Vermögensverwalter-Kolumne

Kaufrausch in den Tech-Werten

20.07.20 10:51 Uhr

Kaufrausch in den Tech-Werten | finanzen.net

Amazon & Co haben die nächste Raketenstufe gezündet. Die Kurse vieler Technologiewerte scheinen die Bodenhaftung verloren zu haben und auf dem Weg zum Mond.

An den Aktienmärkten herrscht mittlerweile Hochstimmung, mag man meinen. Der DAX steht wieder nahe an der 13.000er-Marke, hat also seit dem Tief im März gut 5000 Punkte aufgeholt. Und blickt man auf die US-Technologiewerte und ihrem zugehörigen Aktienindex NASDAQ, entsteht der Eindruck "Das war´s - up, up and away!". Der NASDAQ hat nicht nur das Vorkrisenniveau erreicht, sondern steigt seit einigen Wochen Tag für Tag auf neue Allzeithochs.

Gerade wegen Corona fließt immer mehr Kapital in die Tech-Aktien, die als Profiteure der Pandemie gelten. Der digitale Wandel wird durch die Krise und die sozialen Einschränkungen beschleunigt, da Verbraucher und Unternehmen neue Wege für das Einkaufen, die Unterhaltung und die Gesundheitsversorgung kennengelernt haben. Die Erwartung der Investoren ist, dass dies vor allem den US-Technologiekonzernen zugutekommt.

Viele Tech-Aktien notieren daher wieder nahe ihrer Höchststände, oder gar darüber. In einigen Einzelwerten macht sich sogar wahre Kaufpanik breit: Seit dem Corona-Tief im März hat sich Amazon verdoppelt und Tesla vervierfacht. Bei Amazon führt das zu einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von weit über 200! Tesla könnte mit seiner aktuell erreichten Marktkapitalisierung die gesamte deutsche Automobilindustrie aus der Portokasse bezahlen. Ein KGV gibt es nicht, denn die Firma produzierte ja bisher nur Verluste. Einfach nur absurd.

Die krassen Kursverwerfungen in den Zukunftsbranchen ergeben sich jedoch auch aus der dramatischen Ausweitung der Geldmenge durch die US-Notenbank FED, die die Vermögenspreisinflation bei Aktien, Gold und Immobilien weiter beschleunigt. Von den Niedrigzinsen profitieren aus einfachen mathematischen Gründen ganz besonders die Aktien von wachstumsstarken Unternehmen, die einen Großteil ihrer Gewinne erst in weiter Zukunft erzielen werden, da hier eine Verringerung des Abzinsungsfaktors in Bewertungsmodellen wie dem Discounted-Cashflow-Modell besonders stark ins Gewicht fällt. So werden zukünftige Gewinne nahezu 1:1 und ohne Abschlag heute schon eingepreist. Ebenfalls eingepreist werden quasi Monopolgewinne, so als hätten Unternehmen der "Old Economy" keine Berechtigung mehr - auch das kennt man bereits von der ersten Internet-Euphorie um die Jahrtausendwende.

Insofern nimmt die Gefahr zu, dass die Börsianer die Lage zu optimistisch einschätzen. Der größte Unsicherheitsfaktor bleibt das Virus selbst. Zumal gerade in den USA die Corona-Infektionszahlen kräftig weiter steigen. Die erste Welle ist bisher überhaupt nicht zum Stillstand gekommen. Die ersten Bundesstaaten müssen Lockerungen wieder zurücknehmen. Für den amerikanischen Arbeitsmarkt ist dies verheerend. In keiner der zurückliegenden Krisen waren so viele Amerikaner arbeitslos wie heute.

Dass Volkswirtschaft und Aktienmärkte in unterschiedliche Richtungen laufen, ist jedoch nicht ungewöhnlich. Die Börse blickt oft voraus. Die Kurse drehen meist deutlich vor der Realwirtschaft. Vorbild für die Bullen ist die große Finanzkrise. Die brachte schmerzhafte Verluste, leitete aber auch eine elf Jahre währende Aktienmarktrallye ein. Das Rezept von damals - massive Staatshilfen und Geldspritzen der Notenbanken - wirkt auch heute. In diesem Sinne: up, up and away!

von Dr. Marc-Oliver Lux von Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG in München

Immer mehr Privatanleger in Deutschland vertrauen bei ihrer Geldanlage auf bankenunabhängige Vermögensverwalter. Frei von Produkt- und Verkaufsinteressen können sie ihre Mandanten bestmöglich beraten. Mehr Informationen finden Sie unter www.v-bank.com.

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.