Zukunftstechnologie?

Triebwerke, Muskelzellen, Waffen - Chancen und Risiken des 3D-Drucks

21.08.16 13:01 Uhr

Triebwerke, Muskelzellen, Waffen - Chancen und Risiken des 3D-Drucks | finanzen.net

Ein Auto aus Aluminiumpulver, individuelles Spielzeug aus flüssigem Kunststoff und künstlich verklebte Muskelzellen - das ist keine Science-Fiction, 3D-Druck macht (fast) alles möglich! Es gibt viele Chancen, aber auch Risiken.

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Nicht nur die kreativen Möglichkeiten des dreidimensionalen Druckens sind grenzenlos, es werden auch immer mehr Materialien zum Drucken benutzt. FDM-Geräte verarbeiten im sogenannten "Schmelzschicht"-Verfahren Kunststoffe oder Modellierwachs, SLM- oder SLS-Drucker können sogar Objekte aus Metallen wie Stahl und Titan herstellen (mehr zu den verschiedenen Druck-Verfahren finden Sie im ersten Teil unserer kleinen Serie: http://www.finanzen.net/nachricht/aktien/Science-Fiction-Nein-Metallpulver-fluessiges-Plastik-Schokolade-Grenzenlose-Kreativitaet-mit-3D-Druck-5042647).

Der moderne 3D-Druck ist längst keine Spielerei mehr. Im 3D-Drucker gefertigte Objekte sind inzwischen aus der industriellen Großproduktion nicht mehr wegzudenken und können Teil eines großen Ganzen sein.

CHANCEN DES 3D-DRUCKS

Die Unternehmensberatung Ernst & Young kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass in Deutschland mit 3D-Druck mittlerweile fast eine Milliarde Euro Umsatz erzielt wird, unter anderem mit Zahnersatz, Bauteilen für Autos und Flugzeuge sowie anderen Produkten. Deutsche Unternehmen seien weltweit führend beim Einsatz von 3D-Druckern.

Vor allem die Automobil- und die Luftfahrtindustrie profitiert sehr von der Flexibilität des 3D-Drucks. Vollständige Auto-Chassis können aus Aluminiumpulver gedruckt werden, die restlichen Bauteile werden bisher weiter nach herkömmlichen Verfahren hergestellt. Der Vorteil für ein gedrucktes Fahrgestell liegt auf der Hand: Es wiegt nur etwa ein Zehntel eines normalen Chassis und erhöht so die Chance, den Kraftstoffverbrauch und damit die Umweltbelastung extrem zu senken.

AUTOMOBILBRANCHE



Abstandshalter und Warnblinker aus dem 3D-Drucker

Der deutsche Autobauer Daimler will künftig Ersatzteile für seine Lkw-Sparte mithilfe des 3D-Drucks produzieren. Vor allem Ersatzteile für nicht mehr aktuelle Baureihen könnten so deutlich günstiger hergestellt werden. Laut Daimler sollen ab September die ersten 30 Original-Ersatzteile aus Kunststoff im Angebot sein, unter anderem Abstandshalter, Aufhängungen oder Kabelkanäle.

BMW scheint da schon einen Schritt weiter. Nach eigenen Angaben wendet der Autohersteller aus München 3D-Druck seit mehr als 25 Jahren in unterschiedlichen Bereichen an. "Das Unternehmen wird diese Pionierrolle künftig weiter ausbauen", teilt BMW im Juli in einer Pressemitteilung mit. "Mit bisher mehr als 10.000 additiv produzierten Bauteilen für den Rolls-Royce 'Phantom' setzt die BMW Group bereits seit 2012 Bauteile aus dem 3D-Drucker in der Serienproduktion ein", heißt es in der Pressemitteilung weiter.

Verkürzte Produktionszeit bei hoher Qualität

Laut der Pressemitteilung von BMW seien unter anderem für den Rolls-Royce "Phantom" die Kunststoffhalterungen für Warnblinker, Türentriegelungstaste, elektronische Parkbremse und Steckdose produziert worden. Und die Vorzüge des 3D-Drucks nennt BMW auch direkt: "Im Vergleich zu herkömmlichen Produktionsmethoden reduziert sich die Produktionszeit erheblich, während gleichzeitig hohe Qualitätsansprüche erfüllt werden können."

Volkswagen arbeite ebenfalls intensiv an dreidimensionalen Verfahren und Anwendungsbereichen, erklärte ein VW-Sprecher. Allerdings: "Bei großen Stückzahlen ist der 3D-Druck im Vergleich mit herkömmlichen Produktionsverfahren für viele Anwendungen noch zu teuer."

LUFTFAHRTINDUSTRIE



Der erste gedruckte Mini-Flieger

Auch die Luftfahrtbranche hat längst die großen Vorteile des 3D-Drucks erkannt. Airbus, Boeing & Co. könnten mit dieser Technik in Zukunft deutlich unabhängiger von Zulieferern werden. Bislang bauen die großen Unternehmen der Luftfahrtbranche die von externen Firmen hergestellten Teile zum fertigen Flugzeug zusammen. Fehlt ein einziges Bauteil oder fällt ein Zulieferer aus, kann dies die gesamte Produktion blockieren. Statt Bauteile zu beziehen, könnten die Flugzeugbauer diese künftig einfach ausdrucken.

Tatsächlich einfach ist das derzeit noch nicht, aber der industrielle 3D-Druck erlebt rasante Fortschritte. Und Airbus hat bereits einen Mini-Flieger aus 50 ausgedruckten Einzelteilen zusammengebaut - und Anfang des Jahres in die Luft gebracht: "Thor" ist der erste komplett im 3D-Drucker aus Polyamid hergestellte Airbus.

Ganze Triebwerke aus dem 3D-Drucker?

Unzählige Kleinteile aus Kunststoff für Verkehrsflugzeuge werden so hergestellt. Der britische Luftfahrtkonzern BAE Systems hat Kleinteile für den Kampfjet Tornado im 3D-Drucker produziert. Es gibt aber auch bereits gedruckte Teile aus Titan mit einer Länge von 1,5 Metern.

Die Triebwerkshersteller Rolls-Royce und MTU erforschen im europäischen "Merlin-Projekt" die Produktion gedruckter Antriebsschaufeln. In Zukunft sollen ganze Triebwerke auf diese Art und Weise produziert werden.

Neue Technologien - neue Firmenstrategien

Die neue Technik beeinflusst auch die Bedeutung für die Zukunftsstrategien von Unternehmen: 26 von 100 befragten Top-Managern stuften in einer aktuellen Studie zur Luftfahrtbranche neue Technologien, also auch den 3D-Druck, als wichtige Trends in der industriellen Fertigung ein.

Der größte Triebwerkshersteller der Welt, der US-Konzern General Electric, beteiligt sich bereits bei den beiden führenden 3D-Druckmaschinen-Herstellern Morris Technology und Rapid Quality Manufacturing. Damit hat sich GE den Zugang zu deren Maschinenpark und Know-how langfristig gesichert.

MEDIZIN



3D-Drucker - Hilfe zur OP-Vorbereitung und in der Zahnmedizin

Ein weiteres wichtiges Einsatzfeld für die dreidimensionale Drucktechnik ist die Medizin. 3D-Drucker können aus flüssigem Kunststoff nicht nur Plastikspielzeug herstellen, sondern auch Modelle zur OP-Vorbereitung sowie Prothesen aller Art.

In der Zahnmedizin unterstützen 3D-Drucker die Ärzte dabei, Füllungen und Kronen genauer als je zuvor zu fertigen. Eine Kamera nimmt den kranken Zahn des Patienten auf, anschließend werden die digitalen Bilder in ein 3D-Modell umgerechnet. Auf Basis dieser Daten fräst eine Schleifmaschine das gewünschte Inlay oder die Krone - das Verfahren nennt sich CAD/CAM-Technologie.

Organe aus dem 3D-Drucker

Doch es geht noch spektakulärer: Längst träumen Mediziner davon, ganze Organe auszudrucken. Und das könnte bald gelingen. In Versuchen mit Ratten und Mäusen funktioniert das Ausdrucken von Gewebe bereits. Bei Tierexperimenten am Wake Forest Institute for Regenerative Medicine in North Carolina wurden Knorpel, Knochen und Muskelgewebe erst vom 3D-Drucker hergestellt und dann erfolgreich eingesetzt - ein neuer Gewebe- und Organdrucker machte das möglich.

Dieses Gerät sei "ein wichtiger Fortschritt", um eines Tages Ersatzgewebe für Patienten produzieren zu können, schreiben der Forschungsleiter Professor Anthony Atala und seine Kollegen im Fachblatt "Nature Biotechnology".

3D-Drucker könnten medizinische Revolution einleiten

Solche Drucker schießen menschliche Zellen auf die exakt richtigen Stellen einer Trägermasse, damit sie sich zu den gewünschten Organen zusammenfinden können. "Ärzte der Zukunft werden nicht mehr nur heilen", sagte Atala bereits 2014 bei einem Vortrag in Genf, "sie werden selbst neue Organe erschaffen." Eine Anwendung in der Humanmedizin stehe aber noch in weiter Ferne.

Gelingt es diese Technik zu verfeinern und auf andere Zellen und/oder Organe auszuweiten - bei Blasen und Nieren wurde dieses "Zelldruckverfahren" schon erfolgreich eingesetzt -, dann leitet der 3D-Druck nicht nur die dritte industrielle Revolution ein, sondern auch gleich noch die medizinische.

GEFAHREN DES 3D-DRUCKS

Wie viele neue Entwicklungen bringen auch 3D-Drucker Risiken und Gefahren mit sich. Die innovativen Geräte werden überall dort eingesetzt, wo sie Arbeit erleichtern, wo sie Zeit und Geld sparen und wo Flexiblität gefragt ist, also auch beim Militär und in der Waffenproduktion.

MILITÄR



Sprengköpfe aus dem 3D-Drucker

Die US-Army arbeitet seit geraumer Zeit an Verfahren, die es möglich machen, Bauteile für Drohnen direkt im Kampfeinsatz mit dem 3D-Drucker zu produzieren. So können vor Ort passgenaue Drohnen entstehen, die individuell auf den jeweiligen Kampfeinsatz abgestimmt werden.

Doch das ist nicht alles. Die Zukunft beim Militär scheint voller Science-Fiction: Neben dem dreidimensionalen Druck von menschlicher Haut, von Essen für die Soldaten und von Ersatzteilen für Militärfahrzeuge, sollen 3D-Drucker für die US-Army in Zukunft sogar Sprengköpfe ausdrucken. Dadurch sollen die Kosten gesenkt, vor allem aber auch neue Möglichkeiten für einen "smarteren" Aufbau der Sprengkörper gefunden werden. Von diesen Planungen im US-Militär berichtete das Magazin "Army Technology" schon vor über zwei Jahren.

3D-Drucker helfen Bundeswehr bei der Einsatzplanung

In einem Forschungsprojekt der deutschen Bundeswehr entwerfen Wissenschaftler mittels der Photogrammetrie an nur einem Tag das 3D-Modell einer ganzen Stadt. Das könnte künftig die Einsatzplanung erleichtern, zum Beispiel bei einer Evakuierung eines Gebäudes - oder bei der Eroberung von ganzen Stadtteilen. Als Grundlage brauchen die Wissenschaftler um Helmut Mayer, Professor für Visual Computing an der Universität der Bundeswehr in München, dafür nur Fotos.

Auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung in Berlin (ILA) führte die Branche schon Anfang des Jahres die - aus ihrer Sicht - künftigen Chancen des dreidimensionalen Drucks vor: Super-Helikopter, Mega-Transporter oder Flugzeuge aus dem 3D-Drucker. Bis dahin dürfte es allerdings noch ein weiter Weg sein - trotz des hier bereits vorgestellten Airbus-Flugzeugs "Thor".

Handfeuerwaffen aus dem 3D-Drucker

Die größten Risiken ergeben sich beim Missbrauch des 3D-Drucks durch Kriminelle. Der bekannteste Fall ist wohl die bereits 2013 ausgedruckte Handfeuerwaffe "The Liberator". Die regierungskritische Non-Profit Organisation "Defense Distributed" entwarf die Waffe und testete sie angeblich erfolgreich auf ihre Funktionalität. "The Liberator" besteht bis auf einen Nagel, der als Abzug dient, komplett aus Kunststoff.

Ebenfalls 2013 druckte die texanische Firma Solid Concepts eine Waffe aus Metall aus, die nach eigenen Angaben "wunderschön funktioniert und schon 50 Schuss erfolgreich abgefeuert hat". Beim Herstellungsprozess kam ein SLM-Drucker zum Einsatz, der wohl für kriminelle Einzeltäter nicht finanzierbar ist. "Der industrielle Drucker, den wir benutzt haben, kostete mehr als meine College-Gebühren", schrieb damals die Pressevertreterin auf dem Firmen-Blog. Demnach dürfte der Drucker mehr als 130.000 Dollar gekostet haben.

FAZIT

Je genauer 3D-Drucker arbeiten, je mehr verschiedene Materialien gedruckt werden können und je günstiger die Geräte werden, desto größer werden die Möglichkeiten des Missbrauchs. Wenn Kriminelle mit Leichtigkeit Waffen und Munition ausdrucken können, dann könnte die Technik außer Kontrolle geraten. Nichtsdestotrotz ist und bleibt die additive Fertigung die Technologie der Zukunft.

Für den amerikanischen Professor und Autor Richard A. D´Aveni läutet der 3D-Druck "eine neue Ära" ein. Der dreidimensionale Druck mache es möglich, "dass Maschinen Objekte jeglicher Form produzieren, wann und wo immer sie gebraucht werden".

Aufgrund dieser fast unbegrenzten Produktionsmöglichkeiten ist die 3D-Drucktechnik D´Aveni zufolge in der Lage, die aktuellen Wirtschaftskräfte zu verschieben. "China wird seine Position als Werkbank der Welt aufgeben müssen", schreibt der Professor für strategisches Management im Harvard Business Journal. In den vergangenen Jahrzehnten seien Wohlstand und Arbeitsplätze in Richtung Osten verlagert worden. Diese Technologie aber werde die Gewichte in der Welt erneut verändern.

Von Markus Gentner/Redaktion finanzen.net

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