Vermögensverwalter-Kolumne

Die ersten vier Börsenmonate waren entscheidend

29.04.19 07:39 Uhr

Die ersten vier Börsenmonate waren entscheidend | finanzen.net

Der gerade veröffentlichte ifo Geschäftsklimaindex verschlechtert sich leicht und der DAX steigt sofort. Wie passt so etwas eigentlich zusammen, da gerade der Geschäftsklimaindex ja als Frühindikator für die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland gilt?

Wollen oder können die Börsianer die Zahlen nicht richtig deuten oder gibt es vielleicht andere Gründe für den DAX Anstieg im Jahr 2019?

Für eine genauere Interpretation der ifo Zahlen lohnt ein Blick auf die Zusammensetzung des Index und seine Aussagefähigkeit. Jeden Monat werden etwa 7 000 Unternehmen nach der aktuellen Lage, den Aussichten, der Beschäftigungssituation und der Nachfragesituation befragt. Daraus wird dann nicht nur der ifo Geschäftsklimaindex generiert also die "gefühlten Wirtschaftslage", sondern auch Aussagen zu den zukünftigen Aussichten und zur tatsächlichen aktuellen Lage getroffen. Und siehe da: erweitert man den Betrachtungshorizont, dann ist die aktuelle Lage mit 103,80 Punkten im März sogar um 0,2 Punkte besser als im Vormonat und die Aussichten unverändert stabil mit 94 Punkten sowohl im März als auch im Februar. Wir haben es also nicht mit einer sich anbahnenden Wirtschaftskrise zu tun, wenn man denn den Zahlen glauben darf, sondern eher mit einer Seitwärtsbewegung im Wirtschaftswachstum.

Das passt auch gut zu den Prognosen der fünf Wirtschaftsweisen, die eine deutliche Reduzierung des Wirtschaftswachstums sehen, aber noch lange keine Rezession. Als einer der Hauptgründe für die Verlangsamung machen die Wirtschaftsweisen sowohl die Chemieindustrie als auch die Automobilhersteller aus. Und auch das ist kein Wunder - Bayer kämpft nach wie vor mit den juristischen Folgen des Monsanto-Deals und die Automobilhersteller sind in einer ihrer größten Transformationen hin zur Elektromobilität. Dass es zum Teil hausgemachte Probleme bei einigen Großkonzernen gibt, zeigt auch der Blick auf die Börsenentwicklung des DAX im Vergleich zum MDAX. Während der MDAX auf Zwölfmonatssicht unverändert ist, liegt der DAX im gleichen Zeitraum bei einem Minus von ca. drei Prozent.

Der DAX-Anstieg hat somit ein ordentliches konjunkturelles Fundament. Dies allein erklärt aber noch nicht die diesjährige Performance, die quasi ohne größere Korrekturphasen erfolgt ist.

Eine Erklärung könnte sein, dass viele Anleger nach wie vor unterinvestiert sind und jeden Kursrückgang zum Kauf nutzen. Der schlechte Dezember hat viele Börsianer zum Glattstellen ihrer Positionen bewegt. Manche Börsentage im Dezember hatten doppelt so hohe Umsätze wie zu normalen Zeiten, ein Zeichen für Panikverkäufe aus Angst vor einer Rezession. Eine Rezession ist aber nach wie vor nicht in Sicht, weder in Deutschland noch weltweit. Institutionelle Anleger haben jetzt also Handlungsdruck und müssen reinvestieren, um überhaupt noch eine Chance auf Erreichen der Benchmark zu haben.

Auch hier lohnt wieder ein Blick auf die Umsätze im DAX, denn von großen strategischen Käufen ist nichts in Sicht, vielmehr verläuft der derzeitige Kursanstieg in geordneten Bahnen. Man kann bei den Börsenumsätzen quasi von "business as usual" sprechen. Hinzu kommt das Durchbrechen wichtiger charttechnischer Marken von unten nach oben. So wurde der gleitende 20 Tagesdurchschnitt beim DAX schon Anfang Januar durchbrochen, die 200 Tageslinie wurde im April geknackt.

Ein ordentliches konjunkturelles Umfeld, eine sich ständig verbessernde Charttechnik, nach wie vor keine Kaufeuphorie und institutionelle Investoren die ihre Performance retten müssen - dies alles sind gute Erklärungen für den aktuellen Kursanstieg.

Allerdings haben die Börsen genau dieses Umfeld eingepreist. Wenn es also in den nächsten Wochen und Monaten keine überraschend positiven Konjunktur- oder Unternehmenszahlen geben wird, dann spricht vieles für dafür, dass sich die Indizes auf dem aktuellen Niveau einpendeln und große Kurssprünge nicht mehr stattfinden. Wer als Anleger die ersten vier Börsenmonate des Jahres 2019 verpasst hat, hat wahrscheinlich große Teile der Jahresperformance verpasst.

Von Frank Wieser, Niederlassungsleiter der PMP Vermögensmanagement, Donner & Reuschel Lux S.A., Zweigniederlassung Deutschland

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