Quantencomputer: Hype oder Chance für mutige Anleger?
Die Entwicklung auf den Finanzmärkten ähnelt oft dem Verhalten eines Bootes auf hoher See. Ein "Boot", das kürzlich nach einer hohen Welle wieder nach unten gespült wurde, ist der Sektor der Aktien der Quantencomputer-Unternehmen.
Kürzlich kam es bei diesen Aktien zu einem starken Einbruch von teilweise bis zu 50 Prozent, der durch Aussagen des NVIDIA-Chefs Jensen Huang ausgelöst wurde. Er wies darauf hin, dass ein kommerziell anwendbarer Quantencomputer voraussichtlich erst in zehn bis 15 Jahren zur Verfügung stünde. Ähnliche Äußerungen kamen von Mark Zuckerberg von Meta und verstärkten den Kursrückgang.
Das Verhalten dieser Aktien beweist einmal mehr, dass sich Investoren oft wenig mit den Details komplexer Technologien beschäftigen und stattdessen gerne auf einen bereits schnell fahrenden Zug aufspringen. Doch wie realistisch sind die Aussagen über die Zukunft des Quantencomputings, und warum ermöglichen Quantencomputer bahnbrechende Berechnungen?
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Idee des Quantencomputings nicht neu ist. Der russische Mathematiker Yuri Manin (später Professor an der Universität Bonn) erwähnte die Idee des Quantencomputers erstmals 1980 in seinem Buch "Computable and Uncomputable". Dort argumentierte er, dass es physikalische Phänomene gibt, die sich nur schwer oder gar nicht mit klassischen Computern simulieren lassen. Er schlug vor, dass man einen neuen Typ von Computer entwickeln müsse, der die quantenmechanischen Eigenschaften der Natur direkt nutzt, um solche Probleme zu lösen. Wenig später wies auch der spätere Nobelpreisträger Richard Feynman auf die Notwendigkeit eines Quantencomputers hin. Diese lange Zeitspanne verdeutlicht, dass beim Quantencomputing aufgrund der Komplexität sowohl von Software als auch Hardware eine andere Messlatte angelegt werden muss.
Trotz der Herausforderungen gibt es bemerkenswerte Fortschritte. Google erreichte 2023 mit seinem Willow-Chip einen bedeutenden Durchbruch, der die Fehlerkorrektur in Quantencomputern verbesserte. Solche Entwicklungen zeigen, dass die Technologie stetig voranschreitet, auch wenn der Weg zur breiten kommerziellen Nutzung noch weit sein mag.
Die Aussagen von Huang und Zuckerberg können dennoch nicht so allgemein stehen gelassen werden, denn der Zeitrahmen für eine kommerzielle Nutzung hängt stark von den jeweiligen Anwendungen ab. In der Logistik sind bereits heute Erfolge zu verzeichnen, während beispielsweise für das "Knacken" des RSA-Codes in der Kryptographie auch mehr als zehn Jahre vergehen können.
Die Problematik brauchbarer Prognosen zeigt sich auch daran, dass bis heute nicht klar ist, welche Technologie sich letztendlich durchsetzen wird: Supraleitung, Ionenfallen, neutrale Atome, topologische Qubits oder andere Ansätze. Selbst für die Bestimmung eines Benchmarks für den Vergleich der Leistungsfähigkeit unterschiedlicher Quantencomputer gibt es in der Forschung keinen einheitlichen Maßstab. Klar ist nur, dass es nicht die Anzahl der Qubits ist, die in den Medien oftmals genannt wird, denn Algorithmen zur Fehlerbehebung und die Möglichkeit der Skalierbarkeit sind ebenso entscheidend. In diesem Zusammenhang ist besonders wichtig die sogenannte
"Quantum-Gate-Error"-Rate. Heutige Quantencomputer weisen bestenfalls eine Rate von 10?4 auf. Experten schätzen jedoch, dass für viele brauchbare Anwendungen eine Rate von 10?¹° oder sogar 10?¹5 notwendig ist.
Die Anzahl der Qubits - wobei zwischen physischen, logischen und algorithmischen Qubits unterschieden wird - ist jedoch intuitiv am leichtesten zu verstehen. Jedes weitere Qubit verdoppelt die Rechenkapazität eines Quantencomputers, was die Grundlage für seine immense Leistung ist.
Auch wenn es für den breiten kommerziellen Einsatz eines Quantencomputers noch viele Herausforderungen gibt, ist dennoch klar, dass sich bereits heute insbesondere Regierungen intensiv mit den Möglichkeiten beschäftigen, da sie nicht warten können, bis das "fertige" Produkt auf dem Tisch liegt. Es wird daher weiter Geld in diesen Sektor fließen.
Anleger mit viel Geduld finden hier ein interessantes Anlagethema, das Möglichkeiten für Pioniergewinne eröffnet. Anleger, die diesen Sektor über einen ETF abbilden möchten, können beispielsweise in den Defiance Quantum ETF (ISIN US26922A4206) investieren. Direkten Bezug zu Quantencomputer haben in diesem ETF aber nur wenige Unternehmen (ca. sieben Prozent vom Portfolio), da es kaum börsennotierte Quantencomputer-Unternehmen gibt. Dieser ETF korreliert daher in starkem Maße auch mit anderen Technologieaktien. In dem Maße, wie jedoch bisher in Privatbesitz befindliche Unternehmen an die Börse gehen (zum Beispiel Quantinuum), wird sich das Universum erweitern.
von Jürgen Brückner, Portfoliomanager der FV Frankfurter Vermögen AG in Bad Homburg/ Königstein
Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Ihren Meinungen und Online-Anlagestrategien finden Sie auf www.v-check.de
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