Wieder eine Blase?

Crash-Warnung für die Aktienmärkte

17.06.14 16:30 Uhr

An den Aktienmärkten hat sich erneut eine Spekulationsblase gebildet, es ist bereits die dritte in weniger als zwei Jahrzehnten.

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von Claus Vogt, Gastautor von Euro am Sonntag

Die US-Aktienmärkte befinden sich erneut in einer ausgeprägten Spekulationsblase. Zu diesem Ergebnis kommen alle historisch treffsicheren Kennzahlen wie Shiller-Kurs-Gewinn-Verhältnis, Kurs-Umsatz-Verhältnis, Kurs-Buchwert-Verhältnis oder der einst von Staranleger Warren Buffett hochgelobte Indikator Aktienmarktkapitalisierung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Anhand des Verlaufs dieses Indikators können Sie sich selbst ein Bild von der Lage machen. Die meisten Indikatoren zeigen nämlich einen ähnlichen Verlauf wie dieser: Das Hoch des Jahres 2007 wurde inzwischen überschritten, das des Jahres 2000 hingegen nicht.

Manchen Kennzahlen ist aber sogar dieses Kunststück schon gelungen. Die Summe der US-Wertpapierkredite, also das Spekulieren auf Kredit, hat bereits Anfang des Jahres ein neues Allzeithoch erreicht. Und bei diversen Sentimentindikatoren muss man immerhin bis ins Crash-Jahr 1987 zurückgehen, um auf eine ähnlich euphorische Stimmung wie in den vergangenen Monaten zu stoßen.

Claus Vogt
Geldpolitische Wende in den USA wird Blase platzen lassen An den europäischen Märkten zeigt sich ein ähnliches Bild. Außerdem folgen diese - allen voran der DAX - den Vorgaben aus den USA geradezu sklavisch. Deshalb verzichte ich hier auf eine ausführlichere Betrachtung Europas. Die in jedem Zyklus aufs Neue beschworene Abkoppelung ist bisher noch immer ausgeblieben. Und ich sehe keinen Grund, warum es dieses Mal anders sein sollte: Wenn die Spekulationsblase in den USA platzt, dann werden die unausweichlichen Folgen dieses Ereignisses auch den Rest der Welt wieder in Mitleidenschaft ziehen. Doch wann müssen wir damit rechnen? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir uns zunächst etwas näher mit der Entstehung von Spekulationsblasen befassen.

Die notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Entstehung von Spekulationsblasen sind Geld- und Kreditmengenwachstum. Mit ihrer ultraexpansiven Geldpolitik der vergangenen Jahre haben die Zen­tralbanken weltweit diese Bedingung in nie zuvor gesehenem Ausmaß erfüllt. Damit sind sie natürlich auch die Hauptverantwortlichen für die verheerenden Folgen von Spekulationsblasen. Doch das ist ein anderes Thema.

Damit tatsächlich eine Blase entsteht, bedarf es allerdings noch zusätzlicher Ingredienzien. Insbesondere geht es nicht ohne eine massenpsychologische Verblendung. Sie sorgt dafür, dass eigentlich vernünftige Anleger plötzlich bereit sind, absurd hohe Preise für die Spekulationsobjekte ihrer Begierde zu zahlen. Ende der 90er-Jahre trübte der Glaube an unrealistisch hohe Wachstumsraten aufgrund der technologischen Revolution den Verstand der Massen. Mitte der 2000er war es der Glaube an ewig steigende Immobilienpreise. Aktuell ist es der jeder Vernunft und Menschenkenntnis Hohn sprechende Glaube an die Allmacht und Allwissenheit zeitgenössischer Zentralbankbürokraten.

Nun lassen Finanzgeschichte und Geld­theorie aber keine Zweifel daran, dass alle Spekulationsblasen früher oder später platzen. Auf die Frage nach dem Warum gibt es zwei prinzipielle Antworten: Erstens können Spekulationsblasen ohne erkennbaren äußeren Anlass platzen. Sie kollabieren gewissermaßen unter ihrem eigenen Gewicht, wenn ihre Zeit gekommen ist, da sie alle auf der "Greater-Fool-Theorie" basieren. So nennt man die Geisteshaltung von Käufern, die zwar wissen, dass sie offensichtlich überhöhte Preise zahlen, aber damit rechnen, später ihrerseits einen Käufer zu finden, der noch höhere Kaufkurse akzeptiert. Sobald der letzte dieser Kaufwilligen an Bord gegangen ist, kollabiert das gesamte Gefüge. Wie in dem Märchen "Des Kaisers neue Kleider" hervorragend beschrieben wird, geht die massenpsychologische Verblendung gewöhnlich schlagartig zu Ende und weicht der wiederkehrenden Vernunft.

Zweitens müssen Spekulationsblasen platzen, wenn sich die oben als notwendige Bedingung ausgemachten geldpolitischen Rahmenbedingungen ändern, wenn also eine geldpolitische Verschärfung stattfindet. Genau an diesem Punkt sind wir im laufenden Zyklus inzwischen angekommen: Ende vorigen Jahres hat in den USA eine geldpolitische Wende stattgefunden. Seither wurde in bisher vier Schritten der Umfang der durch die US-Zentralbank vorgenommenen Anleihenkäufe mit Geld, das speziell zu diesem Zweck neu geschaffen wird, von 85 Milliarden Dollar pro Monat auf 45 Milliarden reduziert. Außerdem wurden weitere Schritte angekündigt - bis hin zum Ende dieser euphemistisch als "Quantitative Easing" bezeichneten unkonventionellen geldpolitischen Kampagne.

Langfristig gesehen ist diese geldpolitische Wende eine längst überfällige Notwendigkeit. Denn mit der Gelddruckmaschine kann man keinen Wohlstand schaffen, sondern lediglich umverteilen - und zwar von unten nach oben. Die zunehmend in die Kritik geratene ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen, der deutlich größer gewordene Abstand zwischen Arm und Reich, sind eine ­direkte Folge dieser Geldpolitik. Außerdem setzt sie völlig falsche Anreize, indem sie das Sparen bestraft und das Spekulieren belohnt. Darüber hinaus führt sie zu einer systematischen Fehlsteuerung des Wirtschaftsprozesses, indem sie Fehlinvestitionen und wirtschaftliche Ungleichgewichte bewirkt.

Zentralbanken haben ihr
Pulver bereits verschossen

Für diesen Prozess gilt ein simpler und gefährlicher ökonomischer Zusammenhang: Je länger die geldpolitische Fehlsteuerung anhält, desto größer werden die Ungleichgewichte. Je größer die Ungleichgewichte sind, desto schmerzhafter fällt die unvermeidliche Anpassungs- und Bereinigungskrise aus, die mit dem Platzen der Blase ausgelöst wird. Kurzfristig gesehen wird sich diese geldpolitische Wende als die Nadel erweisen, mit der die Blase zum Platzen gebracht wird. Dann werden die Fehlentwicklungen und Ungleichgewichte, die während der vergangenen Jahre entstanden sind, offensichtlich, und die Anpassungskrise beginnt. Dabei muss befürchtet werden, dass diese Krise noch heftiger ausfallen wird als im Jahr 2008.

Dafür gibt es mehrere wichtige Gründe: Die Gesamtverschuldung hat seit 2007 weltweit um rund 30 Prozent zugenommen. Die Anleihemärkte wurden mit einer Flut hochriskanter Anleiheemissionen (Junk Bonds) überschwemmt. Die als systemrelevant geltenden Großbanken sind heute größer als je zuvor. Die hochverschuldeten Staaten können auf den nächsten Abschwung nicht noch einmal mit Konjunkturprogrammen wie 2008 reagieren, und auch die Zentralbanken haben ihr Pulver bereits weitgehend verschossen.

Alles deutet darauf hin, dass die aktuelle Spekulationsblase demnächst platzen wird und die Folgen noch heftiger ausfallen werden als 2008. Für den geduldig abwartenden Anleger werden sich dann ähnlich attraktive Kaufgelegenheiten eröffnen wie 2009.

Über den Autor

Claus Vogt
Herausgeber des Börsenbriefs "Krisensicher investieren"
Claus Vogt ist gemeinsam mit Roland Leuschel Chefredakteur des Börsenbriefes "Krisensicher investieren". Nach seinem Betriebswirtschaftsstudium in Frankfurt am Main führte ihn sein Weg seit 1991 unter anderem zu den internationalen Großbanken Merrill Lynch und HSBC. Zusammen mit dem Börsenexperten Roland Leuschel hat er die Bestseller "Das Greenspan-Dossier" und "Die Inflationsfalle" geschrieben. Der ausgewiesene Investmentprofi und ­Zentralbankkritiker hat die ­Finanzkrise und den 2008 folgenden ­Börsencrash frühzeitig ­prognostiziert.

Bildquellen: Anke Jacob

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