Das Jahr der Anakonda am Anleihenmarkt
in vielen Depots hinterließ dieses Jahr tiefrote Ergebnisse. Gerade auch in Anleihendepots sieht es oft katastrophal aus, meint Dr. Marc-Oliver Lux von Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG in München
Für Anleihendepots endet dieses Börsenjahr überhaupt nicht fröhlich, sondern eher ziemlich schaurig. Die Performance europäischer Staatsanleihen notiert auf Sicht von einem Jahr mit krassen 17,2 Prozent im Minus - nominal wohlgemerkt. Real sieht die Lage noch übler aus. So hohe Verluste türmten Anleihen seit 35 Jahren nicht mehr auf. Es ist natürlich vor allem dem steilen Renditeanstieg innerhalb weniger Monaten geschuldet.
Dabei ähnelt die Zinskurve in Europa und USA einer riesigen Anakonda: Während ihres langen Schlummers erregte sie kaum Aufmerksamkeit, bringt die Märkte aber zum Zittern, sobald sie erwacht und ihren Kopf erhebt. Viele Jahre lang haben langlaufende Staatsanleihen den Anlegern ein Lächeln ins Gesicht gezaubert: Die mehrjährige Nullzinspolitik der Notenbanken machte Finanzierungen günstig und bescherte immer wieder gute Kursgewinne bei langlaufenden Anleihen. Jetzt, wo die Anakonda endlich erwacht ist, zeigen die Bewegungen bei den Renditen ihre giftige Wirkung, indem sie die Preise für Verschuldung auf der ganzen Welt nach oben treiben und Anleihekurse fallen lassen.
Angesichts teilweise zweistelliger Inflationsraten flüchtete sich manch Anleger in inflationsgebundene Anleihen. Klingt nach dem perfekten Zufluchtsort. Doch auch hier ist die Bilanz erschreckend: Vergleichsindizes von inflationsgebundenen Anleihen sind im Jahresverlauf um mehr als 30 Prozent gefallen. Was war hier los? Zwar bieten inflationsgebundene Anleihen den Vorteil, dass ihr Kapital und ihre Kupons an die Inflation gekoppelt sind. Sie haben aber auch einen entscheidenden Nachteil: ihre teilweise lange Duration (= durchschnittliche Kapitalbindungsdauer). In einem inflationären Umfeld, in dem die Zentralbanken massiv die Zinsen erhöhen, kann dies zum Bumerang werden.
Von der letzten US-Notenbank-Sitzung im November erhofften die Marktteilnehmer Signale für ein zukünftig gemäßigteres Vorgehen der Federal Reserve. Laut veröffentlichtem Sitzungsprotokoll kam der Offenmarktausschuss der US-Notenbank tatsächlich zu dem Schluss, dass die Zentralbank das Tempo der Zinserhöhungen bald drosseln sollte, um das Risiko einer übermäßigen Straffung der Geldpolitik zu verringern. Nach vier Erhöhungen um 75 Basispunkte in Folge sollten somit ab Dezember "nur" noch Zinsschritte um 50 Basispunkte folgen.
Doch gleichzeitig erklärte Fed-Chef Jerome Powell auf der Pressekonferenz, dass die Zinsen letztendlich auf ein höheres Niveau steigen und auch länger hoch bleiben dürften, als die Fed-Prognosen bisher vermuten ließen. Powell räumte auch ein, dass der Leitzins über die Kerninflationsrate (aktuell bei 6,5 Prozent, Tendenz leicht fallend) steigen müsse, denn wenn der reale Leitzins negativ ist, sei die Politik eindeutig nicht straff genug. Für die Beobachter des Anleihenmarkts, die sogar schon wieder mit Zinssenkungen im Jahr 2023 gerechnet hatten, war dies wie eine kalte Dusche.
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