Die Stimmung an den Börsen ist erstaunlich optimistisch - Berechtigt?
Die internationalen Börsen handeln in den letzten Tagen, als sei mit dem Ende des Lock down in vielen Ländern das Corona Problem gelöst. An den Finanzmärkten wird die Zukunft gehandelt. Sicherlich kann man zuversichtlicher nach vorne schauen als noch vor ein paar Wochen, doch noch ist das Virus nicht besiegt und der wirtschaftliche Schaden in seinem gesamten Ausmaß noch gar nicht abzusehen. Woher also die gute Börsenlaune?
Warren Buffett beschrieb die Finanzmärkte folgendermaßen: In der kurzfristigen Betrachtung seien sie eine Maschine des Wählens (voting machine) , langfristig dagegen eine Maschine des Wägens (weighing machine). Diese Zweiteilung unterscheidet einmal kurzfristige Kursentwicklungen, die auf Stimmungen, Meinungen und Herdenverhalten beruhen und den langfristigen Kursentwicklungen, die auf den Unternehmensdaten, also den Fundamentalfaktoren beruhen. Augenscheinlich beobachten wir gerade die Phase des Wählens. Nach dem panischen Totalausverkauf über alle Anlageklassen im März scheint nun der Herdentrieb in die andere Richtung zu folgen. Die Notenbanken und Regierungen haben anders als 2008 nicht gezögert und sofort Hilfspakete in noch nie dagewesener Höhe ausgerollt. Doch noch immer stehen viele Investoren, egal ob privat oder institutionell an der Seitenlinie und haben nun Sorge, den Wiedereinstieg zu verpassen. Dies könnte ein weiterer Grund sein, dass die Kurse seit Tagen nur eine Richtung kennen. Bedenklich ist, dass die aktuell so positive Börsenstimmung nicht mit den Fundamentaldaten übereinstimmt. Solange die Risikobereitschaft der Anleger über alle Titel hinweg hoch bleibt, was einerseits aus Mangel an Alternativen und andererseits im Vertrauen darauf, dass die Zentralbanken einen neuen Einbruch verhindern werden, zu vermuten ist , kann dieser Zustand noch länger andauern. Problematisch wird es erst dann, wenn Investoren in Phase zwei übergehen und den Preis einer Aktie an den Unternehmensdaten "abwägen". Die fundamentalen Daten der Wirtschaft sehen furchtbar aus und rechtfertigen nicht wirklich die positive Stimmung und die Kurse. Vergleiche mit den großen Crashs von 1929 oder dem Platzen der Dotcom-Blase zeigen ähnliche kurzfristige Erholungen. Der frühe Optimismus würde aber in beiden Fällen durch einen erneuten Einbruch der Märkte bestraft. Anleger sollten sich daher bewusst sein, dass die Krise noch lange nicht ausgestanden ist und es durchaus noch einmal turbulent werden kann. Auf jeden Fall sollten sie aber bei der Auswahl der Titel mehr "abwägen" und weniger der Herde folgen.
von Ralph Rickassel, PMP Vermögensmanagement in Düsseldorf, eine Niederlassung der Donner & Reuschel Lux S.A.
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