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US-Wahl: USA zittern weiter - Biden geht von Wahlsieg aus - Repräsentantenhaus geht an Demokraten - Dämpfer im Senat

04.11.20 22:59 Uhr

US-Wahl: USA zittern weiter - Biden geht von Wahlsieg aus - Repräsentantenhaus geht an Demokraten - Dämpfer im Senat | finanzen.net

Die USA fiebern weiter einem Ergebnis der äußerst knappen Präsidentenwahl entgegen.

Biden: Haben genug Stimmen für Präsidentschaft

Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden geht von einem Sieg bei der US-Wahl aus. "Jetzt, nach einer langen Nacht des Zählens ist es klar, dass wir genug Staaten gewinnen, um 270 Wahlstimmen zu erreichen, die erforderlich sind, um die Präsidentschaft zu gewinnen", sagte Biden am Mittwoch in Wilmington (Delaware). Er betonte dabei, dass er den Sieg noch nicht offiziell für sich reklamieren wolle. Doch sein Team glaube, dass er die Abstimmung gewonnen habe. Wenn die Auszählung beendet sei, "glauben wir, dass wir die Gewinner sein werden", sagte Biden.

Der 77-Jährige gab sich bei seiner Ansprache präsidial und betonte, dass Amerika die tiefe Spaltung überwinden müsse. "Um Fortschritte zu machen, müssen wir aufhören, unsere Gegner wie Feinde zu behandeln", sagte Biden. "Wir sind keine Feinde." Er wisse, wie stark die Ansichten über viele Dinge im Land auseinandergingen.

Biden sagte, er habe als Demokrat Wahlkampf gemacht. "Aber ich werde als amerikanischer Präsident regieren", fügte er hinzu. Die Präsidentschaft sei das eine Amt, das die Nation repräsentiere.

Prognosen: Biden holt wichtigen Bundesstaat Michigan

Bei der US-Präsidentenwahl hat der demokratische Kandidat Joe Biden den wichtigen Bundesstaat Michigan mit 16 Wahlleuten nach Prognosen von Fernsehsendern für sich entschieden. Das ging am Mittwoch (Ortszeit) aus übereinstimmenden Vorhersagen der Sender CNN und NBC auf Grundlage von Wählerbefragungen und Stimmauszählungen hervor. Die Nachrichtenagentur AP meldete zunächst noch keinen Gewinner.

Für Biden ist der Erfolg in Michigan ein wichtiger Etappensieg. Er muss nun nur noch einen Bundesstaat gewinnen, um auf die nötige Anzahl von 270 Wahlleuten zu kommen und die Wahl gegen Amtsinhaber Donald Trump zu gewinnen.

Biden stand am Mittwochnachmittag (Ortszeit) laut CNN und NBC bei 253 Wahlleuten. Die Sender hatten aber anders als andere Medien und die Nachrichtenagentur AP den Staat Arizona mit elf Wahlleuten noch nicht den Demokraten zugeschlagen. Damit läge er bei 264 Wahlleuten.

Damit holte Biden den Bundesstaat von den Republikanern zurück in demokratische Lager und verbesserte seine Aussichten auf einen Gewinn der Wahl. Michigan gilt als "Swing State": Die 16 Wahlleute dort gingen 2016 mit hauchdünner Mehrheit an Trump. Er lag damals 0,3 Prozentpunkte vor Hillary Clinton. Umfragen sahen bei dieser Wahl Biden deutlich in Führung.

USA zittern weiter - Bidens Chancen verbessert

Bei der historischen Wahlschlacht in den USA hat der demokratische Herausforderer Joe Biden seine Chancen auf einen Sieg verbessert. Biden setzte sich nach Angaben der Nachrichtenagentur AP im umkämpften Wisconsin gegen Amtsinhaber Donald Trump durch, während der laufenden Stimmenauszählung lag er zudem in Michigan und Nevada zunächst vorn. Der Republikaner Trump erneuerte nicht belegte Behauptungen, wonach es massiven Betrug bei der Wahl gegeben habe. Die Verantwortlichen in den Bundesstaaten mahnten Vorsicht und Geduld an, um den Willen der Wähler zu respektieren.

In der Wahlnacht hatte sich Trump im Weißen Haus während der laufenden Auszählung zum Sieger erklärt und angekündigt, seinen Anspruch vor das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten zu bringen. "Wir waren dabei, diese Wahl zu gewinnen", sagte der Präsident am frühen Mittwochmorgen und fügte hinzu: "Offen gesagt haben wir diese Wahl gewonnen." Bidens Wahlkampfteam warf Trump vor, die Auszählung rechtmäßig abgegebener Stimmen stoppen zu wollen. Das sei "empörend, beispiellos und falsch".

Im Laufe des Tages setzte Trump mehrere Tweets ab, in denen er über die Stimmauszählung schimpfte und schwere Vorwürfe äußerte. Sein am Dienstagabend noch bestehender Vorsprung sei in einem Bundesstaat nach dem anderen "auf magische Weise verschwunden", schrieb er etwa. Im umkämpften Bundesstaat Pennsylvania werde "hart daran gearbeitet", schnell eine halbe Million Stimmen "verschwinden zu lassen", schrieb er an anderer Stelle. Twitter versah mehrere Nachrichten mit Warnhinweisen wegen "möglicherweise irreführender" Aussagen. Biden bekräftigte: "Wir ruhen nicht, ehe nicht jede Stimme gezählt ist."

Trump hatte schon im Wahlkampf Stimmung gegen die Briefwahl gemacht und Zweifel an der Rechtmäßigkeit geschürt - obwohl die Abstimmung per Post eine etablierte Form der Stimmabgabe ist. Er warnte ohne stichhaltige Beweise vor massiven Fälschungen. Hinweise auf nennenswerten Wahlbetrug gab es nicht.

Gespannt wurde die Auszählung in mehreren Staaten im Mittleren Westen und im Süden verfolgt. Während sich in Nevada und Michigan ein leichter Vorsprung für Biden abzeichnete, sah es für Trump in North Carolina gut aus. In Georgia dürfte es extrem knapp werden.

Trumps Wahlkampagne kündigte an, in Wisconsin mit Blick auf "Unregelmäßigkeiten" eine Neuauszählung der Stimmen beantragen zu wollen. In Michigan hat sie nach eigenen Angaben Klage bei einem Gericht eingereicht und einen sofortigen Stopp der weiteren Auszählung verlangt, bis den Republikanern Zugang zu den Wahllokalen gewährleistet werde.

Im hart umkämpften Industriestaat Pennsylvania lag Trump vorn, doch war am Mittwoch erst die Hälfte von 2,5 bis 3 Millionen Briefwahlstimmen ausgezählt. Analysten gingen davon aus, dass die noch offenen, vor allem über Brief abgegebenen Stimmen mehrheitlich auf das Konto von Biden gehen.

Der Gouverneur im US-Staat Pennsylvania, Tom Wolf, sprach von einem "Stresstest für die Demokratie". Er werde alles tun, um sicherzustellen, dass jede Stimme in seinem Bundesstaat gezählt werde, sagte der Politiker der Demokratischen Partei in Harrisburg. An die Bürgerinnen und Bürger gerichtet sagte Wolf: "Eure Stimme macht bei dieser Wahl einen Unterschied aus." Er werde sich gegen jeden Versuch stellen, die Wahl in Pennsylvania anzugreifen.

Die demokratische Staatssekretärin im Bundesstaat Michigan, Jocelyn Benson, sagte dem Sender CNN, es seien nun "Vorsicht" und "Geduld" geboten, um "den Willen der Wähler zu respektieren". Sie rechne im Laufe des Tages mit mehr Klarheit.

Der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, sagte, das Land werde bald sehen, wie die Entscheidung der Wähler ausgefallen sei. "Wir wissen noch nicht, wer das Rennen um die Präsidentschaft gewonnen hat", sagte der Trump-Vertraute vor Journalisten. Er fügte hinzu, dass er Trumps Ankündigung, den Kampf um die Wahl vor Gericht fortzusetzen, für unproblematisch halte.

Der 74 Jahre alte Trump schnitt insgesamt deutlich besser bei der Wahl ab als nach Umfragen erwartet. Der drei Jahre ältere Biden verfehlte den von den Demokraten erhofften klaren Wahlsieg und musste sich unter anderem in Florida und Texas dem republikanischen Präsidenten geschlagen geben. Vor der Wahl hatte das Statistikportal "FiveThirtyEight" nur eine Wahrscheinlichkeit von rund zehn Prozent für einen Sieg Trumps errechnet.

Der US-Präsident wird nicht direkt von den Bürgern gewählt, sondern von Wahlleuten. Deren Stimmen gehen mit Ausnahme der beiden Staaten Nebraska und Maine vollständig an den Sieger in dem jeweiligen Bundesstaat. Für den Einzug ins Weiße Haus sind 270 Stimmen nötig. 2016 hatte Trump zwar landesweit weniger Wählerstimmen als Hillary Clinton geholt, aber mehr Wahlleute für sich gewonnen.

Repräsentantenhaus geht an Demokraten - Dämpfer im Senat

Bei den Kongresswahlen in den USA konnten die Demokraten Prognosen zufolge ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verteidigen. Zugleich erlitten sie nach viel Euphorie einen schweren Dämpfer beim Kampf um den Senat. Mehrere republikanische Senatoren, die als Wackelkandidaten galten, konnten ihre Sitze verteidigen. Bei den noch ausstehenden offenen Rennen haben die Republikaner gute Chancen, eine Mehrheit von 51 der 100 Mandate zu erreichen.

Das könnte im Falle eines Wahlsieges einem künftigen Präsidenten Joe Biden das Regieren deutlich erschweren - für Donald Trump wäre es im Fall eines Sieges eine enorm wichtige Unterstützung. Der Senat spielt eine maßgebliche Rolle in der Gesetzgebung. Außerdem bestätigt er unter anderem die Kandidaten für hohe Regierungsposten oder das Oberste Gericht. Bei Amtsenthebungsverfahren gegen einen Präsidenten spielt der Senat die Rolle eines Gerichts.

Wie viele Stimmen man im Senat für die Mehrheit braucht, hängt davon ab, wer im Weißen Haus sitzt. Denn bei einem Patt von 50 zu 50 Stimmen kann der Vizepräsident eingreifen.

Stand 20.15 Uhr MEZ steuerten die Republikaner laut Prognosen auf eine Mehrheit im Senat zu. Sie sicherten sich laut AP bislang 48 der 100 Sitze, die Demokraten 45. Die beiden unabhängigen Kandidaten, die in diesem Jahr nicht zur Wahl standen, werden den Demokraten zugerechnet.

Demnach waren noch die Ergebnisse zu vier Republikanern und einem Demokraten offen. Über einen dieser Sitze - im Bundesstaat Georgia - wird erst Anfang Januar in einer Stichwahl entschieden.

Jeder Bundesstaat entsendet zwei Senatoren in den Kongress, bisher hielten die Republikaner eine Mehrheit von 53 der 100 Sitze. Stand 20.15 Uhr MEZ konnten die Demokraten einen Sitz aufholen. Sie büßten zwar einen ein, gewannen aber dafür zwei dazu.

Die Demokraten verloren - wie erwartet - den Senatssitz in Alabama. Der demokratische Senator Doug Jones wurde vom ehemaligen American-Football-Trainer Tommy Tuberville geschlagen, der für die Republikaner antrat.

Die Demokraten konnten aber den Republikanern zugleich zwei Sitze abnehmen. Im Bundesstaat Colorado setzte sich der Demokrat John Hickenlooper gegen den Republikaner Cory Gardner durch. Und in Arizona gewann der Astronaut Mark Kelly gegen die Republikanerin Martha McSally.

Die Demokraten könnten allerdings auch noch einen ihrer bisherigen Sitze verlieren - für Gary Peters in Michigan sah es während der Auszählung lange Zeit nicht gut aus, dann holte er auf und lieferte sich laut TV-Sendern ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit seinem republikanischen Herausforderer John James.

In Alaska und North Carolina lagen zur Stunde die beiden republikanischen Kandidaten in Führung. In Georgia wird es im Januar mindestens eine Stichwahl um einen offenen Senatssitz geben. Eine Stichwahl um den zweiten Senatssitz des Bundesstaates lag im Bereich des Möglichen.

De Demokraten waren in den Wahlabend mit großer Zuversicht gegangen. Zur Abstimmung standen 25 von Republikanern gehaltene Senatssitze - und Umfragen sahen vielerorts zumindest ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Aber es gab schnell Enttäuschungen. So konnte sich der Demokrat Jamie Harrison in South Carolina nicht gegen den bisherigen Vorsitzenden des Justizausschusses Lindsey Graham durchsetzen. Harrison hatte damit für Aufsehen gesorgt, dass er die für eine Senatswahl außergewöhnliche Spendensumme von mehr als 57 Millionen Dollar einsammelte. Auch die Senatorin Susan Collins aus Maine verteidigte laut AP ihren Sitz.

Die TV-Sender NBC und Fox News prognostizierten unterdessen, dass die Demokraten ihre Mehrheit im US-Repräsentantenhaus behalten werden. Sie hielten bisher 232 der 435 Sitze in der Kongress-Kammer, die am Dienstag komplett zur Abstimmung stand. Zum Stand 18.45 Uhr MEZ am Mittwoch wurden nach Berechnungen der Nachrichtenagentur AP 198 Demokraten und 185 Republikaner gewählt. Die Republikaner gewannen demnach fünf Sitze dazu. Für die Mehrheit braucht man in der Kammer 218 Stimmen.

Die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, verteidigte in Kalifornien mit Leichtigkeit ihren Sitz. Die 80-Jährige hatte bereits deutlich gemacht, dass sie sich wieder um den Führungsposten bewerben wolle.

Bei den Republikanern wurde die Politikerin Marjorie Taylor Greene ins Repräsentantenhaus gewählt, die als Unterstützerin der Verschwörungsbewegung QAnon gilt. Die zentrale Behauptung der QAnon-Anhänger ist, dass es eine Verschwörung gegen US-Präsident Donald Trump in den tieferen Schichten des US-Regierungsapparats gebe. Außerdem behaupten sie oft, prominente Politiker der Demokratischen Partei in den USA ließen sich mit Hormonen behandeln, die aus dem Blut von Kindern gewonnen würden.

Mehrere führende Politiker der Republikaner haben die QAnon-Theorien verurteilt. Präsident Donald Trump tat sich bei mehreren Gelegenheiten schwer damit - und unterstützte Greene ausdrücklich. Die republikanische Kandidatin Laura Loomer, die unter anderem wegen antiislamischer Hetze von den großen Online-Plattformen verbannt wurde, verlor dagegen ihr Rennen um einen Sitz in Florida.

Trump ergreift weitere rechtliche Schritte in Pennsylvania

US-Präsident Donald Trump greift zu weiteren rechtlichen Schritten im Ringen um die Auszählung der Wählerstimmen im umkämpften Bundesstaat Pennsylvania. Trumps Wahlkampfteam forderte in einer am Mittwoch eingereichten Klage unter anderem, dort die weitere Auszählung der Stimmen auszusetzen, bis ihre Wahlbeobachter besseren Zugang dazu bekommen. Auch geht die Trump-Seite in einer weiteren Klage erneut dagegen vor, dass noch per Brief verschickte Stimmzettel gezählt werden sollen, die bis Freitagnachmittag bei der Wahlkommission eingehen.

Trump liegt in Pennsylvania bisher vorn, sein Vorsprung schrumpft aber, während Briefwahlunterlagen ausgezählt werden. Mit 20 Stimmen von Wahlleuten könnte Pennsylvania ein entscheidender Bundesstaat für die Präsidentenwahl sein. Trumps Wahlkampfchef Bill Stepien erklärte den Präsidenten in einer Telefonkonferenz am Mittwoch bereits zum Sieger in Pennsylvania, während dort noch Stimmen ausgezählt wurden. Trump hatte zuvor bereits auch die gesamte Wahl für sich reklamiert, obwohl der demokratische Herausforderer Joe Biden aktuell gute Chancen auf den Sieg hat.

Die Republikaner leiteten bereits weitere rechtliche Schritte nach der Wahl am Dienstag ein. So fordern sie, die Auszählung in Michigan auszusetzen - sowie eine Neuauszählung im Bundesstaat Wisconsin, wo Biden nach Berechnungen der Nachrichtenagentur AP das Rennen für sich entschieden hat. Biden kann die Präsidentschaft weiterhin auch ohne Pensylvania gewinnen.

Trump schimpft auf Twitter über Stimmenauszählung

Donald Trump hat sich über die Veränderung von Mehrheitsverhältnissen bei der Auszählung der US-Präsidentschaftswahl empört. Am Dienstagabend habe er in vielen Schlüsselstaaten teilweise solide geführt, schrieb der US-Präsident am Mittwoch im Internet-Dienst Twitter. Dieser Vorsprung sei dann in einem Bundesstaat nach dem anderen "auf magische Weise verschwunden". Dies sei "sehr merkwürdig", fügte der Amtsinhaber in Großbuchstaben hinzu. Zuvor hatte sich Trump vorzeitig zum Wahlsieger erklärt. Der demokratische Kandidat Joe Biden erklärte am Mittwoch auf Twitter: "Wir ruhen nicht, ehe nicht jede Stimme gezählt ist."

Die Auszählung zieht sich wegen des hohen Briefwahlanteils hin. Bei den Briefwählern hat Biden nach Umfragen einen Vorteil gegenüber Trump.

Deutsche Wirtschaft blickt mit Sorge auf US-Wahl

Der ungewisse Ausgang der US-Präsidentschaftswahl bereitet der deutschen Wirtschaft Sorge. "Wir hoffen sehr, dass die Situation in den Vereinigten Staaten nun nicht eskaliert und alle einen kühlen Kopf bewahren", sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, am Mittwoch. "Eine längere Phase der Unsicherheit würde das Vertrauen der Wirtschaft in die Zukunft beschädigen." Nach der Wahl müsse es einen Neustart in den transatlantischen Beziehungen geben.

Ähnlich wird die Lage vom Bundesverband deutscher Banken (BdB) eingeschätzt. "Wir hoffen sehr, dass bald Klarheit herrscht und die neue US-Regierung in diesen schwierigen Zeiten der Corona-Krise ihre Arbeit aufnehmen kann", sagte Bankenpräsident Hans-Walter Peters.

Gelassener ist der Außenhandelsverband BGA. "Die USA sind unser wichtigster Absatzmarkt. Wir müssen mit jedem Präsidenten auskommen", sagte BGA-Präsident Anton Börner.

Britischer Außenminister glaubt an verlässliches Wahlergebnis

Der britische Außenminister Dominic Raab glaubt an ein zuverlässiges US-Wahlergebnis. Er habe "volles Vertrauen", dass die Gewaltenteilung der USA funktioniere und es ein klares Ergebnis geben werde, sagte Raab am Mittwochmorgen im BBC-Interview. Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump gefordert, die Auszählung der verbleibenden Stimmen gerichtlich zu stoppen und sich zum Sieger der Wahl erklärt. Der konservative Raab distanzierte sich nicht von der Forderung des US-Präsidenten, die Auszählung der Stimmen vom höchsten Gericht stoppen zu lassen. Die Tory-Regierung von Premier Boris Johnson pflegt enge Beziehungen zur Trump-Regierung. Biden hingegen gilt als Brexit-Gegner und EU-Freund. Auch Johnson selbst distanzierte sich am Mittwoch auf Nachfrage der Opposition nicht. "Als britische Regierung kommentieren wir die demokratischen Prozesse unserer Freunde und Alliierten nicht", sagte der Premier im Londoner Parlament.

Das Trump-Team macht Stimmung

Der Präsident schickt um 0.49 Uhr einen Tweet an seine mehr als 87 Millionen Follower, in dem er behauptet, weit vorne zu liegen - "aber sie versuchen, die Wahl zu stehlen. Das werden wir niemals zulassen." Worauf seine Behauptung beruht, lässt er offen.

Auch Trumps Wahlkampfteam verschickt in der Nacht bereits E-Mails an Anhänger, in denen Stimmung gemacht wird. Mit Blick darauf, dass die Wahlergebnisse in den USA üblicherweise auf Basis der Prognosen großer Medienhäuser entschieden wird, heißt es in einer der Botschaften: "Die Fake-News-Medien und ihre demokratischen Partner werden sich weigern, einen Gewinner auszurufen. Sie werden alles unternehmen, um uns den Sieg vorzuenthalten."

Corona-Pandemie und die Wirtschaft

Nach einer am Wahltag veröffentlichten Umfrage der amerikanischen Nachrichtenagentur AP war das Coronavirus für die meisten Wähler das wichtigste Thema bei der Stimmabgabe. Immerhin vier von zehn Wählern beschäftigte demnach die Pandemie am meisten, die in den USA mehr als 230 000 Menschen das Leben gekostet hat. Das ist ein Indiz dafür, dass es Trumps Bemühungen, das Thema kleinzureden, nicht gefruchtet haben. Allerdings nannten die Wähler in der AP-Umfrage an zweiter Stelle die Wirtschaft das wichtigste Thema - und da trauen mehr Amerikaner auf die Kompetenz Trumps als Bidens.

Wichtig dürfte aber auch eine andere Umfrage sein, die kurz vor der Wahl veröffentlicht wurde und die Trump in den letzten Wahlkampftagen immer wieder zitierte: 56 Prozent der Amerikaner sagten in einer Befragung des Instituts Gallup, ihnen und ihren Familien gehe es besser als vor vier Jahren - und das mitten in der Pandemie.

Tief gespalten

Für Unfrieden sorgen nicht nur das Virus - bislang starben in den USA über 231.000 Menschen, die positiv getestet wurden - sowie die Wirtschaftskrise, in der Millionen Amerikaner ihren Job verloren. Auch die landesweiten Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt, ausgelöst durch den Tod des Schwarzen George Floyd bei einem Polizeieinsatz im Mai und verstärkt durch weitere ähnliche Vorfälle, haben das Land tief erschüttert. Am Rande mehrerer Demonstration kam es in den vergangenen Monaten immer wieder zu Ausschreitungen und Zusammenstößen zwischen Anhängern der Black-Lives-Matter-Bewegung und rechtsradikalen bewaffneten Bürgerwehren.

Durch das Land zieht sich ein tiefer Graben zwischen Trump- und Biden-Anhängern. Der 77-jährige Herausforderer wirft Trump vor allem Versagen bei der Bekämpfung der Pandemie vor. Umfragen zeigen, dass die Amerikaner Biden in der Frage ein besseres Krisenmanagement zutrauen. Trump entgegnet, das Virus werde bald verschwinden und die Wirtschaft sich rasch erholen. Auch verspricht er, dass es bald einen Impfstoff geben werde. Ähnlich wie schon 2016 empfiehlt er sich als Garant für Wohlstand, Recht und Ordnung. Er wettert gegen illegale Einwanderung und warnt vor einem radikalen Linksruck unter Biden.

Lagen die Umfragen falsch?

Auch wenn die Wahl noch nicht entschieden ist - für einen Kantersieg Bidens haben diese Appelle nicht ausgereicht. Der republikanische Senator Lindsey Graham sagte nach einem Telefonat mit Trump in der Wahlnacht voraus, der Präsident werde gewinnen. Graham selber - ein enger Trump-Vertrauter - konnte seinen Senatssitz ebenfalls verteidigen. Er sagte: "An alle Meinungsforscher dort draußen, Ihr habt keine Ahnung davon, was ihr tut."

Das stimmt so allerdings nicht. Die Statistiker der renommierten Webseite FiveThirtyEight hatten Trump vor der Wahl zwar nur eine Chance von zehn Prozent auf einen Sieg ausgerechnet. Sie hatten aber zugleich gemahnt: "Denken Sie daran, dass eine zehnprozentige Gewinnchance keine nullprozentige Chance ist. Sie ist ungefähr so hoch wie die Wahrscheinlichkeit, dass es in der Innenstadt von Los Angeles regnet. Und, ja, es regnet dort tatsächlich."

US-Wahl befeuert Ruf nach einem stärkeren Auftreten der EU

Nach der US-Präsidentenwahl fordern deutsche Politiker parteiübergreifend eine Stärkung der EU.

Verteidigungsministerin und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Grünen-Co-Chef Robert Habeck plädierten am Mittwoch unabhängig vom Ausgang der Wahl dafür, dass die EU gemeinsam und stärker in der Welt auftreten müsse. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sprach sich für eine stärkere "Abkoppelung" Europas von den USA aus. Auch Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire erklärte, die EU müsse sich in jedem Fall wirtschaftlich, politisch und technologisch weniger abhängig von den USA und China machen. Dem schloss sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) an. "Wir werden eine deutliche europäische Emanzipation brauchen", sagte er nach einer Videokonferenz mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babis. Das gelte wirtschaftlich, technologisch, aber auch sicherheitspolitisch. "Europa braucht mehr Souveränität im transatlantischen Verhältnis.... Europa muss viel stärker werden."

Dass US-Präsident Donald Trump möglicherweise im Amt bestätigt wird, löste parteiübergreifend Enttäuschung aus. Seine Wiederwahl hätte nach Einschätzung von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) aber trotz handelspolitischer Differenzen keine negativen Konsequenzen für Arbeitsplätze in Deutschland. Die Wirtschaft habe in Trumps erster Amtszeit trotz protektionistischer US-Politik 1,5 Millionen neue Jobs geschaffen. "Der deutscher Außenhandel ist in guter Verfassung", sagte Altmaier mit Blick auf neue transatlantische Spannungen.

Außenminister Heiko Maas hatte dem künftigen US-Präsidenten unabhängig vom Wahlausgang bereits einen "New Deal" angeboten. Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen warnte, dass eine Wiederwahl von Trump die amerikanische Außenpolitik stark verändern könne. "Wenn die Nato nicht vier, sondern acht Jahre infrage gestellt würde, wäre dies etwas ganz anderes", sagte er im ZDF. "Wenn Trump gewinnt, ändert sich die globale Ordnung fundamental", sagte Grünen-Chef Habeck im Sender ntv. Europa müsse sich einigen, sonst werde es international keine Rolle mehr spielen. Seine Co-Vorsitzende Annalena Baerbock forderte einen Sondertreffen des EU-Rates.

Bei jedem neuen US-Präsidenten müsse Deutschland mehr Geld für Sicherheit ausgeben, sagte Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer. FDP-Chef Christian Lindner plädierte dafür, dass die Bundesregierung unabhängig vom Wahlausgang künftig gemeinsame deutsch-amerikanische Kabinettssitzungen und einen Ausbau der deutschen Goethe-Kulturinstitute auch im Mittleren Westen der USA anpeilen sollte. Damit solle ein transatlantisches Auseinanderdriften verhindert werden. Die USA blieben unabhängig vom Wahlausgang ein wichtiger Partner für Deutschland und Europa, mahnte auch Vizekanzler Olaf Scholz.

Deutsche Politiker stellen sich zudem darauf ein, dass die USA nach der Wahl vor einer möglicherweise wochenlangen Hängepartie stehen. "Ich fürchte, dass man noch sehr, sehr lange diskutieren wird, falls es ein knappes Ergebnis wird", sagte Altmaier mit Blick auf mögliche juristische Auseinandersetzungen. Finanzminister Scholz (SPD) betonte wie Baerbock, dass zunächst alle Stimmen ausgezählt werden müssten. Erst danach sei die Wahl auch beendet, sagte er - ein Seitenhieb auf Trump, der sich trotz des noch offenen und knappen Rennens bereits zum Sieger erklärt hat.

Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, warnte vor Panik im Falle einer Wiederwahl Trumps. "Wir haben vier Jahre durchgestanden. Wir werden weitere vier Jahre durchstehen", sagte er im ZDF. Altmaier wies darauf hin, dass auch unter einem Präsidenten Joe Biden viele Probleme blieben - wie die Furcht vor einem amerikanischen Protektionismus.

Reuters und dpa-AFX / Redaktion finanzen.net

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