Vermögensverwalter-Kolumne

Lagebeurteilung

10.03.21 08:17 Uhr

Lagebeurteilung | finanzen.net

Wie jedes Jahr veröffentlichten zahlreiche Bankinstitute zum Ende des Jahres 2020 Kapi-talmarktannahmen für das kommende Jahr. Alles in allem bestand Konsens über die zu erwartenden Entwicklungen im Jahre 2021.

Nun scheint es so, als ob eine der zentralen Annahmen der Marktteilnehmer zu wackeln beginnt: Eine andauernd niedrige Inflationsrate. Dahinter steht die Annahme, dass trotz grösster Anstrengungen der Zentralbanken keine Inflation entstehen wird und die defla-tionären Entwicklungen der Vergangenheit wie in Japan oder der Eurozone auch welt-weit, und insbesondere auf die USA, übertragbar sind. Inflationserwartungen sind für Investoren zentral, geben sie doch einen Hinweis auf den Diskontsatz und bestimmen das Bewertungsniveau und die relative Attraktivität von Anlagen.

Es fällt auf, dass die Euphorie, die seit Anfang November die Märkte beflügelte, auch an-fangs 2021 anhielt. Für uns sind die Entwicklungen ein klarer Hinweis auf Exzesse, die unter anderem auf die überschüssige Liquidität zurückzuführen sind. Anders ausge-drückt befinden wir uns in einer ausgeprägten Phase der Vermögenswertinflation.

Eine altbekannte Unsicherheit weitet sich aus

Die unruhiger gewordenen Kapitalmärkte der jüngsten Vergangenheit haben ihren Ur-sprung in Anzeichen steigender Zinsen, wie dies zum Beispiel bei zehnjährigen inflati-onsgeschützten US-Anleihen zum Ausdruck kommt. Zu erkennen ist ein deutlicher An-stieg der Inflationserwartungen in den letzten zwölf Monaten. Sollte dies zutreffen, dann scheinen ohnehin schon hohe Bewertungsniveaus nicht nur hoch, sondern viel zu hoch zu sein. Für Investoren in einer Vielzahl von Vermögenswerten wären dies schlechte Nachrichten.

Stimulus aus Amerika kommt

Die derzeit stattfindenden Rotationen im Markt (von zum Beispiel Technologiewerten hin zu zyklischen Werten) mag aufgrund von Bewertungsniveaus und hinsichtlich eines zu erwartenden Aufschwungs sogar berechtigt sein. Jedoch scheinen Cash und Anleihen weiterhin wenig attraktiv als Alternative zu Aktien. Zudem scheint vor allem der Wille der Politik und der Zentralbanken ungebrochen, mögliche Probleme mit noch mehr Geld zu beheben. So werden die USA jedem Amerikaner demnächst einen weiteren Scheck schicken (Gesamtvolumen 600 Mrd. US-Dollar) sowie mit zusätzlichen Massnahmen rund 1.900 Mrd. US-Dollar in die Wirtschaft pumpen.

Gleichzeitig wird derzeit ein Infrastrukturprogramm im Kongress verhandelt, welches nochmals eine Summe von rund 2.000 Mrd. US-Dollar aufbringt. Alles in allem können wir alleine in den USA mit einem Stimulus in Höhe von rund 3.900 Mrd. US-Dollar rech-nen. Ein erster Entscheid ist im Senat gefallen, das Repräsentantenhaus folgt in Kürze.

Wie geht es weiter?

Die Frage ist, wie viel dieser Gelder letztendlich in den Aktienmarkt fliessen werden. Gleichzeitig scheint die US-amerikanische Zentralbank gewillt, die Zinsen niedrig zu halten und würde dafür auch die Zinskurve kontrollieren. Jerome Powell betonte erst kürzlich vor dem Kongress, dass die US-Amerikanische Zentralbank keinerlei Pläne hat das Zinsniveau zu heben, noch ihre lockere Geldpolitik aufzugeben. Es könnte daher ein weiteres Jahr der Überraschungen geben, und zwar in der Form, dass die Aktienmarkt-rally auch in diesem Jahr ihre Fortsetzung findet. Entsprechend scheint es verfrüht, aus den Märkten auszusteigen. Eine etwas defensivere Positionierung im Markt schadet aus unserer Sicht jedoch nicht.

Hyperinflation am Horizont?

Liquidität bietet finanzielle Sicherheit und die Optionalität Chancen wahrzunehmen. Es sollte jedoch mittlerweile klar sein, dass unser Finanzsystem das Halten von Liquidität auf Dauer nicht belohnt. Liquidität ist ein unproduktiver Asset, bietet keinen Schutz vor Inflation und partizipiert nicht an der Zauberformel des Finanzmarkts: dem Zinseszins-effekt. Ob die Geldentwertung für Waren des Alltags wie zu Zeiten der Weimarer Repub-lik ausser Kontrolle geraten werden, scheint derzeit unwahrscheinlich. Jedoch ist die Geldentwertung auf Vermögenswerten angesichts von steigenden Kursen längst Reali-tät.

von Dr. Patrick Cettier, Geschäftsführender Partner der Prio Partners GmbH in Zürich/ Schweiz

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