3-Monats-Euribor erstmals negativ

Bedarf es noch eines Beweises, wie sich die Geldschwemme der EZB auf die Zinsen auswirkt, so liegt dieser jetzt vor. Denn erstmals bezahlen Banken anderen Banken Geld, um sich von ihnen Geld zu leihen.
Eine Kolumne von Carsten Müller, Chefredakteur von alpha anleihen & zinsen.
Abzulesen ist dies am 3-Monats-Euribor, der im Interbankenhandel einer der wichtigsten Referenzzinsen darstellt. Nach Angaben des Datenanbieters Bloomberg fiel der 3-Monats-Euribor aktuell auf minus 0,001%. Und das dürfte kein Ausrutscher gewesen sein.
Vielmehr ist im Euribor die ähnliche Entwicklung zu beobachten wie bei den Zinsen für Staatsanleihen, insbesondere bei den Bunds. Denn aufgrund des QE-Programms der EZB haben sich hier die negativen Verzinsungen von den kurzen Laufzeiten inzwischen in die mittleren Laufzeiten (6-8 Jahre) vorgearbeitet. Auch beim Euribor waren zuerst die kurzen Fristen (1 Woche etc.) von negativen Werten gekennzeichnet, nun also auch der 3-Monats-Zins.
Euribor dürfte weiter sinken
Da stellt sich natürlich die Frage, wo die Reise hingehen wird. Da die negativen Euribor-Sätze auch ein Hinweis dafür sind, dass die Banken es eher bevorzugen, innerhalb der eigenen Branche negative Kreditzinsen zu tragen als der EZB ihren bislang gültigen negativen Einmalzins bei minus 0,20% zu zahlen, dürfte hier vorerst eine gewisse Untergrenze für die negativen Euribor-Sätze abzulesen sein.
So rechnen bspw. die Analysten von Barclays damit, dass der 3-Monats-Euribor zum Jahresende bei minus 0,05 bis minus 0,15% liegen könnte. Letzteres wird insbesondere dann für möglich gehalten, wenn es zu einem großen Schub in der Risikoaversion im Markt kommt, z. B. bei einem unverhofften Grexit.
Geraten variabel verzinste Anleihen nun unter Druck?
Aber auch schon davor könnte ein weiter fallender Euribor für Investoren zum Problem werden. Denn viele variabel verzinste Anleihen nehmen den 3-Monats-Euribor als Referenzzins mit entsprechenden Risikoaufschlägen. Geht er weiter zurück, fallen also auch die darauf aufbauenden vierteljährlichen Kuponzahlungen.
Doch nicht nur bereits variabel verzinste Anleihen dürften davon betroffen sein, sondern letztlich auch Fix-to-float-Bonds, die sich noch in der Festzinsphase befinden. Denn auch bei denen könnte ein negativerer Referenzzins zu Bewertungsanpassungen führen.
Fazit: Variabel verzinste Anleihen - insbesondere mit Fokus auf den Euribor - dürften aktuell etwas unter Druck stehen. Allerdings rechnen wir nicht mit einem größeren Sell-off, da immer noch Unsicherheit herrscht, welchen Einfluss eine Zinswende in den USA auf das gesamte Renditespektrum auch in der Euro-Zone haben könnte. Deshalb: Stand-by.
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Seit fast 20 Jahren befasst sich Carsten Müller publizistisch mit den verschiedenen Aspekten der internationalen Kapitalmärkte. Dabei hat er als freier Journalist für einige der bekanntesten Börsenbriefverlage (u.a. Bernecker & Cie., Fuchsbriefe) geschrieben. Aktuell ist er als Herausgeber der Alphabriefe (www.alphabriefe.de) tätig. Hierbei liegen die Schwerpunkte auf Anleihen und Nebenwerten. Dabei stehen bei ihm in der jeweiligen Analyse fundamentale Aspekte im Vordergrund. Regional legt er besonderen Schwerpunkt auf die drei deutschsprachigen Märkte Deutschland, Österreich und die Schweiz.
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