thyssenkrupp-Aktie rutscht weiter ab: Abgang von Firmenchefin Martina Merz belastet weiter - Investoren fordern klare Strategie
Die Aktien von thyssenkrupp finden auch am Dienstag keinen Halt.
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Sie weiteten ihre hohen Vortagesverluste zeitweise um 4,25 Prozent aus auf 6,08 Euro. Damit droht ihnen der Rutsch unter die für den längerfristigen Trend viel beachtete 200-Tage-Durchschnittslinie sowie der Fall unter das im März markierte Zwischentief von 5,95 Euro, womit sie dann so wenig kosten würden wie zuletzt Anfang des Jahres.
Der Grund für den Kurssturz ist der überraschende und vorzeitige Abgang von Firmenchefin Martina Merz, der die Investoren des Industrie- und Stahlkonzerns verunsichert.
thyssenkrupp stehe wegen der nur langsamen Fortschritte beim Konzernumbau weiter unter Druck, schrieb Analyst Tom Zhang von der britischen Barclays Bank in einer Studie. Ungeachtet des erfolgreichen Verkaufs des Aufzugsgeschäfts sowie einiger kleinerer Bereiche stünden wichtige Schritte wie eine Lösung für ein eigenständiges Stahlgeschäft, eine Entscheidung zur U-Boot-Sparte und ein Teilbörsengang des Wasserstoff-Gemeinschaftsunternehmens Nucera immer noch aus.
Investoren fordern von neuem thyssenkrupp-Chef klare Strategie
Nach dem angekündigten Rücktritt von thyssenkrupp-Chefin Martina Merz haben Investoren eine klare Strategie für den Industriekonzern und mutige Entscheidungen für die Zukunft des Stahlgeschäfts gefordert."Die Strategie von thyssenkrupp ist heute unklarer als vor zwölf Monaten und die Entflechtung des Unternehmens geht zu langsam voran", sagte der Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment, Ingo Speich, am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Das Stahlgeschäft sei das größte Sorgenkind. Ein "Weiter so" könne es nicht geben. "thyssenkrupp hat es nicht einmal in einem so außerordentlich guten Jahr wie 2022 geschafft, sich in der Branche nach vorne zu arbeiten." Deka Investment hält nach Eikon-Daten 0,31 Prozent der thyssenkrupp-Aktien und steht auf Platz 14 der Top-Investoren.
Die seit 2019 amtierende Vorstandschefin Merz hatte am Montag ihren Rückzug angekündigt - obwohl sie noch einen Vertrag bis 2028 hat. "Es gilt nach einer disruptiven Phase nun, den Umbau von thyssenkrupp nachhaltig erfolgreich abzusichern", erklärte sie. Dafür wolle sie den Weg freimachen. Nachfolger soll zum 1. Juni Miguel Angel Lopez Borrego werden, der aktuell noch Chef des Industriezulieferers NORMA Group ist.
"Der neue Vorstandschef müsse Mut und Entschlossenheit zeigen, um schnell die Weichen für den Konzern richtig zu stellen", betonte Speich. "Dazu werden auch unpopuläre Entscheidungen gehören. Aber thyssenkrupp darf nicht in Gefahr laufen, erneut auf der Intensivstation zu landen und damit Zeit und Geld zu verlieren."
Lopez Borrego wäre nach Heinrich Hiesinger, Guido Kerkhoff und Merz bei thyssenkrupp der vierte Vorstandschef in nicht ganz fünf Jahren. Die Frage sei, ob dem Essener Traditionskonzern wieder eine Periode von Unsicherheit und Selbstbeschäftigung ins Haus stehe, die das Unternehmen und die Eigentümer Geld koste, und Sorgen bei den Mitarbeitern auslöse, sagte der Corporate Governance Experte der DWS, Hendrik Schmidt. "Eine strategische Lösung für den Stahlbereich zu finden, ist ein maßgeblicher Teil der Aufgabe des neuen CEOs." Es müsse aber auch Klarheit für die zeitliche Umsetzung der Pläne für die Werftentochter Marine Systems geben und auch für die Wasserstoffsparte Nucera. DWS Investment hält Eikon zufolge 1,27 Prozent der thyssenkrupp-Papiere und belegt damit Platz 8.
Es bleibe abzuwarten, ob der designierte thyssenkrupp-Chef Lopez Borrego Vertrauen bei Investoren wiedergewinnen könne oder sich im Netz verschiedener Kräfte wie der Krupp-Stiftung, der IG Metall, den Arbeitnehmervertretern, der NRW-Landesregierung und weiteren Playern verfange, hieß es in einer Analystennote der Baader Bank.
MERZ VERSCHAFFTE THYSSEN MIT AUFZUGS-VERKAUF ATEMPAUSE
Merz war bei Aktionären und den mächtigen Arbeitnehmervertretern zuletzt unter Druck geraten. Ihre Pläne für eine Verselbstständigung der Stahlsparte trafen auf Widerspruch. Der geplante Teil-Börsengang der Wasserstofftochter Nucera lässt weiter auf sich warten. Merz hatte dem klammen Konzern 2020 mit dem rund 17 Milliarden Euro schweren Verkauf der Aufzugsparte Luft verschafft. Die Stahlsparte wollte sie auslagern, so dass sich auch Investoren daran beteiligen könnten. Auf welche Weise die Verselbstständigung gelingen soll, blieb bislang offen.
"Die Aktionäre sind mit Frau Merz nie richtig warm geworden", sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW), Marc Tüngler. Sie habe allerdings die Führung auch in einer sehr schwierigen Phase übernommen. Die große Frage zur Zukunft des Stahlgeschäfts habe die ehemalige Bosch-Managerin bis heute nicht gelöst. Letztlich drehe sich alles um die Zukunft des Stahlgeschäfts im oder außerhalb des Konzerns, betonte Tüngler. "Wie komplex die Situation sich darstellt, zeigt sich ja nun auch gerade an dem Rücktritt von Frau Merz." Beachtlich sei, dass es Thyssenkrupp nicht geschafft habe, in Zeiten hoher Stahlpreise das Geschäft auch nachhaltig auf bessere Beine zu stellen. "Das lässt einen schon nachdenklich zurück."
FRANKFURT (dpa-AFX / Reuters)
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