Brexit-Gipfel: Optimismus - aber kein greifbarer Fortschritt
Die Ungewissheit um den britischen EU-Austritt wird sich wohl noch über Wochen hinziehen.
Bei einem Brexit-Gipfel in Brüssel machten sich die Europäische Union und Großbritannien am Mittwochabend zwar Mut, dass eine Einigung noch möglich sei. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte Hoffnung. Konkrete Fortschritte gab es aber nicht - auch keinen Beschluss für einen Sondergipfel im November. Einziges Signal: EU-Chefunterhändler Michel Barnier soll weiter verhandeln. Barnier selbst meint, er brauche noch "sehr viel Zeit".
Großbritannien will die EU am 29. März 2019 verlassen. Doch die Verhandlungen über einen Austrittsvertrag stecken in der Sackgasse. Hauptstreitpunkt ist, wie politisch heikle Kontrollen an der künftigen EU-Außengrenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland vermieden werden können. Kommt kein Vertrag zustande, droht am Brexit-Tag ein chaotischer Bruch mit Verwerfungen für die Wirtschaft und Unsicherheit für Millionen Bürger.
Nicht nur die britische Premierministerin Theresa May, sondern auch Merkel betonten aber beim Gipfel, noch gebe es eine Chance auf Einigung. "Ich gehe mit dem Geist an die Sache heran, immer alles zu versuchen, eine Übereinkunft zu finden", sagte Merkel. "Das wäre für alle Seiten besser." Allerdings fügte die CDU-Chefin hinzu: "Es liegt weitere Arbeit vor uns."
May warb im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs noch einmal für ihre Position, brachte aber keine neuen Vorschläge mit, wie EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani berichtete. Nach Ende der Beratungen sagte der österreichische Kanzler Sebastian Kurz: "Vieles von dem, was sie uns gesagt hat, war uns bekannt." Trotzdem gab sich Kurz optimistisch, dass "die Brexit-Frage gelöst werden kann".
May zog ebenfalls ein positives Fazit: "Wir haben gezeigt, dass wir schwierige Vereinbarungen konstruktiv zusammen treffen können", erklärte sie schriftlich. "Ich bleibe zuversichtlich für ein gutes Ergebnis. Und die letzte Etappe benötigt Vertrauen und Führungskraft auf beiden Seiten." Zu Beginn des Gipfels hatte sie öffentlich auf "große Fortschritte" in den Verhandlungen verwiesen und erklärt: "Ein Abkommen ist machbar und jetzt ist die Zeit, es fertig zu bekommen."
Zur Debatte stand die Einberufung eines EU-Sondergipfels im November. Doch entschieden die 27 bleibenden Staaten noch nichts. Man stehe bereit, einen Gipfel einzuberufen, sobald EU-Unterhändler Barnier "entscheidende Fortschritte" signalisiere, hieß es anschließend.
Die EU erwägt als Zugeständnis an Großbritannien eine längere Übergangsfrist nach dem Brexit - das bestätigte Barnier nach Angaben von Diplomaten am Dienstag den 27 bleibenden Staaten. Mit Großbritannien provisorisch vereinbart ist bisher eine Phase bis Ende 2020, in der sich praktisch nichts ändert. Diese könnte den Angaben zufolge ein Jahr länger ausfallen, also insgesamt knapp drei Jahre. Tajani signalisierte dafür Zustimmung des EU-Parlaments, das jedes Abkommen letztlich ratifizieren müsste.
Auch May signalisierte Diplomaten zufolge Bereitschaft, eine solche Verlängerung zu erwägen. Dann hätten beide Seiten mehr Zeit, die anvisierte Handels- und Sicherheitspartnerschaft nach dem Brexit zu klären. Das könnte wiederum helfen, auch die Irland-Frage zu lösen. Die EU verlangt eine Garantie, dass die Grenze offen bleibt, den sogenannten Backstop. May will das Problem indes im Rahmen eines langfristigen Handelspakts regeln.
Voraussetzung für das Inkrafttreten der Übergangsfrist ist aber, dass überhaupt ein Austrittsvertrag zustande kommt. Bei den am Wochenende vorerst gestoppten Verhandlungen hatte der Vorschlag einer längeren Übergangsphase bereits auf dem Tisch gelegen und keinen Durchbruch gebracht, wie es aus Verhandlungskreisen hieß. In London dringen kategorische Brexit-Befürworter darauf, die Trennung von der EU so schnell wie möglich zu vollziehen.
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BRÜSSEL (dpa-AFX)
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