WAHL 2025/ROUNDUP: Merz will schärfere Migrationspolitik - egal, wer zustimmt

24.01.25 15:53 Uhr

BERLIN (dpa-AFX) - Nach der tödlichen Messerattacke von Aschaffenburg will die Union den Bundestag kommende Woche über Vorschläge zur Verschärfung der Migrationspolitik abstimmen lassen - und dabei mögliche Mehrheiten mit der AfD in Kauf nehmen. "Wir werden nächste Woche in den Deutschen Bundestag Anträge einbringen, die ausschließlich unserer Überzeugung entsprechen", sagte Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) in Berlin bei einer Veranstaltung der Unionsfraktion. "Und wir werden sie einbringen, unabhängig davon, wer ihnen zustimmt."

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Merz hatte für den Fall seiner Wahl zum Kanzler deutlich mehr Abschiebungen und an allen Grenzen ein "faktisches Einreiseverbot" für viele Migranten versprochen. Er machte deutlich, dass es sich dabei um Bedingungen für mögliche Koalitionspartner handelt, und formulierte: "Mir ist es völlig gleichgültig, wer diesen Weg politisch mitgeht."

Da die Union neue Anträge einbringen will - unter anderem zu aufenthaltsbeendenden Maßnahmen durch die Bundespolizei - dürfte über die Vorschläge allerdings kommende Sitzungswoche nicht final abgestimmt, sondern lediglich in erster Lesung beraten werden. Fraglich ist, ob es vor der Wahl überhaupt noch zur Abstimmung kommt.

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In Aschaffenburg waren ein zweijähriger Junge und ein 41-jähriger Mann getötet und drei Menschen schwer verletzt worden. Verdächtig ist ein 28-jähriger Afghane, der festgenommen wurde. Er war laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ausreisepflichtig.

Eine Frage der "Brandmauer" zur AfD?

Merz betonte: "Wir stimmen keinem einzigen AfD-Antrag zu, weil wir sämtliche Themen, die wir für richtig halten, von uns aus in den Bundestag einbringen." Der Unionskanzlerkandidat ergänzte: "Wer diesen Anträgen zustimmen will, der soll zustimmen. Und wer sie ablehnt, der soll sie ablehnen. Ich gucke nicht rechts und nicht links. Ich gucke in diesen Fragen nur geradeaus."

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Seine Haltung zur AfD sei und bleibe klar, sagte Merz: "Wir arbeiten mit dieser Partei nicht zusammen." Dies bedeute erstens: "Wir gehen mit denen nicht zusammen in eine Regierung. Zweitens: Wir verhandeln mit denen im Deutschen Bundestag nicht über irgendwelche Anträge." Dies gelte auch für das BSW von Sahra Wagenknecht. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), sagte: "Wer eine Wende in der Migrationspolitik will, darf nicht die Grünen, darf nicht die SPD und auch nicht die AfD wählen, denn mit der AfD wird es nach der Wahl keine Koalition geben."

Das CDU-Präsidium hatte 2020 einen Beschluss gefasst, in dem es hieß: "Für die CDU Deutschlands gilt: Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD - weder in direkter noch in indirekter Form." Der Beschluss gilt weiterhin.

Die möglichen Mehrheiten

Es gibt mehrere Konstellationen, in denen die CDU/CSU eine Mehrheit für ihre Anträge im Bundestag bekommen könnte. "Es gibt keine Mehrheit im Deutschen Bundestag zwischen CDU, CSU und AfD", sagte Merz. Es gebe auch keine Mehrheit von Union, AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) - nur jene von SPD, Grünen und FDP oder von SPD und Union oder von Union, FDP und Grünen. Was Merz nicht erwähnte, ist eine mögliche Mehrheit von Union, FDP, AfD und BSW mit 372 Stimmen - die Mehrheit liegt bei 367.

Wagenknecht sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Wenn die Union sinnvolle Anträge in den Deutschen Bundestag einbringt, um die unkontrollierte Migration zu beenden und Ausreisepflichtige in ihre Heimatländer zurückzuführen, dann stimmen wir ihnen selbstverständlich zu."

Die Forderung nach Grenzkontrollen

Merz hat angekündigt, als Kanzler am ersten Tag im Amt das Innenministerium anzuweisen, alle Grenzen dauerhaft zu kontrollieren und alle illegalen Einreisen zurückzuweisen. Das gelte auch für Menschen mit Schutzanspruch. "Es wird ein faktisches Einreiseverbot in die Bundesrepublik Deutschland für alle geben, die nicht über gültige Einreisedokumente verfügen oder die von der europäischen Freizügigkeit Gebrauch machen." Die EU-Asylregeln seien dysfunktional. "Deutschland muss daher von seinem Recht auf Vorrang des nationalen Rechts Gebrauch machen", erklärte Merz.

Im Schengen-Raum können Grenzkontrollen befristet angeordnet werden. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat dies für alle Landgrenzen bereits umgesetzt und angekündigt, es über März 2025 hinaus verlängern zu wollen. Für die Forderung nach pauschalen Zurückweisungen hatte sich die Union schon nach dem mutmaßlich islamistischen Attentat von Solingen im August eingesetzt, in der Ampel-Koalition gab es aber rechtliche Bedenken.

SPD-Politiker: "Nicht neu und rechtlich sehr fragwürdig"

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte der Deutschen Presse-Agentur, die komplette Schließung der deutschen Außengrenzen widerspräche dem europäischen Gedanken, die Bundespolizei habe dafür auch nicht genügend Personal. Nationale Alleingänge durch Ausrufen eines Notstands könnten zudem das Gegenteil bewirken, nämlich, dass andere Mitgliedstaaten "Schutzsuchende einfach unregistriert durchleiten".

Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck warnte Merz vor jeder Zusammenarbeit mit der AfD. Merz habe immer betont: "Eine Zusammenarbeit unter seiner Führung wird es mit der CDU in Deutschland nicht geben, er knüpfe sein Schicksal als Parteivorsitzender der CDU an diese Antwort", sagte Habeck der Deutschen Presse-Agentur. "Dieses Wort darf nicht gebrochen werden - ich fürchte nur, Friedrich Merz steht kurz davor, das zu tun."

Linke warnt vor Hetze gegen Ausländer

Der Co-Parteivorsitzende der Linken, Jan van Aken, erklärte im Sender Phoenix, nach Taten wie der in Aschaffenburg, dürfe es nicht um Abschiebungen gehen: "Das ist doch keine Asylfrage. Das ist doch eine Frage, wie gehen wir mit psychisch kranken Gewalttätern um."

FDP und BSW verlangen Rücktritt von Innenministerin Faeser

Die FDP und das BSW fordern den Rücktritt Faesers. Die Ministerin habe bisher keine der noch von der Ampel-Koalition in die Wege geleiteten Maßnahmen umgesetzt, sagte Fraktionschef Christian Dürr dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Es gab keine Ingewahrsamnahme an den Grenzen, keine Zurückweisungen, keine weiteren Abschiebeflüge nach Afghanistan. Die Behörden haben nach wie vor keinen Überblick, welche Gefährder sich in Deutschland aufhalten."

Ähnlich argumentierte Wagenknecht: "Die Bundesinnenministerin sollte ihren Stuhl räumen", sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe./hrz/DP/nas