Vermögensverwalter-Kolumne

Überraschungspotential

15.07.20 07:34 Uhr

Überraschungspotential | finanzen.net

Trotz eines kaum zu unterschätzenden wirtschaftlichen Schadens, sind die Aktienmärkte in einen Bullenmarkt eingetreten. Das «Problem» scheint gelöst. Im Markt herrscht Einigkeit darüber, dass das «beherzte» Eingreifen der Zentralbanken und eine rekordhohe Neuverschuldung der Staaten die Märkte getrieben hat.

Die Hoffnung auf eine erfolgreiche Öffnung der Wirtschaft und einer schnellen Normalisierung unseres Lebens motivieren Marktteilnehmer zudem zu Aktienkäufen. Dem gegenüber stehen die Folgen von Rekordarbeitslosigkeit, Konsumrückgang, sozialer Entfremdung, Verhaltensänderung und De-Globalisierung, deren Folgen längst nicht abzusehen sind.

In Folge dessen stellt sich die dringliche Frage, inwieweit die als Überbrückung gedachte Liquidität die langfristigen Folgen des «shut-down» entscheidend abmildern kann. Denn eines ist klar: Durch Zentralbanken bereitgestellte Liquidität schafft an sich keinen Wohlstand und das Schuldenmachen durch Staaten ist in den Geschichtsbüchern auch nicht als nachhaltige Wohlstandsstrategie bekannt. Ganz im Gegenteil. Ein hoher Verschuldungsgrad senkt den Wohlstand einer Gesellschaft und engt den Handlungsspielraum zukünftiger Generationen ein.

Szenario Tunnelblick (die kurzfristige Erwartung): Aus unserer Wahrnehmung rechnen die meisten Marktteilnehmer derzeit mit einem Korridor in den Aktienmärkten. Einfach gesprochen fehlen Impulse für eine weitere markante Marktbewegung. Dies ändert sich jedoch mit der beginnenden Berichtssaison und dem Eintritt in die entscheidende zweite Jahreshälfte.

Das Szenario Road Runner (für Optimisten): Das Hochfahren der Wirtschaft ist erfolgreicher als gedacht. Ein Impfstoff wird gefunden. Die Liquidität im Finanzsystem findet den Weg in die Kapitalmärkte. Aktien steigen.

Das Szenario Coyote (für Pessimisten oder Realisten?): Das Hochfahren der Wirtschaft ist bei Weitem nicht so erfolgreich. Kein Impfstoff in Sicht. Der Winter naht. Unternehmensergebnisse im Q2 enttäuschen, auch der Ausblick ist eingetrübt. Der Handelskonflikt China-USA flammt auf. Aktien fallen.

Unsere Positionierung: Nachdem wir seit Mitte März eine Übergewichtung von Aktien in unseren Portfolien abgebildet hatten, neigen wir derzeit zu einer etwas defensiveren Positionierung. Wir sehen weiterhin Unternehmen aus Brachen mit Krisengewinnern als Kerninvestment und halten selektiv zyklische Unternehmen mit hoher Qualität, die in einem Szenario Road Runner Freude bereiten sollten.

Für die Experten unter den Lesern bietet sich auch der Kauf von Out of The Money Call Optionen an, die ein mögliches starkes Upside im Portfolio abbilden. Für das nicht unwahrscheinliche Szenario Coyote sehen wir weiterhin Gold als unabdingbar, etwas Cash lässt ruhiger schlafen und schliesslich würden sich als Beimischung Put Optionen zur Absicherung anbieten.

von Dr. Patrick Cettier, Geschäftsführender Partner der Prio Partners GmbH in Zürich/ Schweiz

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