Ausblick auf 2023

Investieren am Anleihemarkt: Ist jetzt ein guter Einstiegszeitpunkt?

30.12.22 22:17 Uhr

Investieren am Anleihemarkt: Ist jetzt ein guter Einstiegszeitpunkt? | finanzen.net

In Zeiten steigender Zinsen scheinen Anleihen eine attraktive Alternative zu Aktien zu sein. Lohnt es sich daher derzeit in den Anleihemarkt einzusteigen?

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• Festverzinsliche Anlagen im Rezessionsumfeld so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr
• Steigende Anleiherenditen machen festverzinsliche Anlagen wieder attraktiv
• Portfoliorisiken im volatilen Aktienmarkt mit Anleihe-Investitionen mindern

Rezessionsängste, hohe Inflation und steigende Zinsen ließen die Aktienmärkte 2022 einbrechen. Staats- oder Unternehmensanleihen können Anlegern hier einen Ausweg bieten und mit gestiegenen Renditen punkten.

Auch die Kunden der Schweizer Großbank UBS strukturieren wohl ihre Wertpapierdepots um: Laut Handelsblatt steigt das Engagement in Anleihen zum Nachteil von Aktien - alternative Anlageklassen behalten bei den wohlhabenden Kunden der UBS aber ihren hohen Stellenwert. Das Engagement im Bereich Immobilien sinke zugleich. "Hochwertige Rentenpapiere sind in der Gunst der Anleger stark gestiegen. Weitere Zinserhöhungen sind schon weitgehend in den Kursen eingepreist, sodass 2023 ein guter Jahrgang wird für Staatsanleihen und Unternehmensanleihen guter Bonität. High-Yield-Papiere sollte man vorerst eher meiden, hier bestehen zu große Risiken", riet der Chefanlagestratege der UBS in Deutschland, Maximilian Kunkel, Anlegern im Handelsblatt.

Globale Rezession 2023: Anleihenrally geht weiter

Der Vermögensverwalter Vanguard sieht in seinem Ausblick für das kommende Jahr sehr deutliche Signale für eine Rezession. Die "zu erwartenden globalen Makro- und Finanzmarktbedingungen ähneln denjenigen, die in der Vergangenheit globale Rezessionen signalisiert haben. Sorgen um Energieangebot und -nachfrage, abnehmende Kapitalströme, rückläufige Handelsvolumina und eine sinkende Pro-Kopf-Produktion pro Person bedeuten, dass die Weltwirtschaft aller Wahrscheinlichkeit nach im kommenden Jahr in eine Rezession eintreten wird", heißt es dort. Der Vermögensverwalter sieht in seinem Basisszenario eine globale Rezession im Jahr 2023, die durch die restriktive Geldpolitik der Notenbanken ausgelöst wurde, als sie versuchten, die Inflation zurückzudrängen.

Sara Devereux, Chefin der Vanguard Fixed Income Group mit einem verwalteten festverzinslichen Vermögen von 1,9 Billionen US-Dollar, sieht eine Chance in Anleihen, da die Zentralbanken ihre straffe Geldpolitik auch 2023 beibehalten werden und die Verlangsamung der Zinserhöhungen durch die US-Notenbank die angeschlagenen Unternehmensanleihen stützen würde. "Die Gesamtrenditen, die wir sehen, sind so gut wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Diese Erträge sind ein hervorragender Puffer für etwaige Kursschwankungen, die wir erleben könnten", sagte sie gegenüber Bloomberg. Die jüngste Anleihenrally könne sich fortsetzen und biete die Chance, das Kreditmanagement zu reduzieren und die Bewertungen für Hypothekenpapiere zum Kauf von ausgewählten Anleihen zu nutzen. Das Picking sei entscheidend für den Erfolg: "Verlierer" zu umgehen sei derzeit mindestens genauso wichtig wie in "Gewinner" zu investieren.

Konkret: Verstärkt investiert der Vermögensverwalter Vanguard laut Sara Devereux aufgrund der momentan attraktiven Spreads in Anleihen von Hypothekenagenturen sowie in Unternehmensanleihen aus weniger zyklischen Branchen mit höherer Bonität, hohem Cashflow und attraktiven Bilanzen. Unattraktiv hingegen werden für Vanguard die erstklassigen Anleihen sowie Anleihen mit überdurchschnittlicher Performance in 2022, beispielsweise Kredite und Schwellenländer-Anleihen.

Investieren im Bärenmarkt: Portfoliorisiken vermindern

Auch die von yahoo!finance im Rahmen der Reihe "Was tun im Bärenmarkt" befragten Experten sehen in Anleihen attraktive Investitionsmöglichkeiten.

Steigende Anleiherenditen würden festverzinsliche Anlagen wieder attraktiv machen, findet auch Gargi Chaudhuri. Gegenüber yahoo!finance erklärte der leitende iShares-Anlagestratege bei BlackRock America: "Die Märkte für festverzinsliche Wertpapiere bieten ein enormes Potenzial, wie wir es seit anderthalb Jahrzehnten nicht mehr gesehen haben."

Der richtige Zeitpunkt, Portfoliorisiken im volatilen Aktienmarkt mit Anleihe-Investitionen zu mindern, ist wohl gekommen, meint auch der der Leiter der U.S. Bank Wealth Management Kapitalmarktforschung Bill Merz. "Die Inflation bleibt problematisch und wird die Zentralbankpolitik auf einem restriktiven Pfad halten. Die Liquiditätssignale entsprechen Niveaus, die typischerweise einer schwächeren Performance von Aktien und einer besseren Performance von Anleihen vorausgehen", beschreibt er die Entwicklung im kommenden Jahr. Ein ähnliches Szenario zeichnet auch der CEO von Infrastructure Capital Management in New York, Jay Hatfield.

Bill Merz sieht gute Investitionsmöglichkeiten in hochwertige, risikoarme Anleihen - vor allem kommunale Anleihen mit mittleren bis längeren Laufzeiten sind für ihn attraktiv. Aber auch auf dem Immobilienmarkt sieht der Experte gute Gewinnaussichten: "Die vielleicht einmaligste Chance sehen wir derzeit bei den Non-Agency-Hypothekenanleihen, ein seltenes Beispiel für eine höher rentierliche Kategorie, die wir weiterhin konstruktiv sehen". Er fügte hinzu, dass diese Investitionsstrategie aufgrund fallender Immobilienpreise kontraintuitiv erscheinen mag: "Die meisten Non-Agency-Hypothekenanleihen (insbesondere diejenigen, die vor 2022 ausgegeben werden) wären jedoch selbst bei einem starken Rückgang der Immobilienpreise gut abgesichert, die Mehrrendite gegenüber Staatsanleihen liegt in der Nähe des Krisenniveaus, und das geringe neue Angebot an Non-Agency-Hypothekenanleihen dürfte den Preisen Rückenwind verleihen."

Jay Hatfield hingegen setzt auf Vorzugsaktien, da diese üblicherweise weit unterhalb Pari gehandelt und von Unternehmen und Institutionen mit starken Kreditratings ausgegeben würden. "Diese Wertpapiere werden von den niedrigeren langfristigen Zinssätzen profitieren und haben attraktive Renditen im Bereich von 6-9 Prozent", ist er überzeugt.

Redaktion finanzen.net

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