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Ratings

27.07.12 09:38 Uhr

Ratings | finanzen.net

Nicht erst seit der Finanzkrise und den Turbulenzen in der Eurozonestehen sie in der Kritik: die Ratingagenturen.

Ihnen wird die Ausnutzung von Marktmacht zum Schaden von Firmen, Volkswirtschaften und Wirtschaftsregionen vorgeworfen. Manch einer sieht in ihnen den Brandbeschleuniger, obwohl es doch in der aktuellen, krisenhaften Zuspitzung der Lage in der Eurozone erst einmal darum ginge, das Feuer zu löschen und es nicht noch weiter anzufachen. Grund genug, sich intensiver mit Ratingagenturen zu beschäftigen und nach Auftrag, Vorgehensweise und Legitimität zu fragen.

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Was bedeutet überhaupt „Rating“?

Ein Rating – im Deutschen mit Bewertung oder Einstufung übersetzt – ist im Sprachgebrauch des Bank- und Finanzwesens die Einschätzung der Bonität eines Schuldners. Oder mit anderen Worten: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schuldner in Zahlungsschwierigkeiten gerät und das aufgenommene Fremdkapital – sei es in Form einer Anleihe oder eines Kredits – nicht mehr bedienen kann? Ein solcher Zahlungsausfall kann verschiedene Ausprägungen annehmen: von einer temporären Aussetzung der Zinsen bis zu einem Totalverlust des Kredits. Bei einem Rating steht also immer die Perspektive des Gläubigers im Mittelpunkt. Er muss letztlich entscheiden, wem er zu welchem Zinssatz und wie lange Fremdkapital zur Verfügung stellt. Je mehr Informationen in diesen Findungs- und Klärungsprozess einfließen, desto gesicherter ist die Entscheidungsgrundlage. Ein Rating ist also nichts Ungewöhnliches, sondern gehört zum Tagesgeschäft einer jeden Kreditabteilung einer Bank. „Kreditwürdigkeitsprüfung“ ist hier das zentrale Stichwort, das den gesamten Prozess vom Kreditantrag über die Kreditvergabe bis zur laufenden Kreditüberwachung beschreibt.

Wie kommen die Ratingagenturen ins Spiel?

Die Ursprünge liegen in den Vereinigten Staaten und gehen zurück bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Auslöser war die Insolvenz von Eisenbahngesellschaften, die sich über Anleihen finanziert hatten und in die eine Generation von Anlegern investiert hatte. Die Gesellschaften endeten oft im Bankrott; die Gläubiger standen vor dem Totalverlust und nicht selten vor dem Ruin. Angesichts dieser Entwicklung hatte Henry Varnum Poor einen glänzenden Einfall: Er verfasste 1860 ein Werk über die wirtschaftliche Lage der Eisenbahngesellschaften. Dieser Bericht wurde jährlich aktualisiert und dadurch zu einer wichtigen Informationsquelle für Anleger. Poor’s Publishing Company verschmolz 1941 mit der Standard Statistics Company zur Ratingagentur Standard & Poor’s. 1909 stieg auch John Moody in das Geschäft mit der Bonitätsbewertung von Bahnbetreibern ein und gründete eine Agentur in New York. Wenige Jahre später folgte John Fitch.

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Das Gewicht der amerikanischen Ratingagenturen – Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch – hat also historische Gründe und erklärt sich daraus, dass die Fremdkapitalbeschaffung von USUnternehmen schon im 19. Jahrhundert zu einem guten Teil über Anleiheemissionen erfolgte. Aufgrund der Dominanz der Kreditvergabe durch Banken – und des amerikanischen Wettbewerbsvorsprungs – hat sich in Europa bis jetzt keine Ratingagentur mit internationalem Renommee etablieren können. Neben den drei „Großen“ hat die 1976 gegründete Gesellschaft DBRS (Dominion Bond Rating Service) als die größte kanadische Ratingagentur einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt. Zusammen beläuft sich der Marktanteil dieser Agenturen auf über 95 %; daneben existieren auf Marktsegmente spezialisierte und national operierende Gesellschaften. Hierzu zählt die chinesische Ratingagentur Dagong Global Credit, die 1994 von Guan Jianzhong gegründet wurde und die schwerpunktmäßig die Kreditwürdigkeit heimischer Unternehmen beurteilt. Inzwischen werden auch ausländische Unternehmen und Staaten analysiert.

Welche Ratings unterscheidet man?

Ratingagenturen beurteilen die Bonität von Unternehmen in Form des Emittentenratings, die Bonität von Anleihen und Finanzprodukten in Form des Emissionsratings und die Bonität von Staaten in Form des Sovereign Ratings. Es mag auf den ersten Blick verwundern, dass zwischen Emittenten- und Emissionsrating unterschieden wird. Dies ist aber der Tatsache geschuldet, dass Unternehmen oft Anleihen begeben, die sich hinsichtlich ihrer rechtlichen Konstruktion deutlich unterscheiden. So werden Nachranganleihen – wie der Name schon sagt – erst dann bedient, wenn die anderen (vorrangigen) Gläubiger ihren Zahlungsanspruch durchgesetzt haben. Damit weist dieser Anleihetyp per se ein höheres Bonitätsrisiko auf. Berücksichtigt wird auch die Laufzeit einer Emission, sodass zwischen kurzfristigem und langfristigem Rating zu differenzieren ist. Ausgangspunkt ist dabei das Emittentenrating, da die ganzheitliche Analyse des Unternehmens immer im Mittelpunkt des Ratingprozesses steht.

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Zu unterscheiden ist auch zwischen einem Unsolicited und einem Solicited Rating. Von „unsolicited“ spricht man dann, wenn es sich um ein Rating handelt, das ohne jedes Auftragsverhältnis erstellt wurde. Die hierin zum Ausdruck kommende Einstufung beruht in aller Regel nur auf Informationen, die öffentlich verfügbar sind. Es kann aber durchaus vorkommen, dass der beurteilte Emittent bei der Erstellung hilft, um in einem günstigen Licht zu erscheinen oder Fehldeutungen von Informationen vorzubeugen.

Als Solicited Rating wird ein Auftragsrating auf Basis eines geschlossenen Vertrages zwischen Emittent und Agentur bezeichnet. Nach der Mandatierung wird zumeist ein Ratingteam gebildet, das aus mehreren Analysten besteht. Dieses Team beschafft sich öffentlich zugängliche Informationen und fordert darüber hinaus Unterlagen vom Auftraggeber an. Ferner finden Gespräche mit dem Management statt, um Einblicke in kurzund mittelfristige Planungen, die Wettbewerbs- und Konkurrenzsituation sowie die Entwicklung einzelner Geschäftsbereiche zu erhalten. Aber in den Ratingprozess fließt nicht nur das Unternehmens-, sondern auch das Branchen- und das Länderrisiko ein. Es verwundert daher nicht, dass Agenturen – sozusagen als Nebenprodukt – ein Unsolicited Rating für Länder erstellen, da dies ein Baustein im Prozess des Unternehmensratings ist. Man denke hierbei nur an Firmen, die in autokratisch regierten Staaten angesiedelt und einem erheblichen Rechtsrisiko ausgesetzt sind. Auch in Europa hat sich durch die Einführung des Euros der Handlungsspielraum für Staaten geändert und die wirtschaftspolitische Autonomie von Regierungen ist gesunken. Dies hat wiederum Rückwirkungen auf die Stabilität von politischen Prozessen und damit auf das Umfeld, in dem Unternehmen agieren.

Welche Ratingeinstufungen gibt es?

Ergebnis des Ratingprozesses ist letztlich die Einschätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten in Form von Ratingklassen, die mit Buchstaben abgekürzt werden. Hierbei gibt es die eine oder andere Nuancierung zwischen den Agenturen, die Unterschiede sind aber nicht dramatisch. So steht AAA – ausgesprochen „triple A“ – für höchste Bonität mit einem langfristigen Ausfallrisiko von fast null; C oder D für Unternehmen in Zahlungsverzug oder sogar -ausfall. Gleiches gilt für die Bonitätseinschätzung von Staaten. Moody’s verwendet Zahlen als Zusatz, zum Beispiel Aa1, Aa2, Aa3, während bei S&P ein + oder ein – angeführt wird. DBRS verwendet „low“ und „high“ als Ausprägung. Wichtig ist in diesem Zusammenhang noch die Unterscheidung zwischen Investment Grade und Non-Investment Grade: Bezogen auf die Nomenklatur von S&P spricht man von Investment Grade, solange das Rating zwischen AAA und BBB– liegt. Ab BB+ bewegt sich der Anleger im Bereich Non-Investment Grade (Abbildung 1).

So sind Fonds, Versicherungen und Pensionskassen gemäß Satzung, gesetzlicher Vorschriften oder Anlagerichtlinien zum Verkauf von Anleihen gezwungen, wenn im Zuge eines Downgradings bestimmte Ratingschwellen unterschritten werden. Dies kann natürlich Abwärtsprozesse verstärken und eine prozyklische Wirkung haben. Sollte aber deswegen auf die Veröffentlichung verzichtet werden? Dies hieße, das Kind mit dem Bade auszuschütten.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ratingagenturen – bei aller berechtigten Kritik – nützliche Informationen für Anleger liefern. Die Anleger werden in die Lage versetzt, anhand von anerkannten Ratingkategorien und -klassifizierungen die Bonitätsrisiken von Investitionsalternativen zu vergleichen, ohne selbst den Emittenten im Detail analysieren zu müssen. Das Unternehmen erhält durch das Rating den Zugang zu Fremdkapital am Kapitalmarkt und zu einem erweiterten Kreis von Investoren. Dies geht häufig mit reduzierten Fremdkapitalkosten einher. Dass Ratingagenturen keine perfekte Voraussicht haben und es auch zu Fehlurteilen kommen kann, ist klar. Die Zukunft ist unsicher – und sie wird es auch bleiben. Die letzte Verantwortung für Kauf und Verkauf von Anleihen wird immer beim Anleger liegen.

Autor: Dr. Hans-Peter Rathjens
Global Economics & Strategy Group bei Allianz Global Investors. Er ist CEFA Charterholder und Dozent für moderne Portfoliotheorie an der DVFA.

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Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

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