Marktexperte Ed Yardeni: Warum die Rezession in den USA ausbleibt und die Aktienmärkte weiter boomen
Eine von vielen Seiten postulierte Rezession in den USA blieb bislang aus. Entsprechend erwartet Anleger ein erfolgreicher Sommer am Aktienmarkt, glaubt Marktexperte Ed Yardeni.
• Yardeni nimmt Rezessionsindikatoren unter die Lupe
• LEI vs. CEI und Zinsstrukturkurv
• Starker Arbeitsmarkt und optimistische Prognose
In einem Beitrag mit dem Titel "DEEP DIVE: Winning Streaks Usually Don't Last Forever", übersetzt etwa: "Siegesserien dauern normalerweise nicht ewig", haben Ed Yardeni, Präsident von Yardeni Research Inc., einem Anbieter globaler Anlagestrategie- und Vermögensallokationsanalysen und -empfehlungen, sowie Eric Wallerstein, Chef-Marktstratege von Yardeni Research, die aktuelle Marktlage unter die Lupe genommen und kommen zu überraschenden Ergebnissen.
Ökonomen erwarten Rezession seit geraumer Zeit
"In den letzten zwei Jahren hatten die ökonomischen Hardlander unzählige Theorien und Diagramme parat, um zu erklären, warum höhere Zinsen die USA zweifellos in den Abgrund stürzen würden", so die Marktexperten in ihrer Analyse. Die Prognosen einer drohenden Rezession - ebenso wie die Einschätzung, dass diese bereits eingesetzt habe, hätten sich aber bislang allesamt als falsch erwiesen, heißt es in der Studie mit Blick auf das anhaltende Wachstum der US-Wirtschaft und den robusten Arbeitsmarkt. Dass die Aktienmärkte auf Rekordkurs seien, daran habe auch die Fed nichts ändern können, die zuletzt erklärt hatte, dass in diesem Jahr nur mit einer Zinssenkung zu rechnen sein werde, nachdem Marktteilnehmer zum Jahresstart noch auf bis zu sieben Zinssenkungen in 2024 gehofft hatten.
LEI vs. CEI
Yardeni und sein Team verweisen darauf, dass die Technische Analyse makroökonomischer Daten (TAMED), mit deren Hilfe diese Hardlander kausale Effekte und Korrelationen feststellen, die während früherer Straffungszyklen der Fed aufgetreten waren und die Unvermeidbarkeit einer Rezession implizieren, ihr Ziel im aktuellen ökonomischen Umfeld verfehlt haben.
So sei etwa der Leading Economic Index (LEI) des Conference Board, ein amerikanischer Wirtschaftsfrühindikator, der die zukünftige wirtschaftliche Aktivität vorhersagen soll, von seinen Höchstständen im Dezember 2021 deutlich zurückgekommen, während der Index of Coincident Economic Indicators (CEI), einer Statistik, die die aktuelle Wirtschaftslage bewerten soll, zeitgleich unlängst nach jahrelangem stetigen Anstiegs ein neues Rekordhoch erreicht habe - trotz der schlechten Prognosen des LEI.
Dass der LEI im derzeitigen Marktumfeld kein verlässlicher Rezessionsindikator ist, liegt laut Yardeni und Wallerstein auch daran, dass fünf seiner zehn Komponenten mit dem verarbeitenden Gewerbe und dem Baugewerbe zusammenhängen. Infolgedessen korreliere der LEI stark mit dem nationalen Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe, das das aktuelle Wirtschaftsumfeld aber nicht mehr abbildet: "Die Beschäftigung in der verarbeitenden Industrie, im Bergbau und im Baugewerbe macht heute nur noch 10 % der gesamten Lohn- und Gehaltssumme aus, während es Anfang der 1950er Jahre noch ein Drittel gewesen war. Die heutige Wirtschaft der USA ist stärker auf Dienstleistungs- und Technologiebranchen ausgerichtet".
Invertierte Zinsstrukturkurve keine Gefahr?
Hinzu komme auch, dass die sogenannte Zinsstrukturkurve, eine Komponente des LEI, aufgrund ihrer Vorhersagekraft in früheren Zyklen mehr Aufmerksamkeit als die anderen erhalte. Von einer invertierten Zinsstrukturkurve spricht man dann, wenn Anleger für kurzfristige Anlagen eine höhere Rendite erhalten als für langfristige. Dieser Effekt tritt häufig dann auf, wenn aufgrund einer drohenden Rezession mit einem Rückgang der Leitzinsen gerechnet wird.
Seit November 2022 liege die Rendite zweijähriger Staatsanleihen über der von zehnjährigen, dennoch sei es nicht zu einer Rezession gekommen, argumentiert Yardeni allerdings gegen diesen Indikator.
Dabei verwies der Marktexperte auch darauf, dass die Regionalbankenkrise vom März 2023 von der Fed schnell eingedämmt werden konnte.
Auch für den Rest des Jahres rechnet Yardeni damit, dass die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen zwischen vier und fünf Prozent schwanken wird. Vor diesem Hintergrund geht er weiter davon aus, dass die Zinsstrukturkurve ein Thema bleiben werde. "Da es also kaum einen Grund für eine Normalisierung der Zinsstrukturkurve gibt, ohne dass die Fed den Leitzins deutlich senkt, wird die Zinsstrukturkurve weiterhin den gesamten LEI belasten", prognostiziert er mit Blick auf den wichtigen Konjunkturindikator, aus dem Experten eine drohende Rezession ableiten.
Arbeitsmarkt robust
Auch ein weiteres mögliches Rezessionsmodell nimmt Yardeni unter die Lupe, die von der ehemaligen Fed-Ökonomin Claudia Sahm entwickelte "Sahm-Regel". Diese legt nahe, dass eine Rezession entweder bereits vorliegt oder auf dem Weg ist, wenn die durchschnittliche Arbeitslosenquote über drei Monate um 0,5 Prozentpunkte über die Tiefstmarke der letzten 12 Monate steigt. Im Mai lag die Sahm-Regel bei 0,4 Prozentpunkten, also nur noch 0,1 Punkte davon entfernt, rot zu blinken.
Der Marktexperte betont aber, dass man in diesem Zusammenhang unbedingt die zugrunde liegende Ursache für den Anstieg der Arbeitslosigkeit berücksichtigen müsse. Im Mai sei ein Großteil des Anstiegs der Arbeitslosigkeit auf 4 Prozent auf jüngere Amerikaner zurückzuführen, von denen viele noch auf dem College sind und für den Sommer frei haben. "Vielleicht machen sich die Studenten keine allzu großen Sorgen um ihre finanzielle Situation, wenn man bedenkt, wie viele Studienkreditschulden erlassen wurden", argumentiert Yardeni. Unterdessen sei die Arbeitslosenquote für Arbeitnehmer im Alter von 25 bis 54 Jahren (3,3 Prozent) und im Alter von 55 Jahren und älter (2,7 Prozent) deutlich unter der Gesamtquote geblieben, gibt er weiter Entwarnung
Zudem hätten zahlreiche kleine Unternehmen derzeit Schwierigkeiten, Arbeitsplätze zu besetzen, und weniger als 14 Prozent der befragten Verbraucher sagen, dass es derzeit schwierig sei, einen Job zu finden.
Yardeni blickt ohne Sorge auf die Aktienmärkte
"Ökonomen werden wahrscheinlich weiterhin nach einfachen Regeln suchen, um vorherzusagen, ob eine Rezession bevorsteht, wenn man bedenkt, wie viel Fame mit einer Rezessionsvorhersage einhergeht, die nur wenige andere getroffen haben", betont er. "Wir werden uns weiterhin mit den Details hinter den Wirtschaftsschlagzeilen befassen. Das lässt uns bisher davon ausgehen, dass sich die Inflation weiter abschwächen wird, die Wirtschaft weiter wachsen wird und die 'Roaring 2020s' noch am Leben sind", so Yardeni abschließend.
Redaktion finanzen.net
Weitere News
Bildquellen: Immersion Imagery / Shutterstock.com, Lightspring / Shutterstock.com