Vermögensverwalter-Kolumne

Vergessen Sie die Inder nicht!

02.04.19 09:18 Uhr

Vergessen Sie die Inder nicht! | finanzen.net

Alle Welt schaut nach China. Eine Verengung des Blicks, denn in der Nachbarschaft wächst mit Indien ein weiterer Gigant der Weltwirtschaft heran. Weniger nach außen gerichtet, weniger aggressiv, aber fast genauso stark.

Der chinesische Aktienmarkt hat in den vergangenen Monaten deutlich zugelegt. Plus 29 Prozent in diesem Jahr sind Bestwert weltweit. Indien kann da nur bedingt mithalten, ein Plus von sieben Prozent steht hier in den Büchern. Betrachtet man die Gründe für den starken Anstieg in China verringert sich der Abstand aber schon beträchtlich. Und er könnte noch weiter schrumpfen.

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Das chinesische Konjunkturprogramm genauso wie das Riesenprojekt "Neue Seidenstraße" sorgen für solide finanzielle Unterstützung der heimischen Wirtschaft. Dazu kommen Themen wie etwa ein mögliches Ende des Handelskonflikts mit den USA, genauso aber auch das Ende der Zinserhöhungsphase in den USA. Alles das spricht für China und chinesische Aktien. Dazu kommen aber auch rein technische Bewegungen: So wurden chinesische Inlandsaktien in wichtigen Indices wie dem MSCI Emerging Markets deutlich höher gewichtet. Fondsmanager, die diese Indices abbilden oder als enge Benchmark nutzen, müssen also zukaufen. Alleine dieser Effekt sorgt für einige Dutzend Milliarden US-Dollar, die dem chinesischen Aktienmarkt zusätzlich zufließen.

Diese Bewegung wird anhalten, China wird weiter wachsen und es baut seinen Einfluss und seine wirtschaftliche Präsenz in der Welt immer weiter aus. Der Weg zur neuen Nummer eins scheint vorgezeichnet.

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Es gibt da aber noch einen Staat, der über ähnliche Rahmenbedingungen verfügt und der eine verzögerte, aber ebenso starke Wachstumsgeschichte schreiben kann: Indien. Welcher der beiden Staaten die höhere Einwohnerzahl hat wird wohl erst dann entschieden, wenn beide Länder ihre Bevölkerung erstmals vollständig digital erfasst haben. Doch während dies in China wie so viele andere Entwicklungssprünge auch, vom Staat vorgegeben wird, dauern die Dinge in Indien etwas länger.

Das liegt am Erbe des Kolonialismus, der Indien eine überbordende englischsprachige Bürokratie bescherte. Es liegt aber auch an der Staatsform, die regelmäßige Wahlen mit ungewissem Ausgang vorsieht: Demokratie. In Indien ist es schwieriger, Dinge einfach von oben zu beschließen. Hier ist China mit vielen Entscheidungen schneller.

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Beide Staaten sind aber in vielen Dingen parallel unterwegs: Beide verfügen über eine große Bevölkerung, die zum einen als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Zum anderen wächst aber in den beiden Staaten mit einer entstehenden Mittelschicht der Anspruch an Fortschritt und Luxus. Hier entsteht eine Binnennachfrage, die ihresgleichen sucht. Dazu kommt, dass beide Länder sich ohne Umweg in ein digitales Zeitalter entwickeln. Sie nutzen Blockchain & Co. bereits heute intensiver als viele westliche Nationen, mobile Bezahlsysteme halten Einzug und sind für breite Schichten mittlerweile Standard. Und beide Nationen streben auch im Weltraum nach Höherem, beide unterhalten aufwändige Forschungsprogramme.

Was sie unterscheidet ist die sehr starke Ausrichtung Chinas auf das Ausland. China holt seinen Reichtum aus dem Export, steckt ihn aber auch gerne wieder in Importwaren. China betreibt eine aggressive Handelspolitik, erreichtet Stützpunkte für eine neue Seidenstraße, arbeitet an seiner Rohstoffversorgung und setzt dafür immense Summen ein. Indien ist hier zurückhaltender. Das macht den Staat aber bei allen Krisen auch wesentlich unempfindlicher. Während China mit dem Auf und Ab der Weltwirtschaft schwankt, kann Indien sich sehr stetig aus sich heraus entwickeln. Und auch wenn das jetzt noch weit in die Zukunft gedacht ist: Indien hat das Potential, das China der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts zu werden. Deshalb: Vergesst die Inder nicht bei Investitionen. Sie mögen langsamer wachsen, aber stetiger.

von Uwe Zimmer, Geschäftsführer Fundamental Capital GmbH, Köln

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