Skandinavien

Nordische Anleihen: Sicherheit für Euro-Skeptiker

aktualisiert 29.07.11 09:27 Uhr

Von Island bis Norwegen brummt die Wirtschaft. Die Währungen sind ­stabil, die Verschuldung ist gering. Ein Fluchtpunkt für Euro-Skeptiker.

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von Marc Hofmann, €uro am Sonntag

Fondsmanager Stefan Rocklind hat ein für seine Branche sehr angenehmes Problem: Er wird mit Geld überschüttet. Seit März ist das verwaltete Vermögen seines Danske Swedish Bond Fonds um über 20 Prozent gewachsen. Ähnlich ergeht es der schwedischen Fonds­gesellschaft Nordea: „Unsere Skandinavien-Fonds verzeichnen starke Mittelzuflüsse,“ erklärt Torgeir Sten­saker, Leiter des Rentenhandels in Stockholm.

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Auf der Suche nach einem sicheren Hafen in der Schuldenkrise haben Anleger den hohen Norden für sich entdeckt. Keine Wunder, in den meisten Ländern brummt die Wirtschaft, die Währungen sind stabil. Kronenbonds sind daher die bevorzugte Wahl der Euroflüchtlinge. Denn sollte die Gemeinschaftswährung zusammenbrechen, versprechen die Papiere Werterhalt. Das Vertrauen in die Nordländer ist derart groß, dass sogar Island kürzlich wieder einen Bond platzieren konnte. Das fünfjährige Papier bot einen Kupon von 4,9 Prozent und war mit Geboten von zwei Milliarden Dollar doppelt überzeichnet.

„Viele Anleger verteilen ihr Geld nach dem Gießkannenprinzip auf den Norden,“ meint Åse Jonassen, Geschäftsführer der Norwegi­schen Storebrand Bank. Ein genauerer Blick ist allerdings ratsam.

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Nicht alle Nordländer sind ein sicherer Hafen. So hat Island zwar die Rezession nach der Bankenpleite im Jahr 2007 überwunden, die Wirtschaft wächst wieder mit 2,2 Prozent, und auch das Budgetdefizit ist mit 1,4 Prozent erstaunlich niedrig. Doch für Euroflüchtlinge ist das Land trotzdem nutzlos. Grund: Die Islandkrone ist nicht handelbar. Die neue Anleihe lautete daher auf US-Dollar.

Bis heute verbietet ein Gesetz die Einfuhr von Kronen nach Island. Damit wollte sich das Land nach der Bankenpleite schützen. Denn die ausgelaufenen Papiere, die zumeist von Europäern und US-Amerikanern gehalten wurden, hätten wieder in Dollar und Euro zurückgetauscht werden müssen. Diese Summen in harter Währung hätte das bankrotte Land jedoch nicht aufbringen können. Kapitalanlagen in Isländischer Krone sind aus diesem Grund bis heute nicht möglich.

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Dänemark ist ebenfalls kein geeigneter Fluchtpunkt. Das Land erlebt gerade einen Rückfall in die Rezession. Schon im vierten Quartal 2010 war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,2 Prozent gesunken. Im ersten Quartal des laufenden Jahres schrumpfte es um weitere 0,5 Prozent. Die Binnenwirtschaft lahmt, öffentlicher und privater Verbrauch sind rückläufig und die Investitionen sinken. „Ohne Wirtschaftsreformen droht Dänemark ein ähnliches Schicksal wie den südeuropäischen Ländern“, schrieb daher kürzlich Niels Ronholt, Analyst der Jyske-Bank in der Zeitung „Die Welt“.

In Finnland läuft die Wirtschaft, getrieben von einem Exportboom, dagegen gut. Für das laufende Jahr wird ein Wachstum von 2,9 Prozent erwartet. Die Arbeitslosenzahlen sind niedrig und die Staatsschulden rückläufig. „Auch für 2012 bleiben die Aussichten positiv,“ meint Pasi Sorjonen, Analyst bei Nordea. Einen Schönheitsfehler hat die Sache aber trotzdem: Finnland ist Euromitglied. Versinkt daher die Währung im Schuldensumpf, so bieten auch finnische Bonds keinen Schutz.


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Für Währungsflüchtlinge bleibt daher nur mehr der Griff zur Norwegischen oder zur Schwedischen Krone. „Hier finden Anleger wirklich einen sicheren Hafen,“ meint Torgeir Stensaker. Beide Länder sind politisch stabil und können exzellente Wirtschaftsdaten vorweisen. Beispiel Norwegen: Mit 2,8 Prozent hat das Land eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten der Welt. Dank großer Öl- und Gasvorkommen werden keine Budgetdefizite, sondern Überschüsse erwirtschaftet. Zuletzt flossen pro Jahr 40 Milliarden Euro in den Norwegischen Staatsfonds. Dieser ist inzwischen 418 Milliarden Euro schwer und soll – wenn der Öl­fluss einmal versiegt – den Sozialstaat weiter finanzieren.

Aufgrund seiner finanziellen Unabhängigkeit gilt das Land somit zu Recht als Fluchtburg. Für das laufende Jahr wird ein Wachstum von 3,3 Prozent erwartet, 2012 soll das BIP um 3,1 Prozent steigen. Völlig unproblematisch ist der Markt allerdings nicht. Mit ausstehenden Bonds im Volumen von 209 Milliarden Euro ist der norwegische Markt für Unternehmensanleihen vergleichsweise klein. Stärkere Schwankungen sind daher die Folge. Zudem wird es durch die zuletzt stark gestiegene Nachfrage zunehmend schwierig, Papiere in ausreichenden Mengen zu kaufen.

Aktuell läuft der Handel jedoch noch rund – dank eines neuen Rekord­emissionsvolumens. Allein im April wurden Anleihen im Wert von 12,8 Milliarden Kronen (1,6 Milliarden Euro) ausgegeben. Üblich wäre ein Volumen von 2,4 Milliarden Kronen. Ein Grund für den Aufschwung: Immer mehr norwegische Unternehmen platzieren wegen der starken Nachfrage neue Anleihen.

Auch in Schweden boomt die Wirtschaft. Im laufenden Jahr soll das BIP um 4,7 Prozent wachsen. Neben dem Abbau von Rohstoffen wie Kupfer, Blei und Zink ist traditionell der Maschinen- und Fahrzeugbau eine der wichtigsten Einnahmequellen des Landes. Getragen wurde der jüngste Aufschwung vor allem durch die hohe Nachfrage der BRIC-Staaten. Diese sind neben den USA einer der größten Abnehmer schwedischer Erzeugnisse.

Im direkten Vergleich mit norwegischen Bonds bieten schwedische Papiere derzeit eine etwas geringere Rendite. Der Grund liegt in dem mit 2,0 Prozent etwas niedrigeren Leitzins der Schwedischen Notenbank. Beide Zentralbanken haben zuletzt kontinuierlich die Zinsen erhöht, um der Inflation entgegenzuwirken. Da das starke Wachstum auch 2012 anhalten soll, rechnen die Experten von Nordea mit einer Fortsetzung dieser Politik. Für Schweden erwartet die Bank bis Ende 2012 einen Leitzins von 3,5 Prozent. In Norwegen sollen sogar 4,5 Prozent erreicht werden.

Anleger, die heute ein Papier oder einen Rentenfonds erwerben, müssen sich daher auf leichte Kursverluste einstellen. Denn die Preise der ausstehenden Papiere passen sich immer dem aktuellen Zinsgefüge an und verlieren etwas an Wert. Hält man die Bonds aber bis zum Laufzeitende, betrifft einen dieses Problem nicht.

Die Entwicklung der Währungen wird somit zur wichtigsten Frage für Anleger. Neben dem Konjunkturverlauf beider Länder ist hier vor allem der Ausgang der europäischen Schuldenkrise entscheidend. Sollten sich alle Probleme in Wohlgefallen auflösen, könnte die Krone gegenüber dem Euro abwerten. Allerdings scheint das Rückschlagpotenzial ­begrenzt. Denn historisch gesehen (siehe Investor-Info) sind weder die Norwegische noch die Schwedische Krone derzeit als überteuert zu bezeichnen.

Für das Jahresende rechnet Nordea mit einem Wechselkurs von neun Schwedischen Kronen zu einem Euro. Aktuell liegt der Wert bei 9,17. Für Norwegen wird ein Tauschverhältnis von 7,8 zu 1 prognostiziert, was ebenfalls nah am aktuellen Kurs liegt.

Und was passiert, wenn die Finanz­märkte kollabieren sollten? Dann, sagt Torgeir Stensaker „würden wohl zunächst auch die Kronen abwerten“. Ähnlich wie im Fall der Lehman-Pleite würden Investoren global ihre Kapitalanlagen auflösen, um an Geld zu kommen. Zieht der Sturm ab, sollten die Währungen wieder ihre alten Stände erreichen. Der Werterhalt der Ersparnisse wäre somit gewährleistet.

Sicherheitsorientierte Anleger, die eine geringe Verzinsung in Kauf nehmen, können daher ruhig einen Teil ihres Vermögens in Kronen anlegen. Und damit das angenehme Problem von Fondsmanager Rocklind vergrößern.

Investor-Info

Nicht überteuert
Krone Schweden & Norwegen

Seit der Finanzkrise haben beide Kronenwährungen gegenüber dem Euro um mehr als 22 Prozent aufgewertet. Dennoch sind die Preise nicht übertrieben. Auf Sicht von zehn Jahren liegen sie nun wieder im Durchschnitt.

Norwegen-Fonds
Nordea Norwegian Bond Fund

Der Nordea-1 Norwegian Bond Fund investiert in norwegische Staatsanleihen, hypothekarisch gesicherte Schuldverschreibungen und Unternehmensanleihen, die in ­Norwegischen Kronen emittiert wurden. Alle Papiere des Fonds müssen mindestens Investment-Grade aufweisen. Fondsmanager Harald Willersrud hat den Fonds derzeit defensiv ausgerichtet und Staatsanleihen übergewichtet. In den vergangenen zwölf Monaten gewann der Rentenfonds auf Eurobasis 7,11 Prozent an Wert.

Schweden-Fonds
Skandia Swedish Bond Fund

Frederik Otter investiert überwiegend in Staats- und Kommunalanleihen in schwedischer Währung. Daneben nehmen auch Pfandbriefe einen nicht unerheblichen Teil in seinem Portfolio ein. Mit rund 20 Prozent sind Unternehmensanleihen derzeit untergewichet. In den vergangenen drei Jahren erzielte der Fond einen Wertzuwachs von 24 Prozent auf Eurobasis. In den zurückliegenden zwölf Monaten beträgt das Plus 5,3 Prozent.

Einzelempfehlungen
Staats- & Unternehmensanleihen (PDF)

Eine Vielzahl der Bonds norwegischer und schwedischer Unternehmen wird nur an den Börsen in Oslo und Stockholm gehandelt. In Deutschland erhält man zum Beispiel über die Comdirect-Bank Zugang zu diesen Märkten. Die hier gelisteten Papiere sind alle über deutsche Börsen zu beziehen.