Deutsche Fiskalpolitik ist gefordert

Die Euro-Zone benötigt Wirtschaftswachstum, um die Arbeitslosenquote zu senken, Sozialstaat und Rentensysteme aufrechtzuerhalten und die Tragfähigkeit der Schuldenquoten langfristig sicherzustellen.
Der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, will die Wirtschaft durch ein Investitionsprogramm in Höhe von bis zu 300 Mrd. € ankurbeln. Volkswirte, die keynesianisch geprägt sind, würden solch ein Stimulierungspaket gutheißen oder zumindest Sparmaßnahmen aussetzen. Doch benötigt auch Deutschland ein Investitionsprogramm? Oftmals wird unser Land als Wachstumslokomotive Europas bezeichnet. Allerdings belastet die Eurokrise auch die deutsche Wirtschaft. Bis auf die Jahre 2010 und 2011 ist das deutsche Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren eher mau ausgefallen.
Investitionen sind der Schlüssel für Wachstum. Darin scheinen sich die meisten Volkswirte einig zu sein. Denn Investitionen erhöhen die Produktionskapazitäten, was die Grundlage für Wachstum schafft. Allerdings werden staatliche Investitionen oft kritisch betrachtet: Zum einen wird oft an der Rentabilität gezweifelt. Die Folgekosten staatlicher Investitionen seien häufig größer als die Verbesserung des Wachstumspotenzials. Zum anderen wird gefordert angesichts der steigenden Schuldenquote die Rolle des Staates generell zurückzufahren. Das ist politisch oftmals einfacher durch eine Rückführung der Investitionsausgaben zu erreichen als durch Einschnitte bei sozialen Transferleistungen. Insgesamt greift diese Argumentation zu kurz. Letztendlich müssen die Finanzierungskosten der Rendite einer Investition gegenübergestellt werden. Die Rentabilität von Infrastrukturprojekten ist allerdings nur schwer zu quantifizieren, sodass höhere Staatsausgaben grundsätzlich als höhere Schulden und somit auch als steigende Zinslast gesehen werden.
Die Rentabilität staatlicher Investitionen wird oftmals ignoriert. Schließlich erhält der Staat in den meisten Fällen keine Einnahmen für seine Investitionen. Doch dies muss nicht zwangsläufig so sein. Folgende Frage steht im Raum: Gibt es beim aktuellen Zinsniveau für den Staat Investitionsmöglichkeiten, die eine höhere Rendite bieten, damit der Haushalt nicht belastet wird? Angesichts der aktuell niedrigen Zinsen für den Staat sollte es nicht schwer fallen, Investitionsmöglichkeiten zu finden. Anders formuliert: Unternehmer sollen trotz der konjunkturellen Unsicherheit in der Euro-Zone investieren, der deutsche Staat hingegen, der relativ hohe Planungssicherheit hat und der sich bei unter 1 % über zehn Jahre bzw. bei fast 0 % über fünf Jahre refinanzieren kann, lehnt Investitionen mit Hinweis auf sein Haushaltsziel ab. Dies ist kein solides Haushalten und sendet keine wachstumsfördernde Signale an den Privatsektor. Denn beim aktuellen Zinsniveau für den Staat müsste dieser vermehrt Investitionstätigkeiten übernehmen und somit Wirtschaftswachstum fördern.
Was wären sinnvolle Investitionsmöglichkeiten? Z.B. der soziale Wohnungsbau. Die durchschnittliche Mietrendite lag 2012/13 bei rund 4,4 %, sodass selbst bei einer deutlichen Subventionierung durch den Staat eine Investition immer noch keine Netto-Kosten für den Staatshaushalt ergeben würde. Zudem gäbe es weitere positive Effekte. Die sozialen Strukturen in Deutschland würden sich verbessern und das frei verfügbare Einkommen der neuen Mieter ansteigen, was mittelfristig den privaten Konsum stützen würde. Über Jahre wurde kritisiert, dass der Staat Wohnungen privatisiert, um die Staatskassen zu entlasten. Renditen von unter 1 % erlauben nun eine sinnvolle und rentable Umkehr dieser Entwicklung. Mittelfristig hätte der Staat zudem die Möglichkeit, durch erneute Privatisierung die Schuldenquoten direkt zu reduzieren. Entsprechend würden sich weder Haushaltssaldo noch Schuldenquote nachhaltig verschlechtern.
Der Staat ist besorgt über steigende Immobilienpreise und den damit verbundenen Anstieg der Mieten. Die Lösung liegt im deutlichen Anstieg der Immobilienangebote durch Wiederbelebung des sozialen oder staatlich getriebenen Wohnungsbaus. Sie liegt nicht in der Mietpreisbremse, die nicht nur einen Eingriff in die persönlichen Eigentumsrechte darstellt, sondern auch dem Angebot von mehr Wohnraum und damit nachhaltig niedrigen Mieten entgegenwirkt. Aktuellen Umfragen zufolge besteht immer noch in vielen deutschen Großstädten ein Wohnungsdefizit.
Niedrige Renditen auf Staatsanleihen haben einen Verteilungseffekt, da die Renditen der Sparer sinken und zukünftige private Renten unter Druck stehen. Aus dieser Sicht steht der Staat in der Pflicht, das Wachstumspotenzial zu stützen, um der Gefahr ansteigender Altersarmut entgegenzutreten. Zunehmende Investitionen in staatliche Pflegeheime wären eine weitere Investitionsmöglichkeit. Die darauf anfallende Rendite würde sicherlich über den staatlichen Finanzierungskosten liegen. Wie bei der staatlichen Förderung des Wohnungsbaus würden auch diese Investitionen die gesellschaftlichen Strukturen verbessern und dem Renditeverlust negativer realer Zinsen für ältere Menschen auf Sicht zumindest teilweise entgegenwirken.
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