Der geldpolitische Kommentar Dr. Cyrus de la Rubia, HSH Nordbank

Verliert die EZB ihre geldpolitische Handlungsfähigkeit?

18.06.15 12:37 Uhr

Verliert die EZB ihre geldpolitische Handlungsfähigkeit? | finanzen.net

Erneut hat die EZB die Not-Refinanzierungslinie für die griechischen Banken aufgestockt, auf 83 Mrd. Euro. Ist dieses Geld bei einem Grexit weg? Und verliert die EZB dadurch ihre geldpolitische Handlungsfähigkeit?

Die so genannte Emergency Liquidity Assistance (ELA-Kredit) ist eine Notkreditfazilität, die in diesem Fall von der griechischen Zentralbank gegen Hinterlegung von Sicherheiten an Banken aus Griechenland vergeben wird und die von der Europäische Zentralbank (EZB) genehmigt werden muss. Das Besondere an der ELA-Fazilität ist, dass die Kriterien für die zu hinterlegenden Sicherheiten unter den Standards liegen, die die EZB für ihre üblichen Refinanzierungsgeschäfte verlangt. Außerdem gilt: Sollte eine Sicherheit ausfallen, so muss die griechische Zentralbank bzw. der griechische Staat den Verlust tragen, nicht die Europäische Zentralbank.

Nun kann man einwenden, der griechische Staat könne den Verlust ohnehin nicht tragen. Dennoch besteht ein wichtiger Unterschied zu dem Fall, bei dem die EZB einen normalen Refinanzierungskredit ausreicht. Man nehme beispielsweise an, eine Bank aus Portugal habe 2 Milliarden Euro bei der EZB aufgenommen und dafür reguläre Sicherheiten eingereicht, z.B. Anleihen eines Unternehmens. Dieses Unternehmen melde nunmehr Konkurs an, so dass die eingereichten Sicherheiten wertlos würden. Vereinfacht gesagt verzeichnet die EZB in diesem Fall einen Verlust von 2 Milliarden Euro und muss auf ihrer Aktivseite diesen Betrag abschreiben. Ihr Eigenkapital muss auf der Passivseite entsprechend um diesen Betrag reduziert werden. Wenn man das Eigenkapital wieder aufstocken möchte, müssten alle EZB-Mitglieder anteilig zur Kasse gebeten werden.

Angenommen, eine griechische Bank habe ELA-Sicherheiten eingereicht, die sich als wertlos erweisen (das Szenario eines Griechenland-Ausstiegs spiele hier noch keine Rolle). Dann müsste ausschließlich die griechische Zentralbank den Verlust berücksichtigen. Sie hätte möglicherweise ein negatives Eigenkapital. Das müsste in der konsolidierten Bilanz der EZB auch berücksichtigt werden. Es läge aber ausschließlich in der Verantwortung des griechischen Staates, die Eigenkapitallücke wieder aufzufüllen und nicht in der der anderen Euro-Länder.

Sollte Griechenland dazu nicht in der Lage sein, so würde die EZB ihre geldpolitische Handlungsfähigkeit keineswegs durch den Verlust an Eigenkapital einbüßen. Zwar ist es richtig, dass nunmehr Zentralbankgeld im Umlauf ist, das nicht mehr bei Bedarf vernichtet werden kann. Pragmatisch gedacht fällt aber der den griechischen Banken zur Verfügung gestellte Betrag angesichts eines Zentralbankgeldbestandes von über 2000 Milliarden Euro nicht wirklich ins Gewicht. Eines müsste man aber festhalten: Die Glaubwürdigkeit der EZB würde in diesem Szenario leiden.

Im Fall eines Grexit wären die Auswirkungen für das Eigenkapital der EZB und für die geldpolitische Handlungsfähigkeit nicht gravierend anders. Rein juristisch wäre die griechische Notenbank vermutlich immer noch in der Verantwortung, den Verlust an das EZB-System zu erstatten. Das dürfte in dieser Situation jedoch illusorisch sein. Insofern würden die Mitgliedsstaaten über kurz oder lang das Eigenkapital wieder aufstocken - auf Kosten der Steuerzahler. Geldpolitisch bliebe die Notenbank aber weiterhin handlungsfähig.

Dr. Cyrus de la Rubia ist Chefvolkswirt der HSH Nordbank. In seiner Kolumne kommentiert er regelmäßig geldpolitische Themen und beleuchtet deren volkswirtschaftlichen Auswirkungen.

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