Feierlaune - Marktkommentar zum 2. Quartal 2024
Globale Aktienmärkte befinden sich seit fünf Monaten in bester Feierlaune. Amerikanische Aktien gemessen am S&P 500 gewannen in diesem Zeitraum ca. 25 Prozent an Wert und notieren nahe ihrer Allzeithöchststände.
In den ersten drei Monaten dieses Jahres markierte der Index allein 22 neue Höchstwerte. Europäische Indizes feierten ähnliche Kurserfolge. Der deutsche Aktienindex DAX etwa verzeichnete im Jahr 2024 sogar 26 neue Allzeithochs.
Auslöser dieser Kursentwicklung war die Notenbanksitzung der Federal Reserve (FED) im November letzten Jahres, auf der die amerikanischen Notenbanker trotz einer Arbeitslosenquote von damals 3,7 Prozent und einer nach wie vor zu hohen Kerninflation von damals vier Prozent drei Zinssenkungen für das Jahr 2024 in Aussicht stellten. Diese Ankündigung der Umkehr im Zinszyklus wurde von den Märkten euphorisch aufgenommen und sorgte für eine Rallye bei Aktien und Anleihen. Die Aktienkurse ließen sich durch die wieder anziehenden Marktzinsen nicht beirren und setzen ihren Höhenflug unvermindert fort. Eine Verschiebung der ersten Zinssenkungen um wenige Monate veränderte das Aktienmarktnarrativ nicht.
Das duale Mandat der FED beschreibt Vollbeschäftigung sowie Preisstabilität. Preisstabilität wird von den Zentralbanken definiert über ein mittelfristiges Inflationsziel von zwei Prozent, während Vollbeschäftigung nicht derart eindeutig definiert ist. Oftmals gilt eine Arbeitslosenquote von zwei bis fünf Prozent oder ein größeres Angebot offener Stellen gegenüber Arbeitssuchenden als Vollbeschäftigung. Derweil bleibt die US-Inflation hartnäckig hoch. Die Konsumentenpreise für März stiegen erneut um 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr an, in der um die volatilen Komponenten Energie und Nahrungsmittel bereinigten Kernrate betrug der Anstieg sogar 3,8 Prozent. Dies ist weit vom Zentralbankziel der Preisstabilität entfernt.
In der Eurozone hat sich unser prognostiziertes Szenario bis dato erfüllt. Eine schwache Rezession sorgt dafür, dass die Inflationsraten schneller sinken als angenommen. Dies eröffnet der europäischen Zentralbank (EZB) die Möglichkeit die Zinsen zu senken. In der Industrie sind zarte Stabilisierungstendenzen erkennbar und erste Frühindikatoren beschreiben eine Bodenbildung. Da aber auch in der Eurozone die Zinserhöhungen erst noch ihre volle Wirkung entfalten werden, ist diese Bodenbildung wahrscheinlich zu fragil und anfällig für Rückschläge. Daher können Zinssenkungen sinnvoll sein, solange der Inflationstrend abwärtsgerichtet ist. Zusammengefasst sehen wir in der Eurozone ein Rezessionsrisiko und in den USA ein Reflationsrisiko.
China kämpft im Gegensatz zum Rest der Welt mit einer massiven Immobilienkrise und einer damit verbundenen Deflation. Diese Deflation exportiert die Volksrepublik und "hilft" damit der Inflationsentwicklung der entwickelten Welt. Preisgünstige Elektro-Autos, Solarpaneele und Batterien sorgen für Dämpfung der Güterpreisinflation. Das chinesische Wirtschaftswachstum entwickelt sich verglichen mit der westlichen Welt zwar noch überproportional, wird aber ohne geld- oder fiskalpolitische Impulse spürbar unterhalb der historischen Wachstumsraten liegen.
Geopolitik fragil
Das geopolitische Umfeld ist aktuell so gefährlich wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Ukraine droht den von Russland begonnenen Krieg zu verlieren. Der Iran greift Israel zum ersten Mal in der Historie direkt mit Luftangriffswaffen an. Zurzeit beraten israelische Politiker über mögliche Szenarien zur Reaktion. Die Wahrscheinlichkeit einer Ausweitung des Nahost-Konflikts ist ausgesprochen hoch. China attackiert derweil philippinische Schiffe im südchinesischen Meer und verletzt dabei deren Besatzungsmitglieder. Sollte bei Begegnungen dieser Art ein Todesfall zu beklagen sein, gehen Geopolitiker davon aus, dass der Verteidigungspakt der Philippinen mit den USA sowie Japan einberufen würde, so dass sich schlussendlich amerikanische und chinesische Truppen gegenüberstehen würden. Zudem bietet der Taiwankonflikt weiterhin Eskalationspotenzial. Und zu guter Letzt wird die amerikanische Präsidentschaftswahl immer stärker in den Fokus rücken.
Anlagestrategie
Angesichts des makroökonomischen Ausblicks ist unser Basisszenario nach wie vor wenig verändert. Die Inflationsraten unter das Zentralbankziel von zwei Prozent zurückzuführen, stellt sich als herausfordernd dar. Wir sind überzeugt, dass dies nur mit einem sich abkühlenden Wachstumsumfeld erreichbar ist. Voreilige monetäre Stimuli bergen die Gefahr einer erneut anziehenden Inflation und könnten einen geldpolitischen Fehler darstellen. Auch eine potenzielle Wachstumsbelebung in Europa sehen wir als kraftlos. Für unsere Anlagestrategie ergeben sich dementsprechend wenig Änderungen. Wir richten die Portfolien nach wie vor defensiv aus.
Aktien
Die Aktienmärkte beschleunigten ihre Kursrallye in den vergangenen Monaten und sind fulminant ins Jahr gestartet. Bemerkenswert ist, dass diese Kursrallye ohne einen vorherigen nennenswerten Abverkauf begonnen hat. In der Historie des S&P 500 gab es einen Kursanstieg von über 20 Prozent in nur 5 Monaten lediglich nach starken Marktkorrekturen, in diesem Jahrhundert zum Beispiel ausschließlich nach den Bärenmarktphasen 2008/2009 (Finanzkrise) und 2020 (Corona). Zudem war der Anstieg äußerst geradlinig. Zwischenkorrekturen betrugen bis zum Ende des ersten Quartals maximal 1,5 Prozent und wurden unmittelbar für Anschlusskäufe genutzt. Dies verdeutlicht das positive Börsensentiment. Es mehren sich aber auch Anzeichen von spekulativen Übertreibungen. Bitcoin gewann im ersten Quartal 61 Prozent an Wert. Die von Donald Trump kontrollierte Kurznachrichtenplattform Truth Social feierte einen imposanten Börsengang mit einer initialen Bewertung von 8 Mrd. US-Dollar. 2023 hatte das Unternehmen einen Umsatz von 4 Mio. US-Dollar und verbrannte seit Gründung 2021 zig Millionen US-Dollar.
Insgesamt lässt sich konstatieren, dass es momentan eine Tendenz zum "Winner takes it all" gibt. Wenige Titel entwickeln sich außerordentlich gut. Rheinmetall im DAX gewinnt 82 Prozent und die Geschäftsentwicklung eines Unternehmens (Novo Nordisk) ist der ausschlaggebende Grund, dass die Wachstumsprognosen Dänemarks nach oben revidiert werden. Schaut man sich den europäischen Markt an, dann erkennt man, dass sich Diversifikation in den vergangenen Monaten nicht ausgezahlt hat, auf Indexebene hinkte der 600 Titel umfassende Stoxx 600 dem 50 Titel umfassenden Eurostoxx 50 deutlich hinterher. Und auch Qualitätsaktien (MSCI Europe Quality) verzeichneten in diesem Zeitraum einen schwächeren Anstieg.
Angesichts der bestehenden (geo-)politischen Problem- und Konfliktherde, hartnäckiger Inflation sowie hoher Zinsen, sehen wir die Märkte zu sorglos und gehen für die Zukunft von erhöhter Volatilität aus. Daher bleiben wir defensiv positioniert und innerhalb der Wirtschaftsregionen ausgewogen diversifiziert. Jede Region hat ihre eigenen Herausforderungen und Chancen. Bei der Selektion legen wir weiterhin einen starken Fokus auf Qualitätsunternehmen.
Anleihen
Anleihen sehen wir nach der Konsolidierung im ersten Quartal und der Aussicht auf baldige Zinssenkungen wieder als attraktiv an. Insbesondere europäische Anleihen könnten von einer schnelleren Zinswende der EZB im Vergleich zur FED profitieren. Unternehmensanleihen hoher Bonität im mittleren Laufzeitenbereich halten wir für interessant, um sich das aktuelle Zinsniveau zu sichern. Zudem beobachten wir spannende Anlageopportunitäten in anderen Segmenten des Anleihespektrums, z.B. bei besicherten Pfandbriefen. Dort rentieren hochklassige Anleihen mit Renditeaufschlägen zu ihrem jeweiligen Ratingbereich.
Rohstoffe/Alternative Investments
Gold hat sich im vergangenen Quartal beeindruckend entwickelt. Geopolitische Spannungen, avisierte Zinssenkungen sowie eine expansive Fiskalpolitik der Staaten und Regierungen sorgten für Höchststände. Da dieses Umfeld unserer Meinung nach anhalten wird, halten wir Gold weiterhin für eine interessante Portfoliobeimischung zur Diversifikation. Alternative Investments nutzen wir nach wie vor zur breiten Diversifikation und sehen darin in volatilen Zeiten einen wertvollen unkorrelierten Portfoliobestandteil.
Fazit
Die Aktienmärkte steigen seit fünf Monaten aufgrund der Erwartung baldiger Zinssenkungen steil an. Insbesondere die US-Notenbank FED hat unseres Erachtens aktuell aber keine Grundlage die Zinsen voreilig zu senken. Eine an Vollbeschäftigung grenzende Arbeitslosenquote sowie eine hartnäckig hohe Inflation sprechen eher für weitere Zinserhöhungen als für -senkungen. Die FED ist angesichts fallender Inflationsraten besorgt, die Leitzinsen zu stark erhöht zu haben. Da sich das hohe Zinsniveau noch nicht über restriktive Finanzkonditionen in der Wirtschaft niedergeschlagen hat, scheint die FED präventiv Zinsen senken zu wollen, um einem Wirtschaftsabschwung vorzubeugen. Dies könnte sich als geldpolitischer Fehler erweisen und ein Reflationsrisiko darstellen. In der Eurozone hingegen erscheinen Zinssenkungen ob der Schwäche der hiesigen Wirtschaft opportun. China hingegen befindet sich in einem deflationären Umfeld und müsste expansive Fiskal- und Geldpolitik betreiben, um das historisch schwache Wachstum zu beflügeln.
Die Aktienmärkte sind potenziell zu stark angestiegen und bedürfen aufgrund ihrer hohen Bewertungen mittlerweile ein ideales Investmentumfeld, um weitere Kursanstiege zu rechtfertigen. Angesichts der bestehenden (geo-)politischen Problem- und Konfliktherde, hartnäckiger Inflation sowie hoher Zinsen wäre eine Konsolidierung nichts Ungewöhnliches. Auch die relativ schwächere Wertentwicklung von Qualitätsunternehmen sollte sich unserer Meinung auf absehbare Zeit wieder legen. Wir bleiben daher unseren Investments in Qualitätstiteln treu und verbleiben nach wie vor in einer defensiven Portfoliopositionierung. Anleihen halten wir nach einer Konsolidierung wieder für attraktiv. Dabei bevorzugen wir Unternehmensanleihen guter Bonität im mittleren Laufzeitenband. Zudem sehen wir Opportunitäten in speziellen Segmenten des Anleihemarktes, wie z.B. besicherten Pfandbriefen.
Gold besitzt aufgrund seines Status als sicherer Hafen eine Rolle im Portfolio und spielt im aktuellen Marktumfeld seine Stärken aus. Alternative Investments mischen wir zur breiten Diversifikation unvermindert bei.
von Lars Murek, Senior Portfoliomanager der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln
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