Trader oder Investor?
Es gibt Investoren deren Namen jeder kennt, der sich für Wirtschaft und Börse interessiert. Der Bekannteste und Erfolgreichste ist wahrscheinlich Warren Buffet.
Der mittlerweile 90jährige Großinvestor ist einer der reichsten Menschen der Welt. Sein Vermögen hat er sich durch kluges Investieren selber aufgebaut. Er erreichte dies fast ausschließlich als Investor durch Auswahl von Aktien, Unternehmen und Anleihen und mit betont langfristigem Anlagehorizont. Er gilt als sogenannter Value-Investor.
Value Investing (wertorientiertes Anlegen) ist eine Anlagestrategie, bei der Kauf- und Verkaufsentscheidungen für Wertpapiere vorwiegend unter Bezugnahme auf den realwirtschaftlichen Gegenwert der Anlagen, den so genannten inneren Wert (engl. intrinsic value) getroffen werden. Während der Börsenwert einer Aktie sich aus Angebot und Nachfrage ergibt, wird der innere Wert mit Hilfe der Fundamentalanalyse ermittelt. Beim Value Investing wird nach einzelnen Wertpapieren gesucht, die unterbewertet sind. Im Idealfall liegt der Börsenkurs beim Kauf unterhalb des inneren Wertes der Aktie. Value Investoren kaufen Wertpapiere mit einem sehr langfristigen Anlagehorizont.
Trader suchen kurzfristige Chancen
Eine Grundregel, die dem sogenannten "Trader" völlig fremd ist. Trader fixieren sich normalerweise nicht auf bestimmte Werte, sondern nutzen Chancen dort, wo sie sich auftun. Oft halten sie Wertpapiere nur für wenige Stunden oder Tage. Sie tätigen also eher kurzfristige und riskantere Investments. Dabei geht es vor allem darum oft und schnell zu handeln um dabei Gewinne zu erzielen. Mit einer Fundamentalanalyse von Aktien kann ein Trader normalerweise nicht viel anfangen. Viel zu langwierig und aufwendig. Im Gegensatz dazu findet sich die Chartanalyse bei solchen Anlegern häufiger im Werkzeugkasten. Einen berühmten Trader vom Range eines Warren Buffet gibt es eigentlich nicht. Zumindest keinen, der es geschafft hat mit dieser Vorgehensweise ein solch großes Vermögen aufzubauen. Gleichwohl gibt es auch viele erfolgreiche Trader. Zumindest wenn man den Geschichten in entsprechenden Foren oder am Stammtisch Glauben schenken will.
Market-Timing ist Glücksspiel
Die meisten Privatanleger bezeichnen sich gerne als Investoren. Leider verhalten sich die meisten jedoch wie Trader. Jede Nachricht wird bedeutungsschwanger in Bezug auf das eigene Depot analysiert. Permanent werden Aktien oder Fonds gehandelt. Meistens agiert man dann zyklisch, das heißt man verkauft in den fallenden Markt hinein und steigt erst ein, wenn es wieder teuer wird. Viel Zeit verbringen Privatanleger gerne damit sich den Kopf zu zerbrechen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, sein Geld an der Börse zu investieren. Anleger versuchen immer wieder die perfekten Zeitpunkte für den Ein- und Ausstieg in und aus dem Markt zu finden. Ein reines Glücksspiel. Alle seriösen Untersuchungen beweisen, dass diese Vorgehensweise sinnlos ist. Das Gegenteil dagegen ist richtig. Langfristig investiert zu bleiben, verringert nachweislich die Gefahr Verluste zu erleiden.
"Ich muss erst abwarten, wer die Wahl gewinnt"
Aktuell bestimmt die anstehende Präsidentschaftswahl in den USA das Börsengeschehen. Neben dem Dauerbrenner Covid-19 vermutlich derzeit das meist diskutierteste Thema unter Anlegern. Viele halten sich mit ihren Investitionen derzeit zurück. "Ich muss erst abwarten, wer die Wahl gewinnt" lautet eine vielgehörte Begründung sich zurückzuhalten. Dabei ist das Ergebnis dieser Wahl vermutlich langfristig für die Aktienkurse der meisten Unternehmen egal. Entscheidend ist, ob die Unternehmen in deren Aktien oder Anleihen man investiert gut funktionierende Geschäftsmodelle haben. Denn nur dann verdient der Investor langfristig Geld. Auch wenn vor wenigen Monaten Trump noch der eindeutige Favorit der Wall Street war, so hat für die meisten Börsenhändler auch Biden mittlerweile seinen Schrecken verloren. Sein "New Green Deal" könnte einen Investitionsschub bei Anbietern von Erneuerbaren Energien und Infrastruktur-Firmen auslösen. Trump und sein Scheitern im Covid-19 Krisenmanagement hat mittlerweile viele Börsianer enttäuscht.
Der Präsidentschaftszyklus verspricht Kurssteigerungen
Grundsätzlich verspricht der Präsidentschaftszyklus Kurssteigerungen im Wahljahr. Dafür muss man aber auch entsprechend im Markt investiert sein. Dabei ist statistisch gesehen ein demokratischer Präsident wohl besser für die Börsen. Historisch gesehen haben demokratische Präsidenten den Anlegern mehr Kursgewinne beschert als republikanische Präsidenten. Aber vielleicht kommt dieses Jahr wegen Corona sogar alles ganz anders. Viele Analysten glauben, dass die diesjährigen US-Wahlen für die Entwicklung der Aktienkurse kaum relevant sein werden. Die Marktstimmung werde eher durch die Entwicklung der Covid-19-Pandemie bewegt. Ziemlich sicher ist allerdings, dass Warren Buffet nicht viel Zeit damit verbringt, darüber nachzudenken, wer die nächste US-Wahl gewinnt. Vielmehr sorgte er an den Märkten für Überraschung, als er sich über seine Investmentfirma Berkshire Hathaway vor kurzem an dem Börsengang des Cloud-Anbieter Snowflake beteiligte.
Weniger "Trader", mehr "Investor"
Privatanleger sollten sich weniger von Tagesnachrichten leiten lassen. Wer langfristig an der Börse erfolgreich sein will, sollte weniger "Trader" sein und mehr "Investor". Die langfristige Perspektive ist dabei entscheidend für den Erfolg. Sich dabei Warren Buffet als Vorbild zu nehmen ist sicherlich nicht verkehrt. Seine beiden erfolgreichsten Börsenregeln sollte man dabei immer beherzigen. Die erste Regel lautet: "Verliere niemals Geld" und die zweite entsprechend: "Vergesse niemals Regel Nummer 1".
von Markus Richert, CFP® und Seniorberater Vermögensverwaltung bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln
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