EZB-Ratsmitglied Nagel: EZB-Zinspause ab Sommer ist "nicht ausgemacht" - Lagarde stellt weiter Zinserhöhungen in Aussicht
Die Europäische Zentralbank (EZB) muss ihre Zinsen nach Ansicht von EZB-Ratsmitglied Joachim Nagel noch mehrfach erhöhen.
Nagel sagte bei einer Rede in Bochum laut veröffentlichtem Text: "Aus heutiger Sicht sind noch mehrere Zinsschritte nötig. Für mich ist nicht ausgemacht, dass wir den Zinsgipfel bereits im Sommer erreichen." Zins-Futures preisen einen Zinserhöhung um 25 Basispunkte am 15. Juni voll, eine um weitere 25 im Juli aber nur teilweise ein.
Nagel zufolge muss die EZB ihre Zinsen, wenn sie hoch genug seien, so lange auf diesem Niveau halten, bis die hohe Inflation überwunden sei und bis "zweifelsfrei" klar sei, dass das Ziel von 2 Prozent Inflation zeitnah erreicht werde. Schließlich muss die Zinspolitik laut Nagel unterstützt werden, indem die die Anleihebestände auf der EZB-Bilanz verringert werden. "Ab Juli wollen wir das Abbautempo erhöhen - das begrüße ich sehr. Diese Maßnahmen helfen uns, die Teuerungswelle hinter uns zu lassen und zu einem stabilen Rahmen zurückzukehren", sagte er.
Mit Blick auf die kurzfristige Entwicklung der deutschen Konjunktur äußerte sich Nagel relativ zuversichtlich. Die Konjunkturfachleute der Bundesbank seien vorsichtig optimistisch - "es sollte also schon bald wieder aufwärtsgehen", sagte Nagel.
EZB-Präsidentin Lagarde: "Preisdruck bleibt stark"
Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, hat weitere Leitzinserhöhungen in Aussicht gestellt. "Der Preisdruck bleibt stark", sagte Lagarde am Montag vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments. "Unsere künftigen Entscheidungen werden sicherstellen, dass die Leitzinsen auf ein ausreichend restriktives Niveau gebracht werden." Ziel sei eine Rückkehr zum Inflationsziel von zwei Prozent. Im Mai war die Inflationsrate auf 6,1 Prozent gesunken.
Nach Jahren mit Null- und Negativzinsen hat die EZB angesichts der hartnäckig hohen Teuerung die Zinsen in einer beispiellosen Serie seit Juli 2022 siebenmal in Folge angehoben. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Zentralbankgeld besorgen können, liegt mittlerweile bei 3,75 Prozent. Parken Banken Geld bei der EZB, erhalten sie dafür 3,25 Prozent Zinsen. Zuletzt hatte sie den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte angehoben. Ein solcher Schritt wird auch für die nächste Sitzung am 15. Juni erwartet.
"Unsere Zinserhöhungen wirken sich deutlich auf die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen und Haushalte aus, was sich in steigenden Kreditzinsen und sinkenden Kreditvolumina zeigt", sagte Lagarde. Die volle Wirkung der geldpolitischen Maßnahmen beginne jetzt zu greifen. Es gebe aber noch keine klaren Signale, dass die Kerninflationsrate ihren Höhepunkt überschritten habe. Bei der Kerninflation werden schwankungsanfällige Energie- und Lebensmittelpreise herausgerechnet.
Mit Blick auf den Bankensektor in der Eurozone zeigte sich Lagarde optimistisch. "Die Finanzstabilität im Euroraum hat sich bisher als robust erwiesen", sagte sie. Man bewerte weiterhin mögliche Risiken. "Wir sehen keinen Zielkonflikt zwischen Finanzstabilität und Preisstabilität im Euroraum." Bankenturbulenzen in den USA und der Schweiz hatten zuletzt für Verunsicherung gesorgt.
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FRANKFURT / BRÜSSEL (Dow Jones/dpa)
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