Deutsche Langfristzinsen bei ca. 1 % - aktuell nachvollziehbar, aber auch nachhaltig?

Die 10-jährigen Renditen auf deutsche Staatsanleihen bewegen sich momentan bei oder sogar unterhalb von 1 %.
Macht so etwas noch Sinn? Volkswirte sollten bei Beantwortung dieser Frage vorsichtig sein. Wichtig ist die Berücksichtigung des Zeitraums, für den die Einschätzung vorgenommen werden soll. So macht Stimulierungspolitik gemäß Keynes zwar kurzfristig Sinn, mittelfristige Staatsinterventionen allerdings weniger. Ähnlich ist es auch mit der Geldpolitik. Entsprechend wird argumentiert, dass negative reale Zinsen und Aufkaufprogramme auf Dauer keinen Sinn machen, da ihr Einfluss auf die Realwirtschaft überschaubar ist. Als kurzfristige Krisenpolitik sind diese Maßnahmen hingegen absolut notwendig. Die US-Notenbank verfolgt nun schon seit sechs Jahren eine 0 %-Zinspolitik. Befürchtungen über mögliche negative Implikationen sind bis dato nicht eingetreten. Dies bezieht sich insbesondere auf die anhaltende Sorge, dass eine Politik des Gelddruckens zu Inflation führt. Nach sechs Jahren Krisenpolitik in den USA ist weder die Inflation eskaliert noch leidet das Wirtschaftswachstum unter dem "falschen Zinsniveau". Im Gegenteil: Die USA sind die einzige Industrienation, in der nicht nur das BIP, sondern auch die Industrieproduktion weit über ihrem Vorkrisenniveau liegt. Und das eine 0 %-Zinspolitik den Sparer belastet, ist ebenfalls eine nur kurzfristig richtige Sichtweise. Denn der schnellste Weg für die Geldpolitik, die Konjunktur wiederzubeleben und die Zinsen auf ein normales Niveau zurückzuführen, ist eine kurzfristige 0 %-Zinspolitik, auch wenn diese je nach Krise etwas länger andauern kann.
Deshalb macht aktuell ein Zinsniveau auf 10-jährige Staatsanleihen von ca. 1 % durchaus Sinn. Denn die Notenbankpolitik wird voraussichtlich noch auf Jahre bei Zinsen von ca. 0 % verharren. Die Konjunkturindikatoren haben sich erneut eingetrübt, und die aktuelle jährliche Inflationsrate von 0,4 % ist alles andere als ein Anzeichen eskalierender Inflation. Allerdings müsste sich die Inflationsrate auch mittelfristig bei diesem Niveau einpendeln, damit das aktuelle Zinsniveau für einen langfristigen Investor nachvollziehbar erscheint. So deutet das aktuelle Zinsniveau deutscher Staatsanleihen auf ein anhaltend negatives Konjunkturbild hin -nicht nur für die Euro-Zone, sondern auch für die USA. Denn die US-Langfristzinsen sind ein weiterer wichtiger Treiber für das deutsche Langfristzinsniveau. Wird also über den Tellerrand hinaus geschaut, ist das aktuelle Zinsniveau aus Investorensicht nur unter einer anhaltenden konjunkturellen Eintrübung in der Euro-Zone und enttäuschenden US-Zahlen sinnvoll. Die schwache konjunkturelle Lage in der Euro-Zone müsste sich noch Jahre hinziehen und ein Aufkaufprogramm der EZB forcieren. Das Problem ist, dass die Pessimisten in den letzten Jahren richtiger lagen als die Optimisten. Wer immer auf schlechte Konjunkturdaten und fallende Zinsen gesetzt hat, behielt generell Recht. Daraus ergibt sich die Frage, ob es dieses Mal anders sein wird. Prognosen deuten darauf hin, dass die Inflationsrate in den kommenden Monaten etwas anziehen sollte. Entscheidender ist allerdings, was die US-Zinsen tun werden, und ob die Fed nun endlich eine nachhaltige geldpolitische Wende einleiten wird. Sinnvoll wäre es aus volkswirtschaftlicher Sicht schon lange, doch das ist nicht immer entscheidend.
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