Renditen für US-Staatsanleihen steigen: Wird das zum Problem für den Aktienmarkt?
Nach dem Corona-Einbruch im vergangenen Frühling erholten sich die Renditen für US-Staatsanleihen stetig. Nun sprang die Rendite für 30-jährige US-Anleihen erstmals wieder über 2 Prozent. Doch was bedeutet das für die Aktienmärkte?
• Renditen für US-Staatsanleihen auf Erholungskurs
• S&P 500-Rendite liegt größtenteils über der von zehnjährigen Staatsanleihen
• Ablenkungsmanöver von Inflationsentwicklung?
Deutlicher Renditenanstieg bei US-Staatsanleihen
Mit dem Corona-Einbruch der Märkte im vergangenen März ging es auch für die Renditen von US-Staatsanleihen abwärts. Seit Ende August stiegen sie allerdings wieder stetig. Als am 9. November dann BioNTech und Pfizer ermutigende Studienergebnissen zu ihrem gemeinsam entwickelten Impfstoff gegen COVID-19 veröffentlichten, ging es noch schneller bergauf, wie das Finanzportal Barron’s berichtet. Nun schafften es die Renditen für zehn- und 30-jährige US-Staatsanleihen erstmals wieder auf Vorkrisenniveau. Die zehnjährige Anleihe stieg über 1 Prozent, nachdem die Demokraten im Januar die Stichwahl im Senat von Georgia für sich entscheiden konnten, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. Die 30-jährige Anleihe überschritt die 2-Prozent-Marke nachdem Vizepräsidentin Kamala Harris Anfang Februar für das 1,9 Billionen US-Dollar schwere Hilfspaket von Präsident Joe Biden abstimmte. Aktuell bewegt sich die Rendite für zehnjährige US-Staatsanleihen bei 1,29 Prozent, die für 30-jährige bei 2,07 Prozent (Stand: 18. Februar 2021). Somit seien die Erwartung an weiter steigende Tendenzen hoch. Damit stehe außerdem die Frage im Raum, inwiefern steigende Anleiherenditen sich negativ auf den Aktienmarkt auswirken könnten.
Attraktive Anleihe-Renditen könnten Investoren vom Aktienmarkt abziehen
Eine Gefahr gehe davon aus, dass Anleger statt in Aktien vermehrt in Anleihen investieren, wenn diese dauerhaft attraktive Renditen aufweisen. Laut Prognosen müssten die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen auf 1,75 Prozent oder sogar 5 Prozent steigen, um sie gegenüber riskanten Anlagen attraktiver zu machen, so Barron's. Wie Bank of America Merrill Lynch-Analystin Savita Subramanian in einer Studie erklärt, auf die sich das Finanzportal bezieht, könnten nahezu 70 Prozent aller im S&P 500 enthaltenen Unternehmen derzeit eine höhere Rendite aufweisen als zehnjährige US-Staatsanleihen. Sollte sich dieser Anteil aber auf 1,75 Prozent erhöhen, während die S&P 500-Unternehmen ihr aktuelles Niveau beibehalten, würden nur noch 40 Prozent der besagten Firmen höhere Renditen auszahlen. Langfristig stehe der Index aber besser da, so Subramanian und ihre Mitarbeiter.
Die gesamte Index-Rendite, die laut Wall Street Journal derzeit 1,49 Prozent (Stand: 18. Februar 2021) beträgt, könnte in Zukunft auf bis zu 3 Prozent steigen. Außerdem werden Renditen für 10-Jahres-Anleihen dem S&P 500 erst gefährlich, wenn die US-Notenbank Fed beginnt, die Zinsen zu erhöhen, so die Experten.
Ablenkung von Inflationsentwicklung?
Weiterhin sei die Aussagekraft der Rendite 30-jähriger US-Staatsanleihen zu bedenken, wie Bloomberg berichtet. So sei die genaue erwartete Rendite einer von der US-Regierung besicherten Anleihe, die erst in drei Jahrzehnten fällig wird, unklar. Der Zeitraum decke mehrere Konjunkturzyklen und strukturelle Kräfte ab, die sich nicht mit einer einzelnen Regierung ändern, so die Nachrichtenagentur weiter. Somit könnten die Renditesprünge als Ablenkung von der Inflationsentwicklung verstanden werden, was laut Bloomberg damit einhergehen würde, dass der Fed-Vorsitzende Jerome Powell im Januar erklärte, dass ein Anstieg der Inflation in den nächsten Monaten nur vorübergehend sei. Auch laut Barron’s sei es wichtig, die Breakeven-Inflationsrate in Betracht zu ziehen, die als Marktindikator für Inflationserwartungen in den nächsten zehn Jahren verwendet wird.
Nach den coronabedingten Markteinbrüchen und der anschließend erwarteten Erholung stieg der Erwartungswert und beträgt aktuell 2,21 Prozent (Stand: 18. Februar 2021) - und damit so viel wie zuletzt 2014. Zwar liegt die Gesamtrendite des S&P 500 aktuell unter der Inflationsrate, laut Subramanians Prognose könnte sie die Marke aber überschreiten. Auch die Rendite für zehnjährige US-Staatsanleihen befindet sich aktuell unter dem Indikator, hier wird allerdings erwartet, dass dies zumindest bis zum Ende dieses Jahres so bleibt.
Schnelle Renditen am Anleihenmarkt?
Laut Analysten der US-Großbank Goldman Sachs sei die Situation allerdings nicht zu unterschätzen. So könnten sich Anleger von attraktiven und schnellen Renditen zu Anleihen verleiten lassen und weniger Geduld für den Aktienmarkt aufbringen, wie die Experten in einer Notiz schreiben, die Barron’s vorliegt. Dabei sei aber zu beachten, dass Aktien, die auf Wirtschaftswachstum empfindlich reagieren oder in der Corona-Krise bisher eher schlechter performten, eine stärkere Entwicklung aufweisen würden, seit die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen im Januar über 1 Prozent geklettert war. Dies sei damit zu erklären, dass Investoren zukünftige Cashflows mit einem höheren Zinssatz diskontieren. Sollten die Renditen von Anleihen also weiterhin schnell ansteigen, könnte dies negative Folgen für den Aktienmarkt haben, allerdings erst ab einem monatlichen Anstieg von 36 Basispunkten. Zuletzt haben die Renditen für diesen Sprung aber etwa drei Monate gebraucht, weshalb die Großbank eine akute Problematik ausschließt.
Marktgeschehen könnte sich grundlegend verändern
Credit Suisse-Analyst Jonathan Golub sieht den Aktienmarkt ebenfalls nicht bedroht, wie Barron’s weiter berichtet. So könnten selbst höhere inflationsbereinigte Renditen Aktien nicht schaden, da der Auftrieb, den Aktien durch ein stärkeres Wirtschaftswachstum erhalten, die relative Renditeverbesserung des Anleihenmarktes überwiegen sollte, wie aus einer Notiz des Strategen hervorgeht. Weiterhin spreche für Aktien, dass sich steigende Renditen nicht negativ auf die Bilanz der großen US-Konzerne auswirken würden.
Dennoch könnte sich das Marktgeschehen durch die jüngsten Renditesprünge verändern. So habe der Hedgefonds D.E. Shaw kürzlich erkannt, dass langfristige Anleihen bei steigenden Renditen eine bessere Absicherung gegen Einbrüche am Aktienmarkt ermöglichen. Generell könnten Anleihen in den nächsten Monaten also für Anleger als attraktiver gelten. Dennoch seien die Renditen langfristiger Anleihen durch Steigerungen besonders gefährdet, sodass abzuwarten bleibt wie stark - wenn überhaupt - der Aktienmarkt unter einer gesteigerten Nachfrage nach Anleihen leiden wird.
Redaktion finanzen.net
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