den Staatshaushalt deutlich entlasten würde, findet sich im Parlament derzeit keine Mehrheit.

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Unter den Investoren wächst darüber hinaus die Unsicherheit über den Ausgang der im Ok­tober stattfindenden Präsidentschaftswahlen. Noch ist unklar, ob der in den Umfragen trotz ­Inhaftierung führende frühere linke Staatspräsident Lula da Silva antreten darf. Dem Kandidaten der Rechten, Jair Bolsonaro, wird ebenfalls nur begrenzter Reformwille attestiert.

Währung unter Druck

Ausländische Anleger ziehen daher Gelder ab, zumal der US-Dollar an Stärke gewinnt. Das drückt den Kurs des brasilianischen Real. Gegenüber dem Greenback gab er seit Ende März 15 Prozentpunkte ab. Im Vergleich zum Euro ist Brasiliens Währung in den vergangenen drei Monaten um über acht Prozent gefallen. Sollte der Devisenkurs weiter sinken, dürfte jedoch der Druck auf die brasilianische Notenbank wachsen, die Zinsen zu erhöhen. Aktuell steht der Selic genannte Leitzins auf dem historisch niedrigen Niveau von 6,5 Prozent.

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Von einem sich wieder erholenden Real profitieren Anleger, die den jüngst emittierten Bond der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung kaufen. Der hohe Kupon von 7,5 Prozent relativiert zwar das Risiko. Mut und möglicherweise eine große Portion Geduld sind dennoch erforderlich.




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