US-Zahlungsausfall scheint vorerst abgewendet
Ein drohender Zahlungsausfall der US-Regierung mit potenziell katastrophalen wirtschaftlichen Folgen scheint vorübergehend abgewendet.
Der US-Senat stimmte am Donnerstagabend (Ortszeit) einer Erhöhung der Schuldengrenze um 480 Milliarden US-Dollar (knapp 416 Milliarden Euro) bis Anfang Dezember zu. Eine Abstimmung im Repräsentantenhaus steht allerdings noch aus, hier gilt die Zustimmung als Formsache. Das Weiße Haus teilte mit, US-Präsident Joe Biden werde das Gesetz danach umgehend unterzeichnen. Das Problem ist damit aber nur aufgeschoben. Streit gibt es weiterhin darüber, wie eine über Dezember hinausgehende Lösung aussehen könnte.
Vorausgegangen waren heftige Streitereien zwischen Demokraten und Republikanern - sie schieben sich in dem brandgefährlichen Konflikt, der schwere Folgen auch für die Weltwirtschaft haben könnte, gegenseitig die Verantwortung zu. Am Donnerstag erzielten die beiden Parteien schließlich eine vorübergehende Einigung. Die Abstimmung über die Vereinbarung fiel mit 50 zu 48 Stimmen entlang der Parteilinien knapp aus - kein Republikaner schloss sich den Demokraten an. Allerdings konnte die Erhöhung zuvor mithilfe der Republikaner überhaupt erst zur Abstimmung gebracht werden.
Finanzministerin Janet Yellen hatte vor einer möglichen Finanzkrise und einer potenziellen Rezession gewarnt, sollte die US-Regierung erstmals ihre Schulden nicht bedienen können. Ihrem Ministerium zufolge wäre den USA ab dem 18. Oktober das Geld ausgegangen, also in anderthalb Wochen. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte könnte die US-Regierung dann ihre Schulden nicht mehr bezahlen. "Das wäre absolut katastrophal, es wäre undenkbar", sagte Yellen am Donnerstagabend dem Sender CNN. "Worüber wir hier wirklich reden, ist, ob man sich darauf verlassen kann, dass die Regierung ihre Rechnungen bezahlt."
Ein Zahlungsausfall der USA würde das Vertrauen in die Kreditwürdigkeit der weltgrößten Volkswirtschaft beschädigen, was auch international ökonomische Verwerfungen auslösen könnte. Wenn sie keine Kredite zur Zahlung fälliger Rechnungen aufnehmen kann, müsste die US-Regierung bestimmte Rentenzahlungen aussetzen. Auch müsste sie nach Angaben des "Wall Street Journals" die Gehälter von Soldaten und Bundesbediensteten einbehalten beziehungsweise kürzen oder Zinszahlungen aufschieben. Wäre die Schuldenobergrenze nicht angehoben worden, könnte das Finanzministerium gezwungen worden sein, Zahlungen um mehr als 40 Prozent zu kürzen, zitierte das Blatt eine Schätzung der US-Investmentbank Goldman Sachs.
Die aktuelle Schuldengrenze liegt bei etwa 28,5 Billionen US-Dollar. Bidens Demokraten wollten die Grenze eigentlich bis zum 16. Dezember 2022 aufheben. Um dieses Vorhaben im Senat auf regulärem Wege überhaupt zur Abstimmung zu bringen, benötigen sie aber auch Stimmen von Republikanern. Deren Fraktionschef Mitch McConnell verweigert die Zustimmung. Er verweist auch immer wieder darauf, dass die Demokraten über ein Sonderverfahren für Budgetfragen den gesamten Prozess mit ihrer einfachen Mehrheit im Senat alleine bestreiten könnten. Dagegen sperren sich aber die Demokraten. Sie fürchten, das Vorgehen sei zu riskant und könnte zu etlichen Verzögerungen führen.
Außerdem wollen die Demokraten in dem Streit über die Schuldenobergrenze unbedingt auch die Stimmen der Republikaner, da mit dem Geld auch Rechnungen aus der Zeit des damaligen US-Präsidenten Donald Trump beglichen werden. Bereits seit dem Sommer greift das Finanzministerium zu "außerordentlichen Maßnahmen", um einen Zahlungsausfall zu verhindern. Bislang haben sich Republikaner und Demokraten noch immer auf eine Erhöhung der Grenze verständigt - wenn auch oft nach viel Zittern und mehreren Verhandlungsrunden.
McConnell, Minderheitsführer der Republikaner im Senat, hatte nun angeboten, eine Notfall-Anhebung der Schuldengrenze auf einen bestimmten Betrag bis Dezember bei einer regulären Abstimmung nicht zu blockieren. Zunächst hatte das Weiße Haus verhalten auf den Vorschlag reagiert, da sich das Problem dadurch lediglich um wenige Wochen verschiebe. Einen Tag später änderte sich dann aber der Ton und man zeigte sich offen für McConnells Vorschlag. "Dies ist ein vorübergehender Aufschub, aber wir werden nicht locker lassen, bis Senator McConnell seine Blockadehaltung aufgibt und uns erlaubt, die Sache endgültig hinter uns zu bringen", sagte die Vizesprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre.
Finanzministerin Yellen hatte sich zuletzt dafür ausgesprochen, das Gesetz zur Schuldenobergrenze in seiner jetzigen Form ganz abzuschaffen. "Ich denke, die Schuldenobergrenze ist für Amerika zunehmend schädlich", sagte sie nun erneut. Sie habe zu einer Reihe von politisch gefährlichen Konflikten geführt, die Amerikaner und die globalen Märkte dazu veranlasst hätten, sich zu fragen, ob die USA es mit der Bezahlung ihrer Rechnungen ernst meinten. In den USA legt der Kongress in unregelmäßigen Abständen eine Schuldenobergrenze fest und bestimmt, wie viel Geld sich der Staat leihen darf. Die Grenze wurde seit ihrer Einführung 1917 dutzendfach erhöht, da sonst das Geld ausgegangen wäre.
Hinter dem Streit um die Staatspleite tobt aber noch ein anderes Kräftemessen. Biden versucht, die beiden zentralen Vorhaben seiner Präsidentschaft zu retten: ein großes Paket für Investitionen in die Infrastruktur des Landes und ein zweites gewaltiges Paket mit Investitionen für Soziales. Bei dem zweiten Projekt wollen die Republikaner auf keinen Fall mitspielen. Allerdings gibt es darüber auch Flügelkämpfe innerhalb von Bidens Demokraten - sie können ihre knappen Mehrheiten im Kongress deswegen nicht nutzen.
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WASHINGTON (dpa-AFX)
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