Krisen, Krieg und Kontroversen - eine Bestandsaufnahme!
Der Krieg in der Ukraine mit all seinen negativen Auswirkungen seit dem 24. Februar ist das beherrschende Thema für die Kapitalmärkte.
Bei all dem Leid für die betroffenen Menschen und den Emotionen für das geschundene Land geht es in diesem Quartalsbericht jedoch nicht um die geopolitischen, sondern vielmehr um die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die einzelnen Anlageklassen und auf Ihre Vermögensanlagen.
Bislang sind die Aktienmarkte vergleichsweise stabil geblieben und die Verluste halten sich in Grenzen. Das ist eine große Erleichterung und gibt mir die Gelegenheit, auf die wesentlichen Einflussfaktoren für diese Entwicklung einzugehen. Die Märkte gehen offensichtlich von einem schnellen Ende der Auseinandersetzung mit einer damit verbundenen Normalisierung der Energiepreise für Öl und Gas aus. Das kann der Fall sein, muss es aber nicht!
Auch ein Einbruch der Konjunktur verbunden mit einem Rückgang der Gewinnerwartungen der Unternehmen ist möglich. Dieses Szenario wird bislang noch zu wenig eingepreist. Wir stellen uns längerfristig auf herausfordernde Szenarien ein. Dafür braucht es ein robustes Portfolio, welches mit möglichst vielen Umweltsituationen zurechtkommen muss, mögen sie aus Anlegersicht positiv oder negativ sein. Wir wissen nicht, wie die Welt sich zukünftig verändern wird. Nur wäre es fahrlässig, von einem "weiter so wie bisher" auszugehen.
Wir sind mit der Wertentwicklung ihrer Vermögens- und Finanzanlagen vergleichsweise stabil durch die vergangenen drei Monate gekommen und konnten starke Kursrückgange abfedern. Geholfen haben uns der hohe Anteil an Gold und Goldminen sowie dem US-Dollar, der sowohl bei den Anleihen (US- Treasuries) und den Aktien vertreten ist. Besonders gelitten haben Werte aus Europa und Deutschland, die naturgemäß stärker mit Russland und der Ukraine wirtschaftlich verbunden sind als die USA, die mit ihrem großen Binnenmarkt vergleichsweise wenige Berührungspunkte mit Osteuropa haben. Auch waren Anlagen in China stark betroffen.
Wo liegen die Größten Risiken?
• Unternehmen, die mit Russland direkt Geschäfte machen, leiden. Dazu gehört auch die Metro, die fast 10 Prozent ihres Umsatzes mit ihren Märkten in Russland erwirtschaftet. Auch Bayer, Henkel oder Knauf halten an ihrem Russland-Geschäft fest. Siemens hingegen stoppt lediglich das Neugeschäft. Andere deutsche Konzerne haben Russland den Rücken gekehrt und nehmen kleinere Verluste in Kauf, da der Umsatz dort nicht sehr bedeutend ist. Es ist derzeit unklar, wie es dort für die deutsche Wirtschaft weitergeht.
• Wer besonders viele Rohstoffe benötigt, zahlt deutlich mehr als bisher. Chemie-, Stahl- und Baustofffirmen leiden besonders stark unter den gestiegenen Preisen. Die Margen kommen unter Druck. Somit werden die Gewinne dieser Unternehmen teilweise dramatisch sinken. Die größte Nachfrage nach Rohstoffen kommt jedoch aus Asien. China, Indien, Südkorea und Japan haben den größten Bedarf.
• Profitieren dürften die Händler mit Rohstoffen, Öl und Gas wie z. B. Glencore, die in einem Jahr um rund 70 Prozent gestiegen sind. Auch die Ölwerte Shell und Equinor sind seit Jahresbeginn stark im Aufwind. Shell und BP stellen ihr Russland-Geschäft ein. Deutsche Konzerne halten sich derzeit bedeckt, was ihre Russland-Engagements angeht. Trotz gleicher Branche können die Auswirkungen von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen.
• Unternehmen mit komplizierten Produktionsketten haben derzeit Probleme mit ihren Lieferanten. Da Kabelbäume und Bordnetzsysteme aus der Ukraine nicht geliefert werden können, entstehen erhebliche Produktionspausen in der Automobilindustrie, besonders bei Volkswagen und BMW. Palladium und Nickel aus Russland fehlen ebenfalls.
• Die Globalisierung im alten Stil der vergangenen Jahre funktioniert nicht mehr. Deutsche exportorientierte Unternehmen müssen ihre vernetzten Geschäftsmodelle schmerzhaft korrigieren. Bislang ist noch unklar wie das Modell der Zukunft aussieht, nur ist es unwahrscheinlich, dass die Welt nach dem Krieg wieder so wie früher aussieht.
... und die Aktienkurse erholen sich!
Am 8. März 20022 war der vorläufige Tiefpunkt für viele Aktienindices. Der deutsche Leitindex DAX, der europäische EuroStoxx 50 und der US-Technologieindex NASDAQ lagen allesamt mit knapp 20 Prozent im Minus. Inzwischen konnten rund zwei Drittel davon wieder aufgeholt werden. Der erste Schock ist überstanden. Es fällt auf, dass einzelne Sektoren und Märkte unterschiedlich stark in Mitleidenschaft gezogen sind. Kein Wunder, dass sich die Erholung auch differenziert vollzieht.
Deutschland ist wesentlich stärker von den Auswirkungen der Ukraine-Krise betroffen als die meisten anderen Länder. Zum einen ist die deutsche Wirtschaft exportabhängiger als andere Staaten und zum anderen ist unser Land existenziell auf die Lieferung von russischem Gas angewiesen. Dabei geht es nicht so sehr darum, ob wir die Heizung ein paar Grad runterdrehen müssen, sondern wir brauchen eine sichere Belieferung unserer energieintensiven Wirtschaft und möglichst stabile Kosten für die Produktion von Gütern wie Autos, Stahl, Maschinen- und Anlagen sowie von Chemie- und Baustoffen.
Teuer oder billig?
Die USA sind vergleichsweise wenig von den Folgen des Krieges betroffen. Sie verfügen über eine starke Binnenwirtschaft und sind nicht so exportabhängig wie Deutschland. Auch sind die Vereinigten Staaten nicht auf russisches Gas angewiesen. Im Gegenteil: deren Wirtschaft profitiert von der Lieferung von Waffen und Flüssiggas, das klimaschädlicher als herkömmliches Gas hergestellt und transportiert wird. Das Stichwort lautet "Fracking". Nachhaltig ist das nicht gerade!
Daher ist es kein Wunder, dass die Bewertung amerikanischer Aktien vergleichsweise hoch ist. Aktien aus Deutschland, Europa und den Schwellenländer erscheinen hingegen preiswert - vorausgesetzt es kommt nicht zu massiven Gewinneinbrüchen. Damit sind wir bei der Kernfrage: wie stark werden Konjunktur und Unternehmensgewinne einbrechen? Kommt es zu einer Stagflation oder sogar zu einer Rezession bei gleichzeitig hoher Inflation? Wer geht gestärkt aus diesen Umbrüchen hervor? USA, Europa oder China?
Da diese Fragen derzeit niemand eindeutig seriös beantworten kann, braucht es eine möglichst breite Positionierung ohne zu stark konjunkturelle Risiken einzugehen. Defensive Branchen mit stabilen Geschäftsmodellen und Qualitätsunternehmen sind einen Blick wert. Erst mit einem Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen mögen Fragen des Wiederaufbaus und der Erholung der Wirtschaft in den Vordergrund rücken.
Die Inflation bleibt hoch!
Die Inflationsraten steigen nicht nur in den USA, sondern auch bei uns in Deutschland auf den höchsten Stand seit 1992. In den USA trifft ein überdimensioniertes Konjunkturprogramm auf eine ultralockere Geldpolitik. Die US-Notenbank FED reagierte im März mit dem ersten Zinsschritt, dem weitere Schritte folgen werden. In Europa zeigt sich die EZB noch sehr zurückhaltend. Ein erheblicher Teil der Inflationsrate geht auf die gestiegenen Energiepreise zurück. Ein zweiter wesentlicher Faktor sind die Lebensmittelpreise, die ebenfalls aufgrund der Ukraine-Krise stark steigen. Eine Lohn-Preis-Spirale wie in den USA ist derzeit noch nicht erkennbar. Auch wenn sich die Lage wieder beruhigt, müssen wir weiterhin von einer hohen Inflationsrate ausgehen, die weder in Europa noch in den USA durch hohe Zinsen ausgeglichen werden kann. Die Verschuldung ist in fast allen Industrienationen viel zu hoch. Somit bleibt die Realverzinsung negativ. Daher dürfte die Zinsdifferenz zwischen Europa und den USA weiterhin zugunsten der USA ausfallen. Das wiederum spricht für einen starken US-Dollar. In China und Japan ist die Inflation weiterhin sehr niedrig. Japan belässt die Zinsen auf dem derzeitigen Niveau und der Yen gibt bis auf 136 zum Euro nach. China kurbelt seine Wirtschaft an. Die Geldpolitik im Reich der Mitte ist expansiv und die Zinsen bleiben niedrig. Unser Fazit: wir bleiben wachsam und navigieren Ihr Depot vorsichtig durch turbulente Zeiten.
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Von Wolfgang Juds, Geschäftsführender Gesellschafter der Credo Vermögensmanagement GmbH in Nürnberg
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