Die EU fordert Nachhaltiges Investieren - Sinnvoll oder das nächste Bürokratiemonster?
Nachdem Banken und Vermögensverwalter 2018 in einem Kraftakt die EU-Richtlinie Mifid II umgesetzt haben, die unter anderem für mehr Kostentransparenz und Sicherheit für Anleger sorgen soll, steht der nächste Eingriff der Regulierungsbehörde bevor.
Spätestens im Jahr 2020 soll die Finanzwirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit bei der Auswahl ihrer Investments verpflichtet werden. Getrieben wird dieses Vorhaben auch durch die im Pariser Abkommen vereinbarten Klimaschutzziele, deren Einhaltung man ohne die Verpflichtung der Investoren nicht zu erreichen glaubt.
Bisher wurden Vermögensverwalter meist nur von größeren Stiftungen, kirchlichen Einrichtungen oder interessierten Kunden gebeten, Portfolien unter Nachhaltigkeitsaspekten zu investieren. Wenn es nach dem Willen der EU-Kommission geht, sollen spätestens ab dem nächsten Jahr alle Investoren verpflichtend einen gewissen Anteil nachhaltiger Investments in ihre Portfolien aufnehmen.
Historisch wird der Begriff Nachhaltigkeit dem Freiberger Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz (1645-1714) zugesprochen. Er ließ in seinen Wäldern nur so viel Holz schlagen, wie diese auf natürliche Weise reproduzieren konnten. Die heutige Definition von Nachhaltigkeit ist weitgehender und umfasst neben dem Umweltschutz auch Menschenrechte und Unternehmensführung.
Die EU-Kommission fasst dies alles unter der Bezeichnung ESG zusammen, welche für Enviromental - Social -und Governance steht. Aktuell arbeitet man an einem einheitlichen EU-Klassifikationssystem ("Taxonomie"), anhand dessen harmonisierte Kriterien bestimmt werden sollen, nach der eine wirtschaftliche Tätigkeit als nachhaltig zu betrachten ist. In Fachkreisen rumort es jetzt schon. Denn neben einer weiteren Bevormundung der Investoren ist der Begriff Nachhaltigkeit genauso dehnbar wie die Bezeichnung Bio in der Lebensmittelindustrie.
Zum Beispiel ermittelt eine Marktforschungsgesellschaft aus Kanada seit Jahren die nachhaltigsten Unternehmen der Welt. Wer glaubt, die Rangliste würde ausschließlich von "grünen" Unternehmen angeführt, die sich zum Beispiel mit erneuerbaren Energien beschäftigen, wird überrascht sein.
2018 findet man auf Platz zwei das finnische Mineralölunternehmen Neste. Umweltschutzorganisationen kritisieren dieses Unternehmen seit Jahren für den aus Palmöl gewonnenen Biodiesel, der als Neste Green Diesel europaweit verkauft wird. Auch die Funktion als Hauptsponsor der Rally Finnland hat scheinbar keinen Einfluss auf die Topplatzierung im Nachhaltigkeitsranking. Mit Siemens (Platz 9) und BMW (Platz 17) befinden sich auch zwei deutsche Unternehmen unter den Top platzierten.
Grundsätzlich ist der Gedanke, Investments nicht nur renditegetrieben, sondern auch unter ethischen, sozialen oder umweltverträgliche Aspekten auszuwählen, nicht negativ. In der Gesellschaft, insbesondere bei den Jüngeren, findet jetzt schon ein Umdenkungsprozess, hin zu mehr Gerechtigkeit und Umweltbewusstsein statt. Unternehmen, die sich diesen Anforderungen nicht stellen, werden es langfristig sowohl bei Verbrauchern, Arbeitnehmern und Investoren schwer haben.
Daher sollte die Frage erlaubt sein, ob zukünftig bei der Auswahl von Investments eine gesetzliche Quote für nachhaltige Investments vorgegeben werden muss. Auf jeden Fall sollten sich Anleger darauf einstellen, dass ihr Vermögensberater in naher Zukunft die persönlichen Präferenzen für nachhaltige Investments abfragen und dokumentieren wird. Wie diese dann umgesetzt werden können bleibt abzuwarten, bis die EU-Kommission ihr Klassifikationssystem verabschiedet hat.
Abzusehen ist jetzt schon es eine Flut von Investmentprodukten, die mit EGS-Labeln für einen nachhaltigen Inhalt werben werden. Investoren sollten dennoch genau hinschauen, denn für den nachhaltigen Vermögensaufbau bedarf es mehr, als eines grünen Labels.
von Ralph Rickassel, PMP Vermögensmanagement in Düsseldorf, eine Niederlassung der Donner & Reuschel Lux S.A.
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